Protokoll der Sitzung vom 30.05.2001

(Beifall bei der GAL und Bravo-Rufe bei der GAL)

wenn sie sagt, der Bericht des Senats sei uninteressant. Die wichtige Transparenz zeige sich erst anhand der Haushaltsberatungen Ende dieses Jahres, das heißt, wie der Haushalt aufbereitet ist. Das ist das einzige erste richtige Kriterium. Dieser Bericht ist relativ sinnlos gewesen; das muß man hier auch ehrlich sagen können.

(Günter Frank SPD: Dann können Sie sich ja set- zen!)

Warum er sinnlos ist, hat Frau Freudenberg auch völlig richtig ausgeführt. Die Schwierigkeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses und des Filzes in Hamburg ist nicht, daß es an Vorgaben und Gesetzen mangelte, sondern daß gegen sie verstoßen worden ist. Das haben wir gemeinsam festgestellt. Es gab Regelungen, aber sie wurden nicht eingehalten. Deshalb ist nicht die Weiterentwicklung der Regelungen entscheidend, sondern das Verständnis, wie man damit umgeht.

Das ist das, was dem Senat fehlt, nämlich das Bewußtsein darüber, überhaupt Unrecht getan zu haben. Das ist doch das entscheidende Moment, Untransparenz herstellen zu müssen. Diese beiden Momente fehlten und sind durch diesen Bericht auch nicht aufgeklärt worden. Jetzt zu sagen, das mit der Transparenz werden wir dann diskutieren, ist vielleicht eine gewisse Hoffnung bei den Haushaltsberatungen, aber, ob wir dadurch weiterkommen?

Das zweite entscheidende Moment war natürlich, daß es dabei um materielle Ergebnisse ging. Da hat Frau Blumenthal völlig recht. Was ist denn mit den Verfahren gegen einzelne Personen? Da werden Verfahren angekündigt und sind immer noch nicht geklärt. Das geht nicht an. Natürlich muß man einmal sagen, was damit geschieht. Das ist mittlerweile notwendig. Frau Freudenberg, Sie können sich doch nicht hinstellen und sagen, wie darf man das einklagen? Das ist jetzt ein halbes Jahr her nach dem PUA und mehrere Monate und Jahre nach den Vorfällen. Dann muß die Behörde doch deutlich etwas zu diesen Einzelfällen sagen und nicht sagen, es wird weiterhin geprüft. Das halte ich für unverantwortlich.

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der CDU)

Im Zusammenhang mit der zweiten wichtigen Sache steht Frau Freudenberg leider ein bißchen nackt da, weil doch der wesentliche Anspruch, den Sie hatten, die Frage der Akteneinsicht war. Sie sagten, das sei das entscheidende Moment, um in der Lage zu sein, Verfahren innerhalb der Behörde transparent machen zu können. Sie befürworteten das Akteneinsichtsrecht, hielten aber immerhin schon einen Zuwendungsbericht für ein gutes Zwischenergebnis, um ein bißchen mehr zu erfahren. Aber Akteneinsichtsrecht war die große Banderole der GAL, alles andere wäre nichts wert.

Jetzt stellen wir fest, daß der Senat das Akteneinsichtsrecht noch nicht einmal in diesem Bericht anführt. Nein, das Thema wird völlig negiert und Sie stellen sich hin – was durchaus auch etwas Nettes an sich hat –, nach dem Motto: Wir regieren nicht mit, wir müssen hier kräftig kämpfen, um den Senat dazu zu zwingen, daß er jetzt endlich einmal Akteneinsicht einführt. Sie haben versucht, hier zu erklären, was Sie alles durch das Regieren erreichen können. Wenigstens ein bißchen Akteneinsicht wäre doch schon ganz schön, aber anscheinend reicht das auch nicht aus. Sie müssen kämpfen wie wir. Wir kämpfen gemeinsam für das Akteneinsichtsrecht. Das finde ich auch gut, und wir werden den Senat unter Druck setzen. – Tschüs.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Dr. Hans-Peter de Lorent GAL und Antje Blumenthal CDU)

Das Wort, meine Damen und Herren, hat Frau Senatorin Dr. Nümann-Seidewinkel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der PUA hat während seiner laufenden Arbeit sowie mit seinem Abschlußbericht viele Denkanstöße gegeben. Teilweise sind sie bereits umgesetzt worden, zum Beispiel in neuen Dienstvorschriften zur Vermeidung von Interessenkollisionen, personelle Umbesetzungen von Aufsichtsgremien, die Neufassung der Aktenordnung in der BAGS.

In Anbetracht der komplexen Materie und der vielschichtigen, umfangreichen Arbeit des PUA kann die Ersuchensantwort nicht den Anspruch erheben, alle Facetten der mehrjährigen Untersuchungsarbeit widerzuspiegeln. Lassen Sie mich deshalb auf zwei wesentliche Punkte eingehen: Zuwendungen und Interessenkollisionen.

Zum Thema Zuwendungen. Der Senat hat zügig Schritte zur Optimierung des Zuwendungsverfahrens eingeleitet. Die BAGS hat bereits während der Untersuchungsphase die Mängel und Probleme aufgegriffen. Sie hat neue Regelungen und Dienstanweisungen erlassen, die die Verfahrenssicherheit bei der Zuwendungsvergabe erhöhen und für bessere Transparenz der Bewilligungsentscheidungen sorgen. Es gab zügig Veränderungen im organisatorischen Bereich. Die Einzelheiten der Neuorganisation und die ersten Erfolge sind in dem Bericht des Senats ausführlich dargestellt.

Zum Verfahrenscontrolling. Die Beauftragten für den Haushalt werden informiert, wenn Bescheide nicht rechtzeitig erlassen werden, Zuwendungsnachweise nicht fristgerecht vorgelegt oder nicht zeitnah geprüft werden. Die BfH werden ausdrücklich aufgefordert, für ihren jeweiligen Zuwendungsbereich in geeigneter Weise sicherzustellen, daß

ihnen über Verzögerungen im Zuwendungsverfahren berichtet wird. Auf der Basis dieser Informationen wird der Senat die Bürgerschaft im Rahmen der Halbjahresberichte informieren.

Zur Frage der Zuwendungsvergabe an bilanzierende Unternehmen hat die Finanzbehörde die Verwaltungsvorschriften deutlicher formuliert. Die Änderung dieser Vorschriften ist nach Abstimmung mit dem Rechnungshof bereits umgesetzt. Wir werden die Anregung aufgreifen und die wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Zuwendungen in geeigneten Fällen, aber nicht generell, von Wirtschaftsprüfern prüfen zu lassen. Der Senat wird kurzfristig das Ersuchen zur Qualifizierung umsetzen und das Fortbildungsangebot für Zuwendungssachbearbeiterinnen und -sachbearbeiter sowie beteiligte Vorgesetzte verbessern. Wir werden auch den Vorschlag aufgreifen, mit dem Haushaltsplan Informationen über Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit Zuwendungsempfängern zu geben. Beabsichtigt ist, in die Erläuterungen zum Haushaltsplan eine Übersicht über herausragende Ziel-/Leistungsbeschreibungen und -vereinbarungen mit Zuwendungsempfängern aufzunehmen und so die schon jetzt umfangreiche Zuwendungsberichterstattung zu ergänzen. Hamburg hat schon jetzt im Vergleich zu anderen Bundesländern und dem Bund eine sehr ausführliche und differenzierte Darstellung zum Zuwendungsbereich.

Zur Erinnerung: Im Finanzbericht in der Anlage 12 finden Sie zum Beispiel einen ausführlichen Gesamtüberblick über die Zuwendungsausgaben. Es werden alle Titel des Haushaltes, aus denen Zuwendungen gezahlt werden, aufgelistet. Die Einzelplanbände enthalten vor allem für Zuwendungsprogramme Aussagen, sowohl in den Produktinformationen als auch in einem gesonderten Abschnitt der jeweiligen Kapitelerläuterungen sowie zu einzelnen Haushaltstiteln.

Für die Empfänger institutioneller Förderung über 200 000 DM sind Kurzfassungen der Wirtschaftspläne in den Anlagen zu den Einzelplanbänden dargestellt. Ein empfängerbezogener Zuwendungsbericht, der teilweise gefordert und in Deutschland übrigens einmalig wäre, würde, wie von Frau Freudenberg ausdrücklich hingewiesen wurde, bedeuten: „Lastenwagenweise Papier abholen und das durchwühlen.“

Zum Thema Interessenkollision lassen Sie mich kurz die Problematik darstellen. Die Landeshaushaltsordnung fordert einen angemessenen Einfluß der FHH auf ihre öffentlichen Unternehmen. Dieser wird – entsprechend dem Funktionsmodell – grundsätzlich durch die Besetzung der Aufsichtsräte der Unternehmen mit fachlich kompetenten Personen aus der jeweils fachlich zuständigen Behörde und der Finanzbehörde sichergestellt. Diese Personen sind nach dem Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetz beziehungsweise dem Sozialgesetzbuch von Verwaltungsverfahren ausgeschlossen, die Unternehmen betreffen, in deren Aufsichtsräten sie sind. Nach Paragraph 63 Hamburgisches Beamtengesetz erstreckt sich der Ausschluß dieser Personen darüber hinaus auf jede dienstliche Tätigkeit außerhalb von Verwaltungsverfahren. Die ministerielle Verantwortung der Senatorinnen und Senatoren für die Steuerung der öffentlichen Unternehmen in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich und für die Verwaltungsverfahren und Tätigkeiten, von denen sie ausgeschlossen sind, bleibt jedoch bestehen.

Diese Konfliktsituation läßt sich nach der Auffassung des Senats systematisch nicht völlig auflösen, aber eingren

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

zen, damit die vom PUA angestrebten Ergebnisse erreicht werden. Eine stringente Anwendung der Interessenkollisionsnormen reduziert die Anzahl möglicher Konfliktfälle. Eine Ausweitung des Anwendungsbereiches von Paragraph 20 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz, wie sie im Untersuchungsbericht durch Auslegung des Begriffs „gleichartiges Organ“ dargestellt ist, kommt aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Durch behördenspezifische Dienstanweisungen oder Organisationsverfügungen wird eine klare Trennung von hoheitlichen und unternehmenssteuernden Funktionen gegeben. Abschließend sei dem PUA für seine Anregungen und Vorschläge gedankt. Sie sind im Zuge sich wandelnder organisatorischer und rechtlicher Rahmenbedingungen zu bewerten und im Zuge eines dauernden Veränderungsprozesses umzusetzen. – Herzlichen Dank für Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Wersich, Sie haben das Wort.

Der Beitrag von Herrn Frank, eigentlich alles nur Versatzstücke der Rede aus dem vergangenen Jahr,

(Günter Frank SPD: Vier plus!)

aber auch der Beitrag von Frau Freudenberg haben gezeigt, daß SPD- und GAL-Fraktion im Kampf gegen die Mißstände und den Filz komplett gescheitert sind. Die GAL läßt sich hier von der SPD nach Strich und Faden veräppeln, denn es gibt nicht einen einzigen Ansatz des Senates, die vorhandenen, ja auch von Ihnen konstatierten informellen Strukturen irgendwie anzugehen, sie irgendwie zu beseitigen. Es gibt nicht mehr Transparenz, es gibt kein Akteneinsichtsrecht, es gibt keinen Zuwendungsbericht. Statt dessen gibt es – und das konnten Sie den Zeitungen in den letzten Tagen ebenfalls entnehmen – ein massives Anwachsen öffentlicher Unternehmen in Hamburg. Es werden ehemalige Behördenteile ausgelagert, wie Stadtreinigung, Krankenhäuser, pflegen & wohnen und so weiter, und sie bleiben aber auf dem Weg einer echten Privatisierung stecken. Sie bleiben als Anstalt öffentlichen Rechts, als GmbH oder was auch immer unter der vollen Kontrolle des Senats, sind aber der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Auf diese Weise machen quasi staatlich geschützte Unternehmen den privaten Anbietern in der Stadt ohne Kontrolle eine massive Konkurrenz, und es wird nicht zuletzt von der Handwerkskammer zu Recht gerügt.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt – und das haben auch Sie, Frau Senatorin NümannSeidewinkel, wiederholt – erliegen Sie dem Irrglauben, daß Sie durch staatliche Kontrollgremien staatliche Unternehmen ausreichend kontrollieren können. Zu einer Kontrolle gehört das Gleichgewicht der Kräfte. Da ist hier der Senat und da das Parlament. Wenn Sie das Parlament aus der Kontrolle der öffentlichen Unternehmen derartig ausschalten, wie Sie es tun, dann passieren eben Dinge wie im LBK, die von uns nicht mehr kontrollierbar und einforderbar sind.

(Beifall bei der CDU)

Und zu diesem Geflecht, 400 öffentliche Unternehmen, kommt, daß die Geschäftsführung und die Aufsichtsgremien überwiegend mit SPD-Mitgliedern besetzt sind, die Geschäftsführung wie die Kontrolle. Meine Damen und Herren, das ist genau das Filzgeflecht in der Stadt, was wir

im PUA „Filz“ festgestellt haben und das weiterhin wächst und blüht. Deshalb ist doch ganz klar: Die massive Verquickung öffentlicher Ämter mit Funktionen in der SPD muß strukturell beendet werden, und diese strukturelle Beendigung geht nur dann, wenn der Staat und das SPD-Parteibuch voneinander getrennt werden.

(Lachen bei der SPD – Günter Frank SPD: Das ha- ben Sie schon vor einem halben Jahr gesagt!)

Sie lachen. Das wiederum kann und wird erst durch einen politischen Wechsel erfolgen, und dafür, Frau Freudenberg, haben Sie heute die besten Argumente geliefert, weil Sie eben nicht in der Lage sind, gegen diesen unbeweglichen und verfilzten Tanker SPD in der Stadt etwas zu bewegen.

(Beifall bei der CDU – Erhard Pumm SPD: Da kann Herr Ehlers mal mit gutem Beispiel vorangehen und zurücktreten!)

Das Wort hat Frau Dr. Kähler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! So, so, Herr Wersich, wir sind komplett gescheitert im Kampf gegen den Filz. Ich habe heute nachmittag, als ich zusammen mit Frau Spethmann bei einer Schülergruppe war, gelernt, wie die CDU sich zukünftig den Kampf gegen den Filz vorstellt, nämlich mit einer Koalition zusammen mit Herrn Schill. Das waren die Worte von Frau Spethmann. Zur Bekämpfung des Filzes ist eine Koalition der CDU mit Herrn Schill erforderlich, wobei sie sich das dann so vorstellt, daß Herr Schill nur eine Art Suppenkasper und Mehrheitsbeschaffer für diese Koalition ist und ansonsten nichts weiter zu sagen hat.

Meine erste Reaktion war ein Lachanfall. Meine zweite Reaktion war, zu sagen, das halte ich für dramatisch. Ich halte es für dramatisch, wenn das die Lösung der CDU sein soll, den Kampf gegen den von ihr konstatierten Filz aufzunehmen, indem sie eine Koalition mit einem Mann eingeht, der Ideen hat, wie wir sie aus totalitären Regimes kennen. Das sei hier einmal festgehalten.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Ole von Beust CDU: Und die PDS darf!)

Das, meine Damen und Herren, ist ein um so dramatischerer Befund, als die CDU zweieinhalb Jahre mit uns in dem Untersuchungsausschuß gearbeitet hat und offensichtlich von den Konsequenzen, die wir da in mühsamer Arbeit erarbeitet haben, nichts, aber auch gar nichts begriffen hat. Wenn Sie davon nichts begriffen haben, meine Damen und Herren, dann stellen Sie sich aber auch nicht hier hin und sagen uns, daß wir gescheitert sind. Dann sagen Sie einfach, wir haben es nicht begriffen, wir werden es nicht begreifen und deswegen lassen wir es sein und planen die Koalition mit der rechtsradikalen Offensive und alles andere ist uns dann egal. Dann sagen Sie das, aber machen Sie uns nicht den Vorwurf über die Konzepte, die im übrigen erst begonnen haben. Wir haben es doch gehört von der Finanzsenatorin.

(Antje Blumenthal CDU: Drei Jahre her!)

Lesen Sie den Bericht einmal im einzelnen, dann wissen Sie, daß das nicht Dinge sind, die da in Gang gekommen sind, die jetzt mit einem Fingerschnippen zu machen sind, sondern daß das ein langdauernder und langwieriger Prozeß sein wird.

(Senatorin Dr. Ingrid Nümann-Seidewinkel)

(Antje Blumenthal CDU: Wieviel Jahre noch?)

Dann nehmen Sie das zur Kenntnis, und unterstützen Sie uns oder lassen Sie es sein, aber reden Sie nicht solchen Unsinn.