Protokoll der Sitzung vom 15.04.2002

und zwar deswegen, weil er keinen einzigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leistet. Sie haben hier die ganze Zeit über Haushaltskonsolidierung gejammert und leisten mit diesem Entwurf 2002 nicht einen einzigen Beitrag zur Konsolidierung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Der Haushaltsplan-Entwurf ist obendrein auch noch unehrlich, weil Sie versuchen, genau das zu vertuschen und die Verantwortung für Ihre eigenen Entscheidungen jetzt anderen in die Schuhe zu schieben. Das ist unseriös. Er ist in der Tat unsozial und auch rücksichtslos, weil er einen politischen Richtungswechsel auf Kosten der Schwächsten und der Hilfsbedürftigen einleitet.

(Dietrich Rusche CDU: Das glaubt kein Mensch mehr!)

In der Finanzpolitik hat Sie die bittere Realität eingeholt. Jahrelang haben Sie als Oppositionspartei unrealistische Forderungen erhoben.

(Dr. Michael Freytag CDU: Sie sind die Realität!)

Nun gibt es leider, wie das so oft in der Regierung ist, ein unsanftes Erwachen. Bei dem Wechsel von der Opposition in die Regierung knarrtscht es bei Ihnen ganz gefährlich im Getriebe. Sie haben nämlich schon im Koalitionsvertrag den Mund zu voll genommen, Sie haben viel versprochen und wissen jetzt nicht, wie Sie es finanziert bekommen.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das habe ich doch ge- sagt, wie wir es finanzieren!)

Um diesen schlichten Umstand zu kaschieren, tischen Sie jetzt jede Menge von Unwahrheiten und Legenden über Rotgrün auf.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Ammenmärchen, dass Sie ahnungslos in ein tiefes, dunkles Loch gefallen sind, was Ihnen Rotgrün heimlich gegraben hat, ist schlicht nicht wahr. Sie sind über die Situation in Hamburg durch die Finanzberichte bestens informiert gewesen.

(Dr. Michael Freytag CDU: Sie haben doch alles vertuscht!)

Den Bericht an die Bürgerschaft über die Haushaltsentwicklung, zum Beispiel im Schulbereich, hat Ihre Regierung sogar selber verantwortet und selber der Bürgerschaft zugeleitet. Dass die Steuereinnahmen mal besser und mal schlechter ausfallen, Herr Freytag, damit muss jede Regierung kämpfen. Damit mussten wir auch mal kämpfen.

(Rolf Kruse CDU: Dank Schröder!)

Tatsache ist, dass der Hamburger Haushalt seit 1994 strukturell um 1,2 Milliarden DM entlastet worden ist. Tatsache ist, dass Rotgrün den Haushalt jedes Jahr um rund 150 Millionen Euro entlastet hat und gleichzeitig auch Vorsorge für schlechte Zeiten getroffen hat. Aus Rücklagen und Veräußerungserlösen wurden Ihnen Reserven von über 100 Milliarden Euro übertragen. Jetzt frage ich mich, was machen Sie denn jetzt damit?

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Was?)

Nein, 1 Milliarde Euro. Wo Sie Recht haben, sollen Sie auch Recht bekommen. Es ging um über 1 Milliarde Euro. Was machen Sie aber jetzt damit und das ist das Interessante. Sie schleichen sich mit dem Entwurf 2002 aus der unbequemen finanziellen Realität schlicht davon. Sie leisten für die weitere Haushaltskonsolidierung mit diesem Entwurf 2002 nichts und schleichen sich aus Ihren hehren finanzpolitischen Zielen, die Sie selber hier und auch in Ihrem Antrag formuliert haben, davon. Sie kommen diesen Zielen nicht einen einzigen Millimeter näher.

(Dr. Michael Freytag CDU: Ihnen kommen wir nicht entgegen!)

Das ist die Tatsache. Im Gegenteil. Sie machen genau etwas anderes. Sie erhöhen die Ausgaben und betreiben die Verschuldung schneller voran, als Rotgrün das jemals getan hat. Das sind die Tatsachen, Herr Freytag.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Wir sind in Hamburg und nicht in Berlin!)

Dass Rotgrün weitere Konsolidierungsnotwendigkeiten geleugnet hat, Herr Freytag, ist auch nicht wahr. Das ist auch eine Ihrer schönen Legenden, mit denen Sie Ihre eigene Verantwortung vertuschen wollen. Wir haben noch

(Krista Sager GAL)

vor der November-Steuerschätzung einen Plan aufgestellt, die Nettokreditaufnahme schrittweise zurückzuführen. Das ist in der Tat ein ehrgeiziger Konsolidierungsplan gewesen. Und was machen Sie als konservative Regierung? Sie treiben die Verschuldung voran und das ist ein Armutszeugnis für eine konservative Regierung.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Das ist für jede Regierung ein Ar- mutszeugnis!)

Nebenbei, Herr Freytag, auch was Sie immer so Schönes über Reduzierung von bürokratischem Aufwand und mehr Behördeneffizienz formulieren, auch da nehmen Sie doch den Mund voll und machen genau das Gegenteil. Die Aufspaltung der Beschäftigungspolitik zwischen Wirtschaftsbehörde und Sozialbehörde hat doch zu Ineffizienz geführt und mehr bürokratischen Aufwand herbeigeführt, als wir vorher hatten. Das ist doch das Gegenteil von Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung.

Sie kürzen allerdings in Ihrem Entwurf 2002 kräftig, aber – das ist auch die traurige Wahrheit – Sie kürzen nicht, um den Hamburger Haushalt in Ordnung zu bringen, sondern ausschließlich, um einen Politikwechsel einzuleiten. Bei diesem Politikwechsel ist Ihnen allerdings das soziale Augenmaß vollkommen abhanden gekommen.

(Rolf Kruse CDU: Das ist doch aber erlaubt! Aus Ihrer Sicht!)

Aus meiner Sicht, Herr Kruse, und ich werde das auch noch begründen.

Das Peinliche bei Ihnen ist, dass Sie zu den Entscheidungen, die Sie für diesen Politikwechsel treffen, nicht einmal stehen mögen,

(Rolf Kruse CDU: Was?)

sondern dass Sie auch noch versuchen, für Ihre unsozialen Entscheidungen jetzt wiederum Rotgrün verantwortlich zu machen. Dieses Märchen werden Sie auf Dauer nicht verkaufen können. Das ist unseriös, unehrlich und unsozial.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr von Beust, als Sie noch in der Opposition waren und Rotgrün sich der schwierigen Aufgabe unterzogen hat, für zukünftige Generationen und für eine nachhaltige Finanzpolitik jährlich 150 Millionen DM einzusparen, haben Sie Rotgrün vorgeworfen, wir würden die Schwächsten in der Stadt im Stich lassen. Jetzt kürzen Sie. Aber Sie kürzen und geben mehr und nicht weniger aus. Wer muss den Kopf hinhalten? Wo kürzen Sie?

(Rolf Kruse CDU: Bei den Grünen!)

Bei der Drogenhilfe, bei der Aidsprävention, bei der Hilfe für Frauen in Notlagen, die von Gewalt betroffen oder die psychisch krank sind, bei der Mädchenarbeit, beim Kinder- und Jugendschutz, bei den Opfern von sexueller Gewalt und Missbrauch, bei der Integration von Migrantinnen und Migranten und über 11 Millionen Euro bei der Beschäftigungspolitik. Sie, Ole von Beust, lassen die Schwächsten der Stadt im Stich. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Natürlich müssen Arbeitsplätze primär im normalen Arbeitsmarkt geschaffen werden. Darüber gibt es gar keine Diskussion. Aber gerade da – das müssen Sie auch erinnern – war Rotgrün in der Vergangenheit nachweislich be

sonders erfolgreich. Wir haben die Arbeitslosigkeit von 100 000 auf 70 000 heruntergebracht und 30 000 neue Erwerbsarbeitsplätze geschaffen.

(Rolf Kruse CDU: 100 000 haben die Sozialdemo- kraten mitgebracht!)

Was machen Sie jetzt? Sie kürzen bei der aktiven Beschäftigungspolitik in einer Situation, wo man durch das Job-AQTIV-Gesetz der Bundesregierung neue, bessere Instrumente für die Beschäftigungspolitik – gerade auch in Hamburg – hätte. Sie können diese Instrumente aber nicht optimal nutzen, weil Sie die Mittel drastisch reduzieren.

Eines ist auch klar: Gerade ältere Langzeitarbeitslose, gerade auch junge Menschen ohne Berufserfahrung werden beim Weg in die Erwerbstätigkeit auch weiterhin auf staatliche Hilfe angewiesen sein. Die lassen Sie im Stich.

(Dr. Michael Freytag CDU: Denen helfen wir! – Rolf Kruse CDU: Da besteht kein Zusammenhang!)

Sie wollen die Sozialhilfe kürzen. Gleichzeitig kürzen Sie bei der Arbeitsmarktpolitik. Beides zusammen wird nicht funktionieren. Wir werden uns die Ergebnisse ganz genau anschauen. Wenn Sie diejenigen Menschen im Stich lassen, die es schwer haben, in die Erwerbstätigkeit zu kommen, werden Sie nicht gleichzeitig die Sozialhilfe kürzen können. Das werden wir Ihnen vorrechnen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Zuruf von der CDU: Das wollen wir hoffen!)

Dass Ihre Regierung von Anfang an ein gestörtes Verhältnis zu den Interessen von Frauen hatte, war mit bloßem Auge zu erkennen. Dass sich das nun auch drastisch bei Ihren Haushaltskürzungen wiederfindet, wundert mich nicht. Herr Frühauf hat das offensichtlich zu den schwierigen Kapiteln gebucht. Es ist kein Ruhmesblatt, dass Sie da besonders hinlangen, und das auch noch mit einer weiblichen Senatorin.

Mich hat allerdings verwundert, wie schnell sich Ihr Rechts- und Ordnungsbündnis als das enttarnt, was es ist: Ein Bündnis aus neuem Egoismus, sozialer Rücksichtslosigkeit und Marktradikalismus. Das Profil Ihrer Streichung spricht eine eindeutige Sprache. Bei den Schwächsten wird hingelangt und die Lösung der sozialen Probleme wird an die Polizei delegiert.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Rolf Kruse CDU: Reden Sie von Schröder?)

Nun haben Sie durch den öffentlichen Druck einige Kürzungen zumindest verschoben; zum Beispiel die Kürzung bei der Hilfe für Straßenkinder am Hauptbahnhof. Da sind Sie nach dem Motto vorgegangen: Für das, was man nicht sieht, muss man auch kein Geld ausgeben.

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Unverschämtheit!)