Protocol of the Session on April 16, 2002

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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie ganz herzlich zum zweiten Tag der Haushaltsberatung. Bevor ich den Einzelplan 2 aufrufe, möchte ich denjenigen, die das noch nicht wahrgenommen haben, mitteilen, dass ab heute die Parlamentsdatenbank Bürgerschaft Online im Internet steht und deswegen nicht nur für die Abgeordneten, sondern auch für die große Öffentlichkeit zu erreichen ist. Ich hoffe, dass wir darauf sehr viel Resonanz haben werden.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe den Einzelplan 2 zur Debatte auf:

Einzelplan 2: Justizbehörde

Wer wünscht das Wort? – Herr Klooß, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bürgermeister hat gestern beklagt, wir hätten ihm nicht gesagt, was er und sein Senat falsch machen. Das kann er haben. Ich gebe bezüglich des Justizressorts und seines Präses Herrn Dr. Kusch einige Beispiele:

Obwohl die Justizbehörde von alten Schulden befreit wird, was durchaus zu begrüßen und anzuerkennen ist, darf nicht vergessen werden, dass sie weiterhin 1,6 Millionen Euro einsparen muss. Was sich bisher dabei abzeichnet, zeigt das Politikverständnis des Senators, das mehr als beunruhigt. Die Einsparungen sollen unter anderem durch Ausdünnung und Aufgabe oder Verlagerung von Abteilungen erreicht werden. Hier beginnt auch schon die Kritik, denn es gibt keine vernünftige Planung.

Fangen Sie bitte auch nicht wieder mit Ihrer Ausrede an, Sie seien erst so kurz in der Verantwortung, müssten sich noch einarbeiten und seien dabei, sich Gedanken zu machen. Hamburg hat mehr als einen Azubi auf dem Sessel des Justizsenators verdient.

Die Gnadenabteilung soll bei der Staatsanwaltschaft neu angesiedelt werden. Aber niemand weiß, wie die neue Arbeitsaufteilung aussehen soll und wer was machen wird. Da heißt es dann nur nebulös, die beabsichtigte Änderung der Gnadenpraxis werde einen Rückgang der zu bearbeitenden Fälle erwarten lassen. Das werde dann Personal freisetzen. Aber seien Sie doch ehrlich, das Gnadenwesen soll durch die organisatorische Neuordnung praktisch liquidiert werden. Sie wollen Ihrem Senatskollegen Schill nacheifern, der in seiner vorsenatorischen Zeit den Spitznamen „Richter Gnadenlos“ erhalten hatte. Sie, Herr Dr. Kusch, wollen der „Senator Gnadenlos“ sein.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL)

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis – in der Verfassung können Sie es nachlesen –, es gibt ein Recht auf Gnadenentscheidung, wenn auch nicht auf das Ergebnis.

Gemeinnützige Arbeit statt Haft, Strategien zur Haftvermeidung. Kostenersparnisse, die damit verbunden sind, spielen dabei für Sie keine Rolle, weil Sie nur Interesse an mehr Verurteilungen und mehr Haftstrafen haben.

Mit unserem Antrag, der Drucksache 17/605, geben wir Ihnen Gelegenheit, auf den richtigen Weg zurückzufinden.

(Beifall bei der SPD)

15 neue Stellen für die Staatsanwaltschaft sind eine Mogelpackung. Zwei neue Stellen hätten sowieso erbracht werden müssen. Für die bei der Staatsanwaltschaft anzusiedelnde Gnadenabteilung werden weitere Stellen benötigt. Von 15 neuen Staatsanwälten zur Verbrechensbekämpfung kann daher keine Rede sein.

Zum Thema Personalausstattung. In einer der letzten Haushaltsberatungen hat die CDU noch pauschal 10 Prozent neue Stellen für alle Bereiche des richterlichen Dienstes verlangt. Davon wollen Sie heute nichts mehr hören. Jetzt ist Ihr Ziel, Herr Senator, den Bestand an Richterstellen zu erhalten, den Sie bei Dienstantritt vorgefunden haben.

Allerdings zeigen Sie kaum Neigungen, die Besetzungsverfahren für leitende Positionen in der Richterschaft zügig durchzuführen. Die Besetzung des Postens des Landgerichtspräsidenten ist zwar am Laufen, aber Sie können sich nur schwer damit abfinden, dass Sie dazu den Richterwahlausschuss brauchen, in dem Sie keine Mehrheit haben.

Bei den Stellen für einen Präsidenten des Landessozialgerichts und einer Position am Landesarbeitsgericht tut sich nichts. Dafür mobben Sie tüchtige und loyale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weg und wollen den Ersatz selbstherrlich bestimmen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Carsten Lüde- mann CDU: Ist doch Blödsinn!)

Symptomatisch für Ihr schwankendes und auf Symbolik abzielendes Verhalten ist das Beispiel Amtsgericht Barmbek. Zunächst waren Sie kein Befürworter dieses neuen Stadtteilgerichts. Als Sie es nicht verhindern konnten, haben Sie es flugs als Modellversuch deklariert in der Annahme, eine inhaltliche Änderung der Rechtsprechung der Jugendgerichtsbarkeit zu erreichen. Sie teilen offenbar das Vorurteil eines Kartells strafunwilliger Jugendrichter, als wenn man es bei den Jugendrichtern mit aufsässigen Schülern zu tun hat, die man im Klassenraum auseinander setzen muss, wenn sie zu viel stören. So funktioniert es nicht, Herr Senator. Sie können nicht ohne Zustimmung der betroffenen Richter und ohne Schaffung der notwendigen begleitenden Maßnahmen einen Rund-um-die-UhrDienst anordnen. Sie waren vorher gewarnt und haben es trotzdem getan. Jetzt haben Sie einen Rechtsstreit am Hals.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie haben immer wieder betont, dass Sie den Strafvollzug zu einem der zentralen Punkte Ihrer Politik machen wollen. Ihre Maßnahme und Ihre Vorhaben zeigen, dass Sie sich von den gesetzlichen Anforderungen des modernen Strafvollzugs entfernen und in den mittelalterlichen Verwahrvollzug zurückwollen.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL – Marcus Weinberg CDU: Beispiele, Beispiele!)

Die Haushaltsplanung sieht bei der Gefangenenentlohnung trotz einer Gesetzesänderung eine Kürzung von 300 000 Euro vor. Angeblich sei die Zahl arbeitsgeeigneter Gefangener zurückgegangen. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Es gibt zu wenig Arbeitsplatzangebote für die Gefangenen. Dieses Problem werden Sie noch durch Ihre Kürzungen verschärfen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Arbeit im Strafvollzug ist Bestandteil des Resozialisierungsgebots des Strafvollzugsgesetzes. Halten Sie sich an

das Gesetz. Nicht mehr, aber auch nicht weniger verlangen wir von Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Kurz vor den Haushaltsberatungen, nachdem wir Ihnen mit unserer Großen Anfrage erst Beine machen mussten, haben Sie, Herr Senator, Ihre Vorstellungen zur neuen Justizvollzugsanstalt Billwerder aufgedeckt. Ich sage „Vorstellung“, denn entgegen Ihren Ansagen im Haushaltsausschuss haben Sie keine ordentliche Haushaltsvorlage und noch nicht einmal einen Senatsbeschluss vorgelegt. Und das bei einem Vorhaben, das die Stadt gegenüber den Planungen des alten Senats nicht 25 Millionen Euro, wie Sie noch vor kurzem prognostiziert hatten, sondern mehr als 40 Millionen Euro zusätzlich kosten soll.

(Erhard Pumm SPD: Das ist nach Gutsherrenart!)

Das liegt natürlich daran, dass Sie jetzt erkannt haben, dass in Ihren bisherigen Ankündigungen eine Haftplatzlücke enthalten war, die bei Umsetzung der Planung des alten Senats wegen des beabsichtigten Baus der geschlossenen Männerhaftanstalt Hahnöfersand nicht entstanden wäre. Jetzt wollen Sie in Billwerder circa 800 Haftplätze auf einmal schaffen – mit Geld, das Sie noch nicht haben.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Hört, hört!)

Man darf gespannt sein, was Ihre Senatskollegen dazu sagen, denn irgendwoher muss das Geld ja kommen. Drucken können Sie es nicht. Wenn Sie den Bedarf aus dem Bestand finanzieren müssen, werden Sie notgedrungen andere Bereiche Ihrer eigenen Behörde bluten lassen müssen. Das wird Ihre Beliebtheit ins Unermessliche steigen lassen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie müssen dieser Bürgerschaft vor allen Dingen ein schlüssiges Konzept vorlegen, das die Vollzugskleidung insgesamt beinhaltet. Daran fehlt es bis heute. Was Sie auf der Pressekonferenz zu Billwerder gesagt haben, war von leichtfertigen populistischen Vorurteilen geprägt. Haft war und ist nämlich in Hamburg kein Luxusurlaub.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aber solche Äußerungen wecken den Verdacht, dass es Ihnen nur um das Wegsperren von Häftlingen geht, um einen Betonvollzug.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Immer die gleichen Klischees!)

Sie riskieren damit, dass dieses Gefängnis zu einer Schule des Verbrechens wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir werden keinem Konzept zustimmen, das nicht den Anforderungen des Strafvollzugsgesetzes und den verfassungsrechtlichen Grundsätzen gerecht wird. Für uns Sozialdemokraten stehen auch und gerade die Ansprüche der Vollzugsbediensteten auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen im Vordergrund.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL – Wolfhard Ploog CDU: Aha!)

Das sollten Sie sich merken, Herr Ploog.

Herr Senator Dr. Kusch, mit Ihrem Bekenntnis zum vorgesetzlichen Verwahrvollzug stehen Sie – von Hessen abgesehen – bundesweit isoliert da. Passen Sie auf, dass Sie

nicht auf diesem Feld wie auch als Ergebnis Ihrer Personalpolitik und anderen Beispiele eigenmächtigen, unsensiblen, zum Teil rücksichtslosen und Expertenrat missachtenden Vorgehens am Ende nicht ganz alleine dastehen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Lüdemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In den vergangenen Jahren hat die CDU von diesem Platz immer die schlechte Situation der Justiz bemängelt und die Überlastung der Richter, Staatsanwälte und Vollzugsbediensteten angeprangert. Erinnern Sie sich auch an den Protest der Richter am Hamburger Landgericht, die im vergangenen Sommer in einem bis dahin einmaligen Hilferuf fast geschlossen erklärten, der Kollaps der Hamburger Justiz drohe nicht nur, er sei schon da?