Protokoll der Sitzung vom 13.11.2002

An dem Erfolg wird gemessen, ob er eines Tages wieder gewählt wird. Wir in Hamburg haben, entsprechend diesen Vorschlägen, kleinere Wahlkreise.

(Michael Neumann SPD: Ist doch gut!)

Im Extremfall könnte es also dazu führen, dass ein Abgeordneter aus Harburg von seinen Wählern den Arbeitsauftrag bekommt, die Ortsumgehung Finkenwerder zu verhindern, weil sie zum Teil über Harburger Gebiet führt. Das heißt also, sein Kollege aus Finkenwerder hat genau den gegenteiligen Arbeitsauftrag, und was geschieht in Hamburg, was all die Jahre passiert ist, nämlich gar nichts.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, das ist nicht im Sinne unserer Stadt. Auf diese Weise landete unter anderem auch eine Drogenberatungsstelle nicht dort, wo sie geplant war. Jeder Standort, der benannt wurde, war sofort verbrannt. Was bleibt uns? Die Abgeordneten von Hamburg-Mitte müssen dafür sorgen, dass die Drogenberatungsstelle in die Vierlande kommt.

(Bernd Reinert CDU)

Meine Damen und Herren, aus unserem Parteiprogramm wissen Sie, dass wir um Bürgernähe bemüht sind. Bürgernähe ist aber etwas, was nicht unmittelbar mit dem Wahlrecht zusammenhängt.

Vielleicht noch ein Wort zu dem Wahlverfahren. Wenn wir jetzt schon sehen, wie viele ungültige Stimmen es bei Wahlen gibt, und uns dann vorstellen, dass jeder fünf Stimmen bei einer Wahl hat, dann wollen wir mal abwarten, wie viele dann ungültig sind. Dann haben wir kein repräsentatives Ergebnis mehr.

Aus unserem Koalitionsvertrag wissen Sie, dass wir um die Stärkung der Bezirke bemüht sind.

(Heiterkeit bei der SPD und der GAL)

Das fiele uns aber wesentlich leichter, meine Damen und Herren, wenn die Zusammenarbeit der Bezirke mit dem jetzigen Senat noch etwas verbessert werden könnte. Daran bitte ich Sie lieber zu arbeiten als an der Perfektionierung der Wahlverfahren.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Rumpf.

Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das gegenwärtige Hamburger Wahlrecht entspricht im Wesentlichen einer alten Forderung derjenigen, die in manchen Ländern in der Vergangenheit an den Entscheidungsprozessen überhaupt nicht beteiligt waren: One man, one vote.

(Michael Neumann SPD: Was?)

Ja, was. Geschichte mangelhaft, Herr Neumann.

(Michael Neumann SPD: Deutsche Sprache!)

Für Länder, die erst am Anfang ihrer demokratischen Entwicklung stehen, ist dies zunächst sicherlich der richtige Weg. In Deutschland und Hamburg mit seiner mittlerweile – Gott sei Dank – ungebrochenen demokratischen Tradition seit über 50 Jahren ist das demokratische Bewusstsein aber so verwurzelt, dass es Zeit ist, den Bürgern mehr Mitwirkungsrechte einzuräumen. Die Hamburger FDP unterstützt den Vorschlag der Initiative, mehr Bürgerrechte für ein neues Wahlrecht in Hamburg, daher nachdrücklich.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP, Beifall bei der SPD und bei Peter Lorkowski Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Der Vorschlag enthält viele Vorstellungen der Liberalen. Insbesondere die Einführung des Panaschierens und Kumulierens entspricht einer langjährigen FDP-Forderung. Nur durch die Möglichkeit des Trennens und Häufelns von Stimmen auf einzelne Kandidaten erhält der Wähler wirkliche Mitbestimmungsmöglichkeiten. Statt lediglich ein Kreuz bei einer Liste zu machen, auf die man vielleicht als Parteifunktionär Einfluss hat, kann sich der Bürger diejenigen Kandidaten aussuchen, die er für die geeignetsten hält. Sei es, weil sie sich besonders intensiv für die Belange der Wähler vor Ort eingesetzt haben, sei es, weil sie besondere Führungsqualitäten ausstrahlen oder aus anderen Gründen.

Genau an dieser Stelle versagt der Vorstoß der SPD, einfach das Bundestagswahlrecht auf Hamburg zu übertragen, sozusagen „one man, two votes“.

(Barbara Duden SPD: Das ist ja noch schöner!)

Sie versuchen hier lediglich, die Gunst der Stunde zu nutzen und mit vordergründig demokratischen Argumenten ein Wahlrecht durchzusetzen, das nur der stärksten Partei dient,

(Beifall bei Christian Maaß GAL)

wovon Sie wohl hoffen, dass Sie es bleiben. Das ist aus Ihrer Sicht legitim, aber das hilft dem Bürger nicht. Das haben mittlerweile auch die Gewerkschaften erkannt und nicht nur sie, sondern auch die Kirche, die Handwerks- und die Handelskammer und zahlreiche andere Organisationen, die alle ihre positive Haltung gegenüber der Initiative ausgedrückt haben. Es gibt aus anderen Bundesländern mittlerweile, insbesondere im kommunalen Bereich, zahlreiche positive Erfahrungen mit der Möglichkeit des Panaschierens und Kumulierens. Es ist aber zum Teil auch sehr kompliziert. Ein Beispiel ist München, wo tatsächlich 81 Stimmen auf Hunderte von Kandidaten verteilt werden können. Das ergibt Wahlzettel in Zeitungsgröße. Hier hingegen ist der Vorschlag der Initiative transparent und einfach. Dadurch, dass jeweils nur fünf Stimmen zu vergeben sind

(Uwe Grund SPD: Zwei mal fünf!)

Sie werden doch noch zwei Zettel auseinander halten können, Herr Grund –, würden komplizierte Wahl- und Auszählungsmodalitäten wie bei den bayerischen Kommunalwahlen vermieden. Auch die Gefahr von Überhangmandaten, Herr Reinert, wird durch die Variante, drei bis fünf Abgeordnete pro Wahlkreis zu bestimmen, minimiert. Auch die Notwendigkeit eines Vollzeitparlaments sehe ich in diesem Zusammenhang derzeit nicht.

Es gibt nach unserer Ansicht also keinen Grund, Angst vor diesem Wahlrecht zu haben, nicht für die großen Parteien und nicht für die kleineren und schon gar nicht für die potenziellen Kandidaten.

Was das Volk will, Herr Grund, werden wir in einer Volksabstimmung erfahren, aber nicht durch Ihre Aussagen hier. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat Herr Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie kennen vielleicht alle noch den alten Spontispruch:

„Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären Sie schon längst verboten!“

(Michael Neumann SPD: Da war ich in der Grund- schule!)

Ja, da war ich noch gar nicht auf der Welt, Herr Neumann.

(Heiterkeit und Beifall bei der GAL, der SPD und der FDP)

Wenn ich mir die Debatte anhöre und auch den Widerstand aus der CDU und der Schill-Fraktion und teilweise auch von den Sozialdemokraten gegen die Volksinitiative vernehme, dann ist an diesem Spruch vielleicht doch etwas dran.

(Uwe Grund SPD: Das ist ganz schön bescheuert!)

(Rolf Gerhard Rutter Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wenn das neue Wahlrecht tatsächlich dafür sorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger besser mitbestimmen können, wer für sie in der Bürgerschaft sitzt, dann bin ich mir sicher, dass sich tatsächlich etwas ändert und dass einige aus diesen Reihen bei der nächsten Wahl vielleicht nicht mehr hier sitzen werden. Man kann förmlich hören, wie einigen die Zähne klappern, wenn sie sich einem demokratischen Wettbewerb aussetzen müssten und nicht mehr nur über Kungeleien in Hinterzimmern auf die Wahllisten gelangten.

(Beifall bei der GAL und bei Martin Woestmeyer FDP)

Damit es in Zukunft nicht mehr so ist, brauchen wir ein neues Wahlrecht und mehr Mitbestimmung durch die Wählerinnen und Wähler.

Zur SPD. Sie schlagen vor, man sollte in Hamburg über 50 Wahlkreise einführen

(Michael Neumann SPD: 57 sind besser als 17!)

57, Herr Neumann –, während die Volksinitiative nur 17 Wahlkreise fordert. Man fragt sich, warum es ausgerechnet 57 Wahlkreise sein sollen. Mir fallen dazu zwei Antworten ein: Erstens kann dann jeder SPD-Ortsverein schön bedient werden und innerparteiliche Wettbewerbe werden damit minimiert.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Michael Neumann SPD: Wir haben 87 Ortsvereine!)

Zweitens fallen dabei höchstwahrscheinlich noch ein paar Überhangmandate für die SPD ab. Auch das halte ich nicht für redlich, denn der SPD-Vorschlag usurpiert damit das Anliegen der Volksinitiative und versucht meiner Ansicht nach durchsichtigerweise, im Windschatten der Volksinitiative parteipolitische Interessen durchzusetzen.

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Ich bin für Wahlkreis Horn!)

Meine Damen und Herren, genau das geht nicht. Genau dieses verfehlte Selbstverständnis der Sozialdemokraten als geborene hamburgische Staatspartei hat dazu geführt, dass sich Volksinitiativen wie diese gebildet haben, die mehr Mitbestimmung fordern.