Protokoll der Sitzung vom 09.12.2002

Was haben Sie in einem Jahr schon angerichtet: Die Arbeitslosigkeit in Hamburg stieg doppelt so schnell wie im gesamten Bundesgebiet,

(Rolf Kruse CDU: Dank Schröder!)

sie liegt bei 11,5 Prozent. Das sind mehr als 8000 zusätzliche Arbeitslose in dieser Stadt. Dieser Anstieg ist zumindest zum Teil hausgemacht. Das Credo Ihrer Politik lautet: Keine Arbeitsmarktpolitik ist die beste Arbeitsmarktpolitik. Die Folgen können wir beobachten. Die Arbeitslosenzahlen steigen und steigen. Nun haben Sie die Quittung bekommen.

Die Sozialsenatorin wollte 9 Millionen Euro im Sozialhilfeetat sparen. Jetzt meldet sie einen Mehrbedarf von 22 Millionen Euro an. Monatelang haben wir Sie vor diesen Zahlen gewarnt, weil sie Ihnen um die Ohren fliegen werden. Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch: Der Sozialhilfehaushalt dieses Jahres ist nichts anderes als ein bewusstes Täuschungsmanöver; Sie wussten nämlich, was Sie tun.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Mit Täuschun- gen kennen Sie sich aus, Herr Grund!)

Kommen wir zum Thema „Wachsende Stadt“. Es ist das Vorzeigethema des Ersten Bürgermeisters, das er angeblich zur Chefsache gemacht hat. Mit der wachsenden Stadt haben Sie einer Entwicklung, die schon etwas länger läuft, nur einen anderen Namen gegeben, denn seit 1987 wächst die Bevölkerung in Hamburg kontinuierlich.

(Rolf Kruse CDU: Das ist auch gut so! – Dirk Nocke- mann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Die Schulden wachsen, Herr Grund!)

Wir fragen uns: Was steckt hinter dem Label der wachsenden Stadt? Die wirksamen Zukunftsprojekte stammen allesamt von Sozialdemokraten:

(Lachen bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Hafenerweiterung, HafenCity, Olympia-Bewerbung, Lufthansa-Standort, Luftfahrtstandort und A380.

(Uwe Grund SPD)

(Beifall bei der SPD – Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Vielleicht von Vo- scherau, aber gegen die SPD!)

Der in CDU-Kreisen hoch geschätzte Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel hat in einer Veranstaltung zur wachsenden Stadt Hamburg klare Worte gesprochen. Er sagte:

„Hamburgs deutsche Bevölkerung vergreist.“

Mehr Geburten herbeireden zu wollen, hat nichts mit Lebenswirklichkeit zu tun, also brauchen wir Zuwanderung.

Dies ist vor dem Hintergrund, dass die CDU – die Partei unseres Ersten Bürgermeisters – in Gestalt von Koch, Stoiber und Co. das Wort Zuwanderung zum Unwort erklären lässt, wirklich hoch interessant.

Meinhard Miegel weist dem Senat Punkt für Punkt nach, dass eine Zuwanderung aus dem Umland so gut wie unmöglich ist. Ole von Beust kann sich die wachsende Stadt abschminken, wenn er sich nicht selbst eingesteht – und dies auch öffentlich sagt –, dass es ohne weitere Zuwanderung nicht geht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn Herr Schill und seine Parteifreunde nicht endlich aufhören, gegen Ausländer in dieser Stadt zu polemisieren, ist Hamburgs Ruf als weltoffene Stadt endgültig ruiniert. Am Wochenende ist es wieder passiert.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das ist menschenfeindlich und schadet Hamburg. Noch einmal ein Zitat von Meinhard Miegel:

„Drei Alte scharen sich künftig in Hamburg um einen Kinderwagen. Ohne einen Zustrom an Zuwanderern trocknet die Stadt aus und deren Integration gehört zu den schwierigsten Aufgaben, die von dieser Stadt und diesem Land bewältigt werden muss.“

Was tun Sie? Sie hauen die Integrationsstrukturen der Stadt in Klump. Das ist Ihre Politik und die ist verantwortungslos.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Politik für anstatt gegen die Menschen heißt, ihre Bedürfnisse an ein Leben in der Stadt ernst zu nehmen und zu befriedigen.

Es geht um die Bedürfnisse nach Arbeit, Bildung, Kinderbetreuung, natürlich auch nach Sicherheit, aber auch nach Drogenhilfe, nach Rentenberatung, nach einem gepflegten Stadtgrün, aber vor allem nach Wohnraum.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Warum seid ihr eigent- lich abgewählt worden?)

Das gilt nicht nur, um dem Trend der wachsenden Stadt gerecht zu werden, sondern wir brauchen für viele hier schon Lebende eine vernünftige Wohnungspolitik.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Nach einem Jahr!)

Sie sollten die Aussagen des Mietervereins zu Hamburg ernst nehmen, Hamburg steuere direkt auf eine Wohnungskatastrophe zu, es sei schon fünf nach zwölf.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Hamburg braucht jährlich 6000 neue Sozialwohnungen. Herr von Beust, Sie planen gerade einmal mit 1800, ein Viertel davon. Der Bedarf an Wohnraum nimmt zu. Der

Neubau bewegt sich auf dem niedrigsten Niveau seit 1987. Was macht der Senat? Der Senat stellt die SAGA und die GWG unter Renditezwang. Das ist keine vernünftige Strukturpolitik, denn Sie melken die falsche Kuh. Circa 40 000 Mieter müssen mit Mieterhöhungen rechnen, weil Sie die Zinsen für die öffentliche Wohnungsbauförderung nach oben treiben. Schon jetzt fehlen in vielen Stadtteilen bezahlbare Wohnungen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Mieten von 10 Euro pro Quadratmeter sind bei den neuen Mietverträgen in Hamburg inzwischen normal. Die Schere zwischen Einkommen und Mieten öffnet sich immer mehr.

Unter den Sozialdemokraten – um das Thema noch einmal anzusprechen – wurden in den neunziger Jahren circa 75 000 Wohnungen gebaut. Wir haben dadurch für eine Entspannung im Wohnungsbau gesorgt. Das bringen Sie jetzt zu Bruch, das ist die Realität.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auch wenn der Erste Bürgermeister Führungsstärke in seinem Wortschatz nicht führt, aber laut Verfassung hat er die Richtlinienkompetenz. Damit trägt er auch die Verantwortung dafür, was schief läuft. Das ist wirklich nicht wenig. Womit ich beim Stichwort Bildung bin.

Wir brauchen für die Bildung tragfähige Zukunftskonzepte. Die Menschen in dieser Stadt wünschen sich als Leitmotiv Chancengleichheit sowie Leistungs- und Qualitätssicherung für die Bildungspolitik. Dass in diesen Punkten ein Nachholbedarf besteht, zeigt die jüngst veröffentlichte UNICEF-Studie, die erneut bestätigt, dass in Deutschland primär die soziale Herkunft den Schulabschluss bestimmt. Damit wir uns richtig verstehen: Das macht auch Sozialdemokraten nicht zufrieden.

(Rolf Kruse CDU: Nein, aber Sie haben die Schuld!)

Die Konsequenz daraus kann nur lauten: Wir brauchen eine größtmögliche Durchlässigkeit und keine frühzeitige Selektion in unseren Schulen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Abitur für alle!)

Sie haben aber exakt das Gegenteil vor. Sie wollen mehr Selektion, Sie haben aus PISA nichts gelernt. Sie wollen das dreigliedrige Schulsystem ausbauen. Ihre Politik senkt in Wahrheit die Bildungsbeteiligung. Richtig ist stattdessen der Erhalt und der Ausbau von Integration und die Steigerung der Durchlässigkeit; darauf kommt es an. Wir stellen fest, dass nach Ihren Vorstellungen der Bildungsweg künftig ab der 4. Klasse für immer festgelegt wird.

Wir fragen uns: Wann wollen Sie für unsere Kinder spätestens nach der Geburt festlegen, welchen Platz sie in der Gesellschaft künftig haben werden?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie führen Hamburg in das bildungspolitische Abseits der Fünfzigerjahre zurück. Das ist die Realität in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Wolfgang Beuß CDU: Sie haben keine Ahnung!)

Das passt auch, denn Ihre Politik macht inzwischen Frau Knipper. Inzwischen wird in dieser Stadt nicht mehr geknappst, sondern „geknippert“; das ist auch nicht toll.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Bernd Reinert CDU: Der Spruch war sogar unter Ihrem Niveau!)

(Uwe Grund SPD)