Protokoll der Sitzung vom 05.03.2003

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In allen Debatten um die Zukunft des deut

schen Gesundheitswesens steht ein Thema ganz oben an, nämlich Prävention und Gesundheitsförderung. Kostenträger, Leistungserbringer und Gesundheitspolitik sind sich einig, wenn es darum geht, dieses Thema voranzubringen. So steht in dem Gutachten des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen, dass durch Investitionen zur Krankheitsverhütung circa 30 Prozent der heutigen Gesundheitsausgaben durch langfristige Prävention zu vermeiden wären.

(Vizepräsidentin Rose-Felicitas Pauly übernimmt den Vorsitz.)

80 Prozent unserer heutigen Ausgaben im Gesundheitswesen werden für die Heilung unserer großen Volkskrankheiten ausgegeben, zum Beispiel für Herz- und Kreislauferkrankungen oder Bluthochdruck. Gerade diese Erkrankungen gehören zu den so genannten Wohlstandserkrankungen, die durch rechtzeitige Aufklärung über eine gesunde Lebenshaltung vermieden werden könnten.

Zwar hat der Rat davor gewarnt, die Prävention als Instrument der Kostendämpfung zu sehen, und dafür plädiert, Prävention vor allem im Dienste einer effektiveren Gesundheitsversorgung zu sehen. Gleichwohl stellt sich auch unter ökonomischen Gesichtspunkten die Frage nach der besten Nutzung der vorhandenen Ressourcen.

Die jetzige Gesundheitsministerin, Frau Schmidt, hat den hohen Stellenwert der Prävention erkannt. Daher wird sie sich bei der Gesundheitsreform für ein Präventionsgesetz und ein Forum für Prävention und Gesundheitsförderung einsetzen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Schon bei der kleineren Gesundheitsreform im Jahr 2000 hatte sie beschließen lassen, dass die Selbsthilfegruppen ab dem Jahr 2000 jährlich mit 35 Millionen Euro unterstützt werden sollten. Dabei liegen weitere Ansatzebenen der Krankheitsverhütung in Bereichen, die man nicht üblicherweise zum Gesundheitsbereich rechnen würde.

Soziale Ungleichheiten haben einen wesentlichen Einfluss auf den Gesundheits- beziehungsweise Krankheitszustand der Menschen. Gerade die soziale Lage ist entscheidend für den Gesundheitszustand jedes Einzelnen. Bei sozial benachteiligten Menschen sind gesundheitliche Probleme vielfach bereits bei der Geburt zu beobachten. Die Inanspruchnahme von präventiven Leistungen im Gesundheitswesen wird aber gerade von diesen Menschen häufig schlecht angenommen, weil sie entweder dieser Zielgruppe unbekannt sind oder ihre spezifischen Probleme nicht berühren.

Aus diesem Grunde hat die SPD-Fraktion den Antrag „Gesundheitsförderung für sozial Benachteiligte“ gestellt. Wir fordern den Senat auf, ein Aktionsprogramm zu erstellen, aus dem ein Konzept hervorgeht, in dem der Schwerpunkt die Gesundheitsförderung von sozial schwachen Menschen ist.

(Beifall bei der SPD)

Auch muss endlich die Einrichtung bezirklicher Gesundheitskonferenzen vorankommen, die diese Bürgerschaft schon im Jahre 2001 im Gesetz zum öffentlichen Gesundheitsdienst verabschiedet hatte.

Präventive Maßnahmen im Gesundheitsbereich sind immer langfristige Maßnahmen. Daher muss ein besonderer Wert auf die Gesundheitsförderung von Kindern im Kindergarten und Schule gelegt werden. Wenn Eltern vieler

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Kinder selbst nur sehr wenig über gesunde Ernährung und Bewegung wissen, wie sollen sie es dann ihren Kindern vermitteln? Aus diesem Grunde sind interdisziplinäre Gesundheitsprojekte in Kindergarten und Schule die beste Prävention. Hier zeigt die Große Anfrage, dass Hamburg in den letzten Jahren den richtigen Weg beschritten hat. Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche hat immer einen hohen Stellenwert gehabt. Das hat der SPDgeführte Senat durch seine finanzielle Unterstützung auch während der Konsolidierungszeit deutlich gemacht.

Mit Geld allein kommt man aber nicht an sein Ziel. Obwohl – wie aus der Großen Anfrage zu erkennen ist – die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung seit vielen Jahren sowohl in den Kindergärten als auch in den Schulen viele gesundheitsfördernde Projekte umsetzt, gibt es in Hamburg zum Beispiel immer noch viel zu viele Kinder mit Übergewicht.

(Ekkehard Rumpf FDP: Immer mehr!)

Hier zeigt sich, welchen Stellenwert die Werbung in unserer Gesellschaft hat, die nicht nur den Kindern, sondern auch den Eltern deutlich macht, wie gesund zum Beispiel die Milchschnitte ist. Das bedeutet, dass nicht nur das Projekt „Klassenfrühstück – Klasse Frühstück“ weiter angeboten werden muss, sondern dass unsere Kinder zu kritischen und selbstbewussten Menschen erzogen werden müssen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Meine Fraktion hat mit ihrer Großen Anfrage festgehalten, was der SPD-geführte Senat an Maßnahmen zur Gesundheitsförderung in Hamburg hinterlassen hat.

(Rolf Harlinghausen CDU: Nur Scherben!)

Uns ist das Thema so wichtig, dass wir sehr genau darauf achten werden, wo der jetzige Senat Kürzungen vornehmen wird, obwohl er immer wieder bestätigt, dass auch ihm die Gesundheitsförderung wichtig sei.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat jetzt Herr Drews.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Brinkmann, Sie haben zum Schluss den Punkt beim Namen genannt. Sie haben mit Ihrer Großen Anfrage festgehalten, was Sie hinterlassen haben. Das ist in der Tat richtig. Die Große Anfrage der SPD zum Thema „Medizinische Prävention bei Kindern und Jugendlichen“ enthält eine bemerkenswerte Textpassage, nämlich zu der Frage römisch drei, arabisch eins führt der Senat aus:

„Seit die schulärztlichen Untersuchungen der fünfjährigen Kinder, der vierten Klassen und der achten Klassen nach In-Kraft-Treten des Schulgesetzes im Jahr 1997 nicht mehr flächendeckend durchgeführt werden konnten, kann der Gesundheitszustand der Kinder und Jugendlichen in Hamburg nicht mehr angemessen beurteilt werden.“

Frau Brinkmann, das ist in der Tat richtig. Das, was Sie als rotgrüner Senat hinterlassen haben, ist traurig, meine Damen und Herren, ein Scherbenhaufen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Petra Brinkmann SPD: Sie haben es doch gar nicht verstanden! – Rolf Har- linghausen CDU: Ein Scherbenhaufen!)

Im Klartext bedeutet dieses nämlich, dass der SPDgeführte Vorgängersenat den schulärztlichen und schulzahnärztlichen Dienst von früheren Regelaufgaben entbunden hat und zu verantworten hat, dass in der Vergangenheit die personellen Ressourcen gekürzt und die Defizite in der Gesundheitsberichterstattung als Folge billigend in Kauf genommen worden sind.

Frau Brinkmann, das ist nämlich der Punkt. Sie haben die detaillierten Gesundheitsberichte abgeschafft und wollen sich jetzt, sechs Jahre danach, da Sie in der Opposition sind, aufschwingen und auf Ihre Fahnen schreiben, dass Ihnen die Prävention wichtig sei. Meine Damen und Herren von der SPD, das ist unredlich, aber wir haben es erkannt und von daher brauchen wir uns darüber nicht weiter aufzuregen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Christian Maaß GAL: Schlauberger!)

Das Wort Schlauberger, Herr Maaß, sollten Sie nun nicht gerade in den Mund nehmen.

Das Problem Übergewicht, Frau Brinkmann, ist genau der Punkt. Die Frage der Zahngesundheit als Beispiel ist ein anderer Bereich. Wir stehen heute vor der Situation, dass wir keine detaillierte Dokumentation über die entsprechenden Daten haben. Das ist zum Beispiel etwas, was nicht der Bürgersenat abgeschafft hat, sondern Sie.

(Petra Brinkmann SPD: Ach, das sind doch die letz- ten zwei Jahre, Herr Drews!)

Insofern wäre hier auch ein bisschen Selbstkritik angebracht.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Der neue Senat hingegen, meine Damen und Herren, wird im Rahmen der geplanten Novellierung des Schulgesetzes unter anderem mit der Neufassung von Paragraph 34 die Schuleingangsuntersuchung wieder flächendeckend einführen, womit Ihr Punkt 5 des Antrages, Drucksache 17/2280, nicht nur erledigt ist, sondern viel weiter ausgeführt wird. Wir denken, dass das auch der richtige Weg ist. Denn im Gegensatz zu den Regelungen von vor 1997 wird diese Schuleingangsuntersuchung nicht zur Entscheidungsfindung über die Einschulung dienen, sondern soll ganz bewusst als Instrument der frühzeitigen Gesundheitsvorsorge verstanden werden, denn das ist genau der Punkt. Die frühzeitige Gesundheitsvorsorge, die Erkenntnis, aber auch die Fürsorgepflicht des Staates sind ein wichtiger Bereich, in dem die entsprechenden Behörden miteinander verbunden und auch verknüpft arbeiten können. Das ist keine Frage allein der Schulbehörde oder der Gesundheitsbehörde, sondern es ist eine Frage und eine Aufgabe des gesamten Bürgersenates, was wir uns im Bereich der Prävention auch auf die Fahnen geschrieben haben.

Wie bereits jetzt praktiziert, können unnötige Doppeluntersuchungen der Kinder durch Vorlage der letzten altersgemäßen Vorsorgeuntersuchung vermieden werden. Im letzten Schuljahr – Frau Brinkmann, das wissen Sie – haben 83 Prozent der Schulanfänger die ärztliche Bescheinigung der U9 bereits bei der Anmeldung vorlegen können. Die Frage ist aber, wie wir die restlichen 17 Prozent und vor allem die bis zu 1,5 Prozent Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs, die so genannten Totalverweigerer, die trotz mehrmaliger Aufforderung keine Bescheini

(Petra Brinkmann SPD)

gung über Vorsorgeuntersuchungen vorlegen, wirksamer erreichen können.

Es ist also nicht damit getan – und das ist ein ganz wesentlicher Punkt –, ständig parlamentarische neue ShowAnträge von Ihnen abzufrühstücken, sondern es geht darum, dass Sie sich Gedanken darüber machen, und zwar auch in Ihrer eigenen Verantwortung, wie wir gemeinsam diese Schülerinnen und Schüler erreichen und auch an die Erziehungsverantwortung der Kinder in verstärktem Maße appellieren können. Denn eines ist klar: Weder Senator Rehaag noch Senator Lange, noch irgendein Senator kann letzten Endes den Eltern die Verantwortung für die Erziehung und Prävention der Erziehungsgesundheit ihrer Kinder abnehmen.

Mit der Vorverlegung dieser Schuleingangsuntersuchung auf einen Zeitpunkt eineinhalb Jahre vor dem Beginn der Schulpflicht ist gegenüber dem alten Verfahren ein wertvolles Jahr an Zeit gewonnen worden. Ein Jahr Zeit für die Weichenstellung einer guten Gesundheit der Kinder in unserer Stadt.

Von Herrn Dr. Petersen ist anlässlich der gestrigen Pressekonferenz die Zahl von 27 212 meldepflichtigen Schulunfällen genannt, um zu einem anderen Aspekt zu kommen, der in diesem Zusammenhang auch wichtig ist. Das ist eine Zahl, die zwar gestern von Ihnen in den Raum gestellt wurde und als recht hoch benannt wurde, doch so hoch sie bedauerlicherweise auch ist, wissen Sie, Herr Dr. Petersen, dank der intensiven Recherche, die Sie immer zu tun pflegen, dass dieses die übliche Schwankungsbreite der jährlichen Schulunfälle der letzten Jahre ist. Die Zahl liegt nämlich, wie man der Drucksache 16/1323 hätte entnehmen können, seit 1987 jährlich zwischen 23 300 und 28 400 Schulunfällen und ist direkt abhängig von der Anzahl der Schüler. Eine Zahl übrigens, Herr Dr. Petersen, die auch die CDU-Fraktion in ihrer Zeit, als sie in der Opposition war, natürlich nicht kritisiert hat, denn, ich glaube, in einem Punkt sollten wir uns einig sein, dass die Frage der Schulunfälle keine Frage einer politischen Sichtweise ist. Darum erwidere ich das nur auf Ihre Zahl, die Sie gestern in der Pressekonferenz genannt haben, weil das ganz generell eine Zahl ist, über die wir uns Gedanken machen müssen, wie wir die Zahl der Schulunfälle wirksam verhindern können. Insofern ist dieses mit Sicherheit etwas, was wir alle im Parlament als Ziel haben.

Aber es drängt sich trotzdem die Frage auf, was der Vorgängersenat getan hat, um die Unfallzahlen an Hamburgs Schulen zu verringern. Wir können – bezogen auf die Initiative – auf jeden Fall sagen – Frau Brinkmann, Sie haben gerade dazu gesprochen –, dass in den Rahmenplanentwürfen für die neuen Bildungspläne aller Schulformen verbindlich festgelegt wird, zum Beispiel mit dem Aufgabengebiet Gesundheitsförderung, dass es hier konkrete Ausrichtungen geben wird. Sie sehen, es ist nicht allein eine Frage der einen oder anderen Initiative, wo wir nachbessern können, sondern es bedarf einer breiten Regelung, aus unserer Sicht auch auf der Basis des Schulgesetzes.

Ein zweites Beispiel möchte ich nennen, und zwar das Thema Unfallverhütung und Maßnahmen bei Verletzungen in der Grundschule. Hier ist vorgesehen, in den Jahrgangsklassen 3 und 4 eine entsprechende Verankerung vorzunehmen und das Thema Sicherheitserziehung in den Klassenstufen 5 bis 8 und erneut in den Klassenstufen 9 bis 10.

Kommen wir zu dem vorletzten Bereich, zur Frage des Erste-Hilfe-Unterrichts. Generell wissen Sie auch, dass die

Lehrkräfte im Rahmen der Ausbildung in Erste-Hilfe-Unterricht geschult werden. Das hat sich nicht geändert, seitdem der Bürgersenat in Hamburg regiert. Sie wissen auch, dass die Hilfsorganisationen der Stadt – das Deutsche Rote Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, Johanniter, Malteser Hilfsdienst – hier für die Ausbildung entsprechend tätig sind.

Insofern ist Ihr Antrag in diesem Punkt obsolet, denn es ist gelebte Praxis, dass es, verehrte Frau Brinkmann, hier schon Regelungen mit der Landesunfallkasse gibt. Das ist also nichts, was man erst erfinden müsste. Das ist gelebte Praxis. Sie wissen auch, dass die Landesunfallkasse die Kosten der Ausbildung aufgrund des gesetzlichen Auftrages, SGB VII, trägt. Also auch dieses hat nichts mit einer politischen Initiative zu tun, sondern es ist gelebte Praxis in unserer Stadt.

Es geht aber auch darum, dass der einmalige Besuch einer derartigen Veranstaltung nicht dazu führt, dass man auf Dauer fit ist in erster Hilfe, sondern dass man dieses Thema immer wieder penetriert, um fit zu sein für den Fall, wenn es denn letzten Endes so weit ist. Wenn wir uns an den Führerscheinerwerb erinnern und seitdem keine Auffrischung gemacht haben und uns fragen, was wir denn heute oder morgen tun würden, dann ist das spätestens der richtige Zeitpunkt, um mal wieder einen Erste-HilfeKurs zu belegen. Aber für schulische Ersthelfer gilt, dass zum Beispiel für Sportlehrer, aber auch für das nichtpädagogische Personal regelmäßige Fortbildungen vorgeschrieben sind. Auch hier ist es überhaupt nicht erforderlich, daran etwas zu ändern, denn die Gesetzeslage ist eindeutig und hat sich seit dem Regierungswechsel nicht geändert.