Protokoll der Sitzung vom 09.04.2003

(Uwe Grund SPD: Es ist alles gestrichen!)

machen Sie diesen dringenden Wunsch der Länder auch dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister deutlich. Wir werden auf Dauer keinen europäischen Rechtsfrieden bekommen, wenn Rechtsverletzungen, Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips nicht auch juristisch angemahnt werden können. Das ist mit eine entscheidende Frage in der Europäischen Verfassung.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Also ist jetzt der richtige und dringende Zeitpunkt, auch wenn das im Moment sehr abstrakt ist, denn wenn die Verfassung diesen Ansprüchen nicht Genüge leistet und wir plötzlich vor der Frage stehen, dass von europäischen Institutionen Kompetenzen übernommen werden, die bisher in unserem Kernbereich lagen, dann wird großes Wehklagen einsetzen, warum wir es damals nicht verhindert und die Weichen richtig gestellt haben. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt für eine Weichenstellung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Thema? – Das ist nicht der Fall.

Dann rufe ich das zweite Thema auf, das von der SPD-Fraktion angemeldet worden ist:

Die Schülerdemonstration und ihr parlamentarisches Nachspiel

Frau Ernst hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 26. März demonstrierten in Hamburg 20 000 Schülerinnen und Schüler für den Frieden und gegen den Krieg im Irak. Die Hamburger Schülerinnen und Schüler haben sich mit ihrer Demonstration in die Reihe all

jener Jugendlicher eingereiht, die bereits in den Tagen zuvor weltweit auf die Straßen gegangen sind. Es zeigt, dass Jugendliche sich engagieren und weit entfernt von einer Null-Bock-Mentalität sind, die ihnen so oft vorgeworfen wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir jedenfalls freuen uns, dass in Hamburg Schülerinnen und Schüler so zahlreich für den Frieden und gegen diesen Krieg demonstrieren. Das ist kein Anlass zur Sorge, sondern ein wichtiger Beitrag für Frieden und Demokratie, auf den wir stolz sind.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der Schulsenator hat als Reaktion auf die Demonstrationen und ihre Folgen den Schulen einen Elf-Punkte-Katalog geschickt und sie auf ihre Pflichten hingewiesen.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Richtig so! und Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Hamburger Schülerinnen und Schüler hätten sich sicher gefreut, wenn der Schulsenator sich positiv zu ihrem Engagement geäußert hätte, anstatt sich seitenlang Gedanken darüber zu machen, wie er die Schulen stärker regulieren kann.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die große Mehrheit der Kultusminister in Deutschland hat ein Auge zugedrückt. In Mecklenburg-Vorpommern hat der Bildungsminister die Schülerinnen und Schüler zu einem Gedankenaustausch eingeladen, in Hamburg gab es so ein Signal leider nicht. Im letzten Jahr war der Schulsenator großzügig und hat schulfrei gegeben, damit alle die Fußballweltmeisterschaft sehen können. Ich glaube, das Engagement für Frieden und Demokratie wäre es wert gewesen, hier ein ähnliches Signal zu geben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die übergroße Mehrheit hat friedlich demonstriert, aber leider sind auch einige Demonstranten gewalttätig geworden. Dies hat die Polizei, aber auch die Veranstalter, überrascht.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Deswegen haben Sie den Innenausschuss angerufen!)

Die Polizei hat eine schwierige Aufgabe. Sie muss das Demonstrationsrecht und die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechterhalten. Auch diese Demonstration hat gezeigt, wie schwierig das im Einzelfall sein kann. Es ist richtig, dass die Polizei gegen gewalttätige Demonstranten vorgeht, und sie hat hier auch unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Partei Rechts- staatlicher Offensive, der FDP und vereinzelt bei der GAL – Oh-Rufe bei der CDU, der Partei Rechts- staatlicher Offensive und der FDP)

Trotzdem hat diese Demonstration zu einer breiten Diskussion in Hamburg geführt. In vielen Familien wurde intensiv diskutiert, die Medien haben dies breit aufgegriffen. Es stellt sich die Frage, ob berücksichtigt wurde, dass viele Schülerinnen und Schüler bei ihrer ersten Demonstration waren, ob berücksichtigt wurde, dass es sich um Minderjährige handelte.

Nicht sicher sind sich die Hamburgerinnen und Hamburger, ob hier wirklich besonnen agiert wurde. Es stellt sich die Frage, ob die Hamburger Polizei eine politische Füh

(Erster Bürgermeister Ole von Beust)

rung hat, die genug Raum dafür gibt, um in solchen Situationen gelassen zu reagieren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Denn auch das braucht eine Polizei: Politische Rückendeckung für solche Situationen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Die man von Ihnen nie bekommen hat!)

Besonnenheit und abgewogenes Handeln sind jedoch nicht Sache des Hamburger Innensenators.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ein Innensenator, der sogar im Deutschen Bundestag Hetzreden hält, ein Innensenator, der im letzten Jahr über den Einsatz von Nervengas...

(Glocke)

Bitte, mäßigen Sie sich.

... ein Innensenator, der im letzten Jahr sogar über den Einsatz von Nervengas fantasiert hat,

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das ist eine Verleumdung, Narkosegas!)

das gerade in Russland vielen hundert Menschen den Tod gekostet und weltweit Betroffenheit ausgelöst hat, so ein Innensenator steht nicht für Besonnenheit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Mein Kollege Neumann hat die vielen Fragen und Sorgen, die die Menschen in der Stadt haben, zum Anlass genommen, eine Sondersitzung zu beantragen. Dieses selbstverständliche demokratische Verfahren passte der SchillFraktion nicht. Die Plätze im Ausschuss wurden vorher von pöbelnden Parteigängern der Schill-Fraktion besetzt.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Oh-Rufe bei der Fraktion der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Der Büroleiter des Innensenators organisierte diese Truppen, um vom Innensenator die demokratische Öffentlichkeit fernzuhalten, und brüstete sich auch noch vor Journalisten mit diesem Verhalten.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das ist die Unwahrheit, Frau Ernst! – Weitere Zurufe von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der CDU – Glocke)

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen um etwas mehr Ruhe. Wir können hier noch nicht einmal die Rednerin verstehen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das ist Blödsinn, was sie sagt! – Michael Neu- mann SPD: Dafür gibt es Zeugen!)

Danke, Frau Präsidentin. – Während drinnen bestellte Claqueure agierten, standen draußen betroffene Eltern und konnten der Ausschussdebatte nicht folgen. Es hat eine organisierte Missachtung demokratischer Regeln gegeben. Dass die Schill-Fraktion so agiert, haben wir immer vorausgesagt, das kennzeichnet Rechtspopulisten überall auf der Welt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Frau Abgeordnete, auch unter Abziehung der kleinen Störung eben ist die Redezeit jetzt abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. Fakt ist, dass es in Hamburg der politischen Opposition bedarf, Proteste der Opposition notwendig sind, um die Einhaltung selbstverständlicher demokratischer Regeln sicherzustellen. Dies ist ein Tiefpunkt der politischen Kultur in Hamburg.

(Beifall bei der SPD und der GAL)