Protokoll der Sitzung vom 09.04.2003

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich habe eben schon einmal gesagt, dass immer wieder behauptet wird, es läge nur eine Anzeige vor; in der Tat sind es mittlerweile sechs.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Wo sind die, bei Ihnen?)

Aber davon abgesehen stellt sich doch die Frage, was dieses Verhalten bei Schülerinnen und Schülern, bei Kindern und Jugendlichen, die an so einer Demonstration teilnehmen, bewirkt. Da droht die Schulbehörde Disziplinarmaßnahmen gegen Lehrerinnen und Lehrer an, da gibt es einen Brief – die Kollegin Ernst hat schon darauf hingewiesen –, der das Schulgesetz zitiert und ausdrücklich sagt, welche Entschuldigungen auch immer die Eltern ausstellen, ob es ein wichtiger Grund war, wird von der Schule entschieden. Im Zweifel ist die Teilnahme an einer Demonstration – dieses war ein existentielles Thema und nicht irgendetwas, es war die Teilnahme an einer Demonstration für Frieden und gegen Krieg und das betrifft uns alle – dann eben nicht wichtig im Sinne der Schulbehörde.

(Carsten Lüdemann CDU: Warum denn nicht um 15 Uhr?)

Und wenn das so ist, dann fragen Sie doch einmal, warum so wenig Anzeigen vorliegen. Solche Versuche der Disziplinierungen von Lehrerinnen und Lehrern durch die Briefe des Schulsenators können nicht nur der Aufklärung – so wird es hier gesagt, das ist möglich –, sie können auch der Einschüchterung dienen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Was halten denn Eltern davon, wenn Kinder und Jugendliche so nach Hause kommen? In dem Moment, wo das Kind keinen gravierenden körperlichen, bleibenden Schaden hat, sagen Eltern doch, bevor du Nachteile in der Schule bekommst,

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Ich frage mein Kind, was hast du gemacht, wo kommst du her!)

stellen wir keine Anzeige.

(Glocke)

Frau Steffen, Sie müssen zum Schluss kommen, die fünf Minuten sind überschritten.

Ich komme zum Schluss. Wir alle sind in der Verantwortung, autoritäre Strukturen bei Kindern und Jugendlichen nicht zu unterstützen. Und insbesondere der Senat ist in der Verantwortung, das hat jetzt nichts mit Indoktrination zu tun,...

Sie müssen jetzt wirklich unmittelbar zum Schluss kommen.

... sondern die Frage der Demokratie, ob wir demokratische Rechte wahrnehmen...

(Glocke)

Frau Steffen, entschuldigen Sie bitte.

Ich melde mich noch einmal.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Meine Damen und Herren! Darf ich es noch einmal kurz erläutern. Wenn die Glocke klingelt, dann ist das ein Zeichen für Sie, kurz mit der Rede aufzuhören, damit ich Ihnen sagen kann, wie weit es mit der Redezeit steht.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir führen hier eine etwas unentschlossene Debatte darüber, welches Thema die SPD gemeint hat. Ich habe das Thema so verstanden, dass wir über die parlamentarische Nachbereitung der Vorwürfe in der Presse reden wollen. Diese parlamentarische Nachbereitung – daran hat im Grunde keiner der Vorredner einen Zweifel gelassen – hat zu einem klaren Ergebnis geführt: Die Vorwürfe gegen die Polizei sind im wahrsten Sinne des Wortes unbegründet.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

(Sabine Steffen GAL)

In der Sitzung des Innenausschusses hat die Innenbehörde durch den Polizeipräsidenten alle Fragen der Opposition in sachlicher Art und Weise beantwortet.

(Michael Neumann SPD: Wo war das denn sach- lich?)

Mir – und übrigens auch den Damen und Herren der SPD, das können Sie im Wortprotokoll in den Schlussbemerkungen nachlesen –

(Michael Neumann SPD: Wo nehmen Sie das Wort- protokoll her?)

ist deutlich geworden, dass die Einsatzleitung der Polizei angemessen und verhältnismäßig auf die Ausschreitungen an der Alsterglacis reagiert hat.

Es hatte damit angefangen, dass gegen die spontan nach der eigentlichen Schülerdemonstration von einer Einzelperson – nicht von der Schülerkammer – angemeldete Marschroute von der Polizei keine Schritte ergriffen wurden, weil zuvor alles friedlich geblieben war. Sie endete mit der Entscheidung, überwiegend mit Wasserwerfern gegen die verbliebenen Gewalttäter und diejenigen vorzugehen, die sich partout nicht entfernen wollten. Nachdem Polizeibeamte und vor allen Dingen auch andere Demonstrationsteilnehmer verletzt wurden, hat der Polizeipräsident den Ausschussmitgliedern jede Entscheidung der Polizei minutiös dargelegt und schlüssig begründen können. An dieser parlamentarischen Nachbereitung gibt es nun wirklich nichts auszusetzen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Michael Neumann SPD: Also, wirklich! Soll ich Ihnen aus dem Wort- protokoll vorlesen?)

Sie haben kritisiert, dass die Schulbehörde im Anschluss an diese Vorgänge einen Brief verfasst hat, in dem an die Einhaltung der Gesetze und Regeln erinnert wird.

(Jens Kerstan GAL: Sie kritisieren Ihren Fraktions- vorsitzenden!)

Das ist ja etwas völlig Neues! Es ist doch geradezu die Pflicht des Schulsenators, auf die gesetzlichen Vorgaben hinzuweisen, wie man sich als Schule in solchen Situationen zu verhalten hat. Ich kann daran überhaupt nichts Kritikwürdiges erkennen, denn es war richtig

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

und in seiner Klarheit jeder Schule verständlich.

Wenn Sie diesen Brief schon zitieren, dann tun Sie es doch bitte vollständig. In diesem Brief wurde sehr wohl angemerkt, dass es Situationen geben kann, in denen auch das Demonstrationsrecht höherwertig einzustufen ist als die Pflicht zu einem Schulbesuch. Das gilt nämlich dann, wenn es zeitlich keine andere Möglichkeit gibt, das Demonstrationsrecht wirksam wahrzunehmen. Das stand in diesem Brief auch, war aber hier nicht der Fall.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Burkhardt Müller- Sönksen FDP: Das ist der Unterschied zu den SPD- Senatoren!)

Es wird durch Randbemerkungen immer wieder infrage gestellt, ob die Polizei besonnen reagiert hat. Ich möchte einmal an das erinnern, was ich auch schon als Resümee im Ausschuss gesagt habe: Sollen doch diejenigen, die meinen, dass man hier anders hätte reagieren können, der

Polizei Vorschläge machen, wie man hätte anders reagieren können und

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

wie viele verletzte Demonstranten und Polizeibeamte in ein Besonnenheitskonzept gehören, ehe man eine Demonstration auflöst.

Dies alles – wie der Punkt der Nachbereitung – zeigt uns, dass die Kontrolle der Verwaltung ins Parlament und in die parlamentarischen Gremien – wie zum Beispiel in den Innenausschuss –

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

und nicht in eine Polizeikommission gehört, die als Misstrauensinstrument Monate später einen Bericht darüber verfasst.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Niemandem wäre damit gedient gewesen, in geraumer Zeit das zu lesen, was sich schon in wenigen Tagen – das hoffe ich – aus dem Protokoll des Innenausschusses ergeben wird, dass nämlich von den Vorwürfen gegen Polizeibeamte – bis auf eine konkrete Strafanzeige, die in der Sitzung gestellt wurde; ich weiß nicht, wie viele es jetzt sind –

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Sechs!)

nichts dran ist. Dieser konkreten Strafanzeige wird selbstverständlich nachgegangen. Dann werden wir schon wissen, ob Polizeibeamte etwas falsch gemacht haben oder nicht. Der Polizei und auch uns Abgeordneten wäre nicht damit gedient gewesen, dieses in einer Polizeikommission aufzuarbeiten, denn es gibt diese Klarheit schon viel früher, und zwar heute.

(Michael Neumann SPD: Jetzt zu Schill und wel- chen Peinlichkeiten er sich aussetzt!)

Es ist ganz wichtig, noch einmal zu betonen, dass die Demonstration der 20 000 Schüler friedlich geblieben ist. Die Vorfälle geschahen in einer Anschlussdemonstration. Aus den Regierungsfraktionen wird niemand das Anliegen der Schüler missachten, in einer solchen Situation an irgendeiner Stelle zu demonstrieren. Das ist gut gelaufen.

Aber wenn im Anschluss einer Demonstration alles aus dem Ruder läuft, haben auch Schüler die notwendige Einsichtsfähigkeit und Verantwortung, diese als Veranstalter abzubrechen.