Die SPD-Fraktion hat diese Unterstützung sehr begrüßt. Wir danken den Initiatorinnen und Initiatoren, den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihr Engagement, das dieses Kinderhospiz möglich gemacht hat, und wünschen dem Kinderhospiz einen erfolgreichen Start zum 1. Juni 2003.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie können mich heute trotz meiner angeschlagenen Stimme einigermaßen verstehen. Heinrich Heine, der 1848 seine Matratzengruft als todkranker Mann bestieg, nicht sterben konnte und diese Matratzengruft 1856 nach acht schweren, leidvollen Jahren endlich verlassen konnte, hat einmal über das Sterben einen, wie ich finde, sehr wichtigen Satz gesagt. Er sagte:
Ich glaube, dass er mit diesen Worten vielen Menschen aus der Seele gesprochen hat, denn ein qualvolles Sterben mit einem unermesslichen Leid erzeugt tiefgreifende Ängste in den Menschen, die viel größer sind, als die existenziellen Ängste vor dem Sterbenmüssen.
Heute, 150 Jahre später, könnten vielen Ängsten und Befürchtungen der Boden entzogen werden, wenn mehr bekannt wäre, welche hervorragenden Hilfen es heute über die humane Sterbebegleitung gibt. Ich erinnere zum Beispiel an die weitreichenden Möglichkeiten der Intensivmedizin, Leben zu bewahren, der Palliativmedizin, die zwar das Leben nicht verlängert, aber den Patienten die Schmerzen nimmt, und an die Hospizidee und die menschliche Zuwendung, die die Sterbenden dort erfahren.
Zur Historie der Hospizbewegung will ich heute nicht viel sagen. Herr Barth-Völkel hat hierzu bereits einiges gesagt und Frau Brinkmann auch.
Die Eltern schwer erkrankter Kinder, die keine Heilung mehr erwarten können, sind oftmals ganz vielseitigen Belastungen ausgesetzt, einmal durch die Krankheit der Kinder selbst und andererseits natürlich auch durch die damit verbundene Hilflosigkeit und Abhängigkeit.
Liebe Frau Brinkmann, bei einer Zahl muss ich Sie einmal korrigieren. Ich sage dazu: Gott sei Dank, dass ich das kann. Sie haben gesagt, wenn ich das richtig verstanden habe, in Hamburg stürben jedes Jahr bis zu 5000 Jugendliche. Die Zahl bezieht sich auf Deutschland. Aber auch diese sind noch viel zu viele.
Die Eltern schwer erkrankter Kinder, die keine Heilung mehr erfahren können, sind einfach hilflos. Und das Schwerste für Eltern ist der Satz aus dem Mund eines Arztes: Wir können Ihrem Kind nicht mehr helfen. Die Hilflosigkeit, die auf Eltern zukommt, dieses Loch, dass sich da in diesem Moment auftut, kann man eigentlich nur nachempfinden, wenn man das selbst erlebt hat. Ich habe es erlebt. Ich habe eine Tochter im Alter von zwei Jahren verloren, aber ich hatte Gott sei Dank das Glück, dass es ein kurzes und kein langes Ende war.
Was wir hier im Kinderhospiz erleben, ist, dass das Sterben bei Kindern, anders als bei Erwachsenen – ich glaube, Frau Brinkmann hatte das auch gesagt – oft über Wochen, über Monate, ja über Jahre geht. Was mir am Konzept der "Sternenbrücke" so besonders gut gefällt, ist, dass es wirklich eine Betreuung vom ersten Kontakt, vom ersten Anruf, von der ersten Anfrage bis über den Tod
hinaus, zur Trauerbegleitung gibt. Es ist gelungen und finanzierbar. Das möchte ich gerne allen in diesem Hause auch noch einmal sagen, weil ich es ganz toll finde, engagierte und hervorragende Pflegekräfte zu gewinnen. 15 sollen es werden, elf hat man, aber ein großer Pharmakonzern hat sich bereiterklärt, auch eine halbe Stelle für einen Schmerztherapeuten zu finanzieren. Wir haben die Möglichkeit, psychosoziale Betreuung abzusichern, die ganz besonders wichtig ist, sowohl für die Eltern als auch für die Geschwister, und das auch wieder über den Tod hinaus, damit sie dann nicht in ein Loch fallen.
Ich möchte zum Schluss allen Beteiligten ganz herzlich dafür danken, dass dieses tolle Projekt, das einzige zurzeit in Norddeutschland, entstehen konnte, und wenn wir über unseren Tellerrand gucken, weiter nach Europa, dann hat mir bisher niemand die Frage beantworten können, warum Rumänien, Polen, Weißrussland und andere Länder viel weiter sind als wir. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt in der Aktuellen Stunde noch ungefähr drei Minuten für Frau Dr. Freudenberg. Ich habe aber gesehen, dass sich Herr Senator Rehaag zu Wort gemeldet hat. Danach hätten dann alle Fraktionen noch einmal fünf Minuten Redezeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Kinderhospiz "Sternenbrücke" ist das erste Kinderhospiz in Norddeutschland, das haben wir gerade schon gehört. Seit 1998 gibt es im nordrhein-westfälischen Olpe bereits eine derart spezialisierte Einrichtung und im kommenden Oktober wird in der Nähe von Bremen eine weitere Einrichtung im norddeutschen Raum eröffnen. Der Senat begrüßt diese Entwicklung außerordentlich, denn es gelingt hierdurch, fachlich qualifizierte Hilfestellungen für Kinder zu etablieren, die an unheilbaren und degenerativen Erkrankungen leiden, bei denen keine kurative Therapie mehr möglich ist.
Das Kinderhospiz “Sternenbrücke“ wird ein Ort sein, der dem Sterben Würde und der Trauer Raum und Zeit geben wird. Vom ersten Kontakt in der Krankheitsphase bis hin zum unmittelbaren Sterbeprozess wird hier etwas ermöglicht, was in der fachpolitischen Diskussion immer wieder aufgegriffen und gefordert wurde, in der Realität jedoch kaum umgesetzt werden konnte. Hamburg hat auf mein eigenes Betreiben in der letztjährigen Bundesgesundheitsministerkonferenz dieses Thema sehr umfassend aufgegriffen und einen einstimmigen Beschluss aller Bundesländer, also 16 : 0, herbeigeführt, der unter anderem der Umsetzung derartiger zielgruppenspezifischer Hospize entsprechend den Vorrang gibt. Mit dem Konzept von "Sternenbrücke" tragen wir hier dieser politischen Intention Rechnung und gehen als Initiatoren des damaligen Beschlusses auch entsprechend konsequent voran.
Meine Damen und Herren, wir haben in Hamburg feststellen müssen, dass hier ein Bedarf für ein Kinderhospiz besteht, von dem aus schwerstkranke Kinder in der letzten Lebensphase begleitet werden und womit schließlich auch deren Eltern und Geschwister
qualifiziert erreicht werden können. An den Kosten für den Umbau des Gebäudes hat sich das Bundesministerium für Gesundheit, Frau Brinkmann erwähnte es, mit 1,6 Millionen Euro dankenswerterweise finanziell beteiligt. Allerdings, und dieses Problem muss man hier auch bei aller Betroffenheit ansprechen, können die Betriebskosten hingegen nur zum Teil über den Hospizpflegesatz der Krankenkassen und der Pflegeversicherung refinanziert werden. Es trifft zu, dass dies bei weitem nicht ausreicht, um die laufenden Kosten der Einrichtung zu decken. Auch die Betreuung und Unterbringung der Eltern und Geschwister wird durch die Kostenträger leider Gottes nicht finanziert. Daher ist das Kinderhospiz auch hier künftig auf Solidarität und die Spenden der Bevölkerung angewiesen.
Meine Damen und Herren, der Senat wird das Kinderhospizprojekt weiterhin sorgfältig begleiten und insbesondere bei den laufenden Bemühungen mit den Kostenträgern soviel Unterstützung wie möglich bieten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass hier eine Lösung mit den Kostenträgern herbeigeführt wird, denn auch die Kostenträger müssen einsehen, dass sie sich an einer solchen Einrichtung, die hier im Hause unstrittig ist, auch finanziell beteiligen müssen. – Ich bedanke mich.
(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU, der FDP und bei Dr. Monika Schaal SPD)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch die GAL-Fraktion freut sich über die Spendenbereitschaft, die das Projekt "Sternenbrücke" möglich gemacht hat. Aber, meine Damen und Herren, ich kann nicht in den doch etwas gefühlstaumeligen Lobgesang meiner Vorrednerinnen und Vorredner einstimmen, denn vieles an dem Projekt "Kinderhospiz" scheint mir fraglich und unklar.
Die Kernfrage lautet für mich: Gibt es in Hamburg eigentlich einen Bedarf für ein so großes stationäres Kinderhospiz mit immerhin zwölf Plätzen?
(Wolfgang Barth-Völkel Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Frau Freudenberg, das ist doch wohl etwas daneben!)
Es ist ganz unbestritten: Familien mit chronisch schwer kranken und behinderten Kindern brauchen mehr Hilfe. Es ist entsetzlich schwer, mit dem Wissen zu leben, dass das eigene Kind bald sterben wird und miterleben zu müssen, wie sich sein Zustand unaufhaltsam immer weiter verschlechtert. Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir diesen Familien und den Kindern besser helfen können. Ich denke nicht, dass das stationäre Hospiz die entscheidende Hilfe bringt. Wichtiger wäre aus unserer Sicht mehr ambulante Unterstützung, mehr Hilfe zu Hause, damit die Kinder im Kreis ihrer Familie gut versorgt sind und betreut werden. Es geht nicht nur um das würdevolle Sterben im Hospiz, sondern es geht um die ständige, jahrelange notwendige Unterstützung im Alltag und es geht auch um die Möglichkeit, zu Hause in Würde sterben zu können, denn das wollen viele. Für die oft völlig erschöpften Mütter wäre eine bessere Unterstützung im Alltag unserer Meinung nach wichtiger,
als die Möglichkeit der Aufnahme in ein Hospiz. So bleiben die Familien, und oft sind es ja ganz allein die Mütter, in ihrer Sorge um das todkranke Kind alleine gelassen.
Das Kinderhospiz "Sternenbrücke" bietet keine ambulanten Hilfen an, wenigstens vorerst nicht, obwohl sich die Fachleute einig sind, dass dies wichtiger wäre. Aber das klappt dann mit den Spenden nicht so, denn Spender wollen Gebäude sehen. Das ist das Problem.
Der zweite Punkt ist für mich die Zielgruppe. Das Kinderhospiz kann nur Kinder mit einer begrenzten Lebenserwartung aufnehmen. Wir wissen gar nicht, wie viele Kinder mit einer begrenzten Lebenserwartung es gibt. Wir haben in Hamburg einen sehr hohen Bedarf an intensiven Hilfen für Familien mit schwerstbehinderten Kindern, deren Lebenserwartung aber nicht so klar absehbar ist. Ich kenne zum Beispiel eine Mutter, die völlig erschöpft ist, die seit Jahren ihren dauernd künstlich beatmeten Sohn zu Hause pflegt und keine adäquate Hilfe bekommt, keine alternative Unterbringungsmöglichkeit findet, die ihr für ihren Sohn angemessen erscheint. Dieser junge Mann wird im Hospiz, auch mit seiner Mutter zusammen, nicht aufgenommen werden können, da er erstens inzwischen kein Kind mehr ist und zweitens seine Lebenserwartung, die sicher auch begrenzt ist, in ihrer Begrenztheit nicht so definiert ist.
Es gibt in Wiesbaden eine Einrichtung, die gerade eröffnet worden ist, die hier aber noch nicht erwähnt wurde. Die ist meiner Meinung nach besonders interessant, weil sie eine Kombination bietet. Sie ist eine Kombination aus Kinderhospiz und Erwachsenenhospiz und vor allen Dingen auch aus Familien entlastenden Hilfsangeboten für Familien mit behinderten Kindern, auch für solche, die eben nicht zu diesem begrenzten Kreis der Gruppe von Kindern gehört, die wissen, dass sie bald sterben müssen.
Ich möchte noch einen Satz zu der Geschichte des Kinderhospizes "Sternenbrücke" sagen: Ich denke, das müssen wir hier wissen und bedenken. Es ging ja sehr schnell mit diesem Projekt. Es ging sehr schnell damals, als in Rissen bekannt wurde, dass auf diesem großen, wunderbaren Grundstück von 40 000 Quadratmetern eine Flüchtlingsunterbringung geplant sei. Was war damals? Der Bürgerverein wollte keine Flüchtlinge in Rissen und plötzlich kam die Idee "Kinderhospiz" und dann ging alles ganz schnell.
(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Das ist bösartig! – Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Das ist wirklich bösartig. Sie sind eine böse Frau!)
Auch wenn Sie mich wieder einmal bösartig finden: Ich denke, dass die Spenden auch deshalb so schnell zusammenkamen. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Mir fällt es etwas schwer, zu diesem Thema zu sprechen. An der medizinischen Fakultät habe ich schwer kranke und todgeweihte Menschen kennen gelernt. Im
anatomischen Präparierkurs habe ich Leichen bis in die Details untersucht und auch viele meiner eigenen Patienten, zu denen ich ein sehr enges Verhältnis hatte, sind gestorben. Insofern habe ich eine gewisse Erfahrung mit dem Thema.
Und dennoch – wenn Kinder sterben, ist es etwas ganz anderes. Nicht nur, weil sie eigentlich noch ein langes Leben vor sich haben sollten und eigentlich wir Älteren zuerst mit dem Sterben dran wären. Es geht auch darum, dass gerade die sterben, denen unsere Fürsorge ganz besonders gilt und wir nichts dagegen machen können. Deshalb fällt es mir etwas schwer, zu diesem Thema zu sprechen.
Ich tue es dennoch, nicht nur, weil es meine Pflicht als Abgeordneter ist, sondern weil es schon etwas zu sagen gibt. Wenn unsere Fürsorge schon nicht mehr erreichen kann, dass das Kind überlebt, dann müssen wir wenigstens dafür sorgen, dass die Kinder nicht zu sehr leiden. Dazu ist aus meiner Sicht auch ein stationäres Kinderhospiz eine ganz wesentliche Hilfe. Dort können sich erfahrene Fachleute um die Kinder kümmern. Dort gibt es eine professionelle Ausstattung. Dennoch – insofern haben Sie Recht, Frau Dr. Freudenberg – werden die meisten Eltern ihre todgeweihten Kinder möglichst lange bei sich behalten wollen. Das ist auch gut so und wir sollten die Eltern-Kind-Beziehung auch in einer solchen Lage achten. Dennoch, Frau Dr. Freudenberg, es gibt Eltern, die wollen oder können diese Betreuung nicht leisten. Es gibt Zeiten, zu denen Eltern einfach für einige Zeit von dieser Aufgabe entlastet werden müssen, und es gibt Krankheitszustände, in denen professionelle Hilfe notwendig ist, ohne dass gleich eine Krankenhauseinweisung angemessen wäre. In all diesen Fällen reicht eben eine ambulante Betreuung nicht aus. Wir brauchen ein stationäres Kinderhospiz.
Wir sollten alle dankbar sein, dass das Kinderhospiz zustande gekommen ist. Ich danke den Spendern, den vielen ehrenamtlichen Helfern und auch der Bundesregierung für ihren Einsatz.
Mittlerweile, meine Damen und Herren, ist die Förderung einer stationären und auch ambulanten Versorgung durch Hospize beziehungsweise Hospizdienste in Paragraph 39a SGB V in den Absätzen 1 und 2 geregelt. Die Anhörung am 30. Januar 2003 hat zwar ergeben, dass hier noch Unzulänglichkeiten bestehen, aber offenbar gibt es auch in diesem Bereich des Gesundheitswesens viel Bürokratie und komplexe Rechtslagen.