dann möchte ich doch noch einmal darauf hinweisen, was Sie den Leuten antun, die Geringverdiener sind, die jeden Monat ihre Steuern zahlen und die keinen Cent Zuschuss
zu ihrem Ticket bekommen, die es selbst bezahlen müssen, damit sie zur Arbeit kommen können. Die werden schlechter gestellt als Sozialhilfeempfänger. Das ist großartig. Wenn man sich so hinstellt, sieht man gut aus.
(Ingo Egloff SPD: Da klatschen nicht einmal Ihre eigenen Leute, die haben das auch nicht ver- standen!)
Interessant ist noch, dass das Ticket auch im offenen Vollzug gewährt werden soll. Ist das wirklich Ihr Ernst?
Erhalt des Sozialtickets für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger. Das ist genau das, was wir mit der großen Gießkanne meinen. Erwerbstätige Sozialhilfeempfänger wäre etwas anderes,
da kann man eingreifen. Aber erwerbsfähig sind mehr oder weniger alle. Das Sozialticket ist eine Forderung, die wir mit gutem Gewissen ablehnen können und müssen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Rutter, von der Gruppe erwerbsfähiger Sozialhilfeempfänger wird mittlerweile sehr viel Eigeninitiative und Mobilität verlangt. Es sind Menschen, die sich nicht aussuchen können, ob sie durch die Gegend fahren, um irgendwie ihren Tag herumzukriegen – so haben Sie eben über die Grundsicherungsempfänger gesprochen –, sondern von denen wir verlangen, dass sie sich aktiv um Arbeit – auch um sehr gering bezahlte – bemühen.
Wir haben das neue Prinzip, dass wir mehr fordern, aber auch fördern. Wir sind der Meinung, dass wir die Menschen, von denen wir sehr viel mehr fordern – Eigeninitiative, aktive Suche –, von denen wir verlangen, dass sie versuchen, ihre Brötchen selbst zu verdienen, unterstützen und nicht bestrafen, indem ihr sehr enger finanzieller Spielraum immer weiter beschränkt wird. Wir haben einen Zusatzantrag vorgelegt, auch vor dem Hintergrund der Debatte heute in der Aktuellen Stunde. Ich möchte das erläutern.
Wir sind der Meinung, dass für die Gruppe der erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger das jetzige CC-Ticket beibehalten werden soll, aber nicht auf drei Zonen beschränkt, weil das für die meisten Menschen nicht reicht, sondern dass sie wie bisher das Großraum CCTicket erhalten. Wir sind darüber hinaus der Meinung, dass die Menschen, die im 1-Euro-Programm arbeiten, also eine sehr gering entlohnte Arbeit in Vollzeit annehmen, nicht ein Drittel ihres Verdienstes für ihre Fahrkarte abgeben sollen. Das ist demotivierend. Das bisschen Geld sollten sie behalten können.
Außerdem haben wir große Gerechtigkeitsprobleme, denn jemand, der bei der HAB in Vollzeit arbeitet, kann die CC-Karte nicht nutzen, weil er immer innerhalb der
Sperrzeiten unterwegs sein muss. Ihm wird von der HAB für 50 Euro eine ProfiCard angeboten. Das macht fast ein Drittel seines Monatsverdienstes aus. Hat er im Rahmen des 1-Euro-Programms eine Teilzeitstelle angetreten, kann er eventuell eine billige CC-Karte benutzen und einen viel größeren Anteil dieses geringen Verdienstes behalten. Das ist ungerecht. Darum sind wir der Meinung, der Senat sollte bei diesen Maßnahmen die Fahrtkosten übernehmen. Punkt und Schluss in diesem Punkt.
Wir haben Ihnen heute erklärt, dass wir akzeptieren, dass wir im Sozialbereich nicht mehr Geld ausgeben können. Das ist uns wirklich nicht leicht gefallen. Deshalb haben wir beschlossen zu akzeptieren, dass für die Grundsicherungsempfänger und -empfängerinnen die CC-Karte nicht weiter bezahlt wird. Das ist uns schwer gefallen. Wir begründen das mit den hohen Mobilitätsanforderungen, die wir an die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger stellen. Wir wollen, dass alle möglichst mobil sind. Bei der Grundsicherung stehen Menschen 15 Prozent über dem normalen Regelsatz zur Verfügung. Dafür erhalten sie keine Einzelleistungen, haben aber einen größeren Spielraum zu entscheiden, wofür sie ihr geringes Geld ausgeben wollen. Wegen der Haushaltsneutralität verstehen Sie bitte unseren Antrag so: Beibehaltung des Sozialtickets für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger, Übernahme der Fahrtkosten bei Menschen, die in gering bezahlten Beschäftigungsmaßnahmen sind. Damit es haushaltsneutral sein kann, akzeptieren wir für Empfänger der Grundsicherung die Aufgabe des Sozialtickets, das einmal ein grünes Kind war und an dem wir immer noch sehr hängen. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eines ist natürlich richtig, der Antrag ist schon überholt. Wenn das Sozialticket insgesamt abgeschafft wird, sollte es auch nicht für Grundsicherungsempfänger eingeführt werden.
Herr Kienscherf gibt Anlass zu einigen Bemerkungen. Sie haben ernsthaft gesagt, wir wollen allen Menschen Mobilität sichern. Daraus schließen Sie, dass Sozialhilfeempfänger und Grundsicherungsempfänger das Sozialticket brauchen. Das ist wieder ein typischer Fall. Was sagen Sie denn der "Karstadt"-Verkäuferin, die jeden Tag antreten muss und die kein Sozialticket bekommt, die von ihrem knappen Gehalt auch noch die höheren HHVPreise zahlen muss?
Wenn Sie Mobilität sichern wollen, dann sichern Sie erst einmal die Mobilität der Menschen, die jeden Tag antreten müssen, und nicht derjenigen, die Sozialhilfe kassieren.
Als die Meldung in der Presse kam, das Sozialticket würde zum Jahresende abgeschafft, kam ein bitterböser Beitrag in der Presse, jetzt würde es wieder mehr
Schwarzfahrer geben und wenn die verurteilt würden, könnten sie die Geldstrafe gar nicht bezahlen, also würden sie ins Gefängnis geschickt. Mit anderen Worten: Wir sollen also erpresst werden. Wir werden erpresst mit der Drohung von Straftaten, denn die Beförderungserschleichung ist eine Straftat. Das lassen wir nicht mit uns machen. Wir können gern über Sinn oder Unsinn des Sozialtickets reden, aber nicht auf der Basis einer Erpressung. Das ist mit uns nicht zu machen.
Was ist mit dem Sozialticket? Es ist ein Großraumticket für alle, völlig unabhängig vom individuellen Bedarf. Das ist Ihre Einstellung zum Sozialticket. Jeder normale Arbeitnehmer wird sich überlegen, ob er wirklich ein Großraumticket braucht, das er bezahlen muss. Er wird sich überlegen, welche Fahrkarte er nimmt, ob Einzelfahrschein, Wochenticket, CC, er wird für sich das Günstigste heraussuchen. Nur Empfänger von Sozialhilfe und jetzt auch die der Grundsicherung sollen ein Großraumticket bekommen. Das ist Sozialpolitik mit der Gießkanne. Die lehnen wir ab, meine Damen und Herren.
Wir lehnen weiterhin ab, dass die arbeitende Bevölkerung gegenüber Empfängern von Sozialhilfe und Grundsicherung benachteiligt wird. Das zu diesem Antrag und zur Problematik des Sozialtickets insgesamt.
Herr Kienscherf hat aber weiteren Anlass gegeben, einige Dinge richtig zu stellen, die aus der Mottenkiste, wohin er sie gepackt hatte, herausgeholt werden müssen.
Sie haben sich sehr intensiv zur Frage geäußert, ob das Grundsicherungsgesetz ein gutes Gesetz ist oder nicht. Ich muss Ihnen unabhängig von der Frage, Sozialticket ja oder nein, sagen, dass das Grundsicherungsgesetz ein schlechtes Gesetz ist. Der Ansatz ist gut. Wir wollen Menschen aus verschämter Armut herausholen. So weit, so gut. Aber was haben Sie gemacht? Sie haben großen bürokratischen Aufwand fabriziert. Erkundigen Sie sich einmal. Sie kennen doch durchaus eine Menge Leute in der Hamburger Verwaltung. Fragen Sie in den zuständigen Ämtern, wie viel Arbeit sie haben, und fragen Sie die Leute in den Kommunen außerhalb Hamburgs, wie viel bürokratische Arbeit sie damit bekommen haben.
Sie haben im Grundsicherungsgesetz unzureichende Rückgriffsmöglichkeiten eingeführt. Die Auskunftspflicht bei den Unterhaltspflichtigen, auf die im Prinzip Regress genommen werden kann, ist nach Ihrem Gesetzestext nur bei hinreichenden Anhaltspunkten möglich. Im Einzelfall sind die Unterhaltspflichtigen überhaupt nicht verpflichtet, Auskunft über ihr Vermögen und ihre Fähigkeiten zu geben. Das kann doch nicht ernsthaft in einem deutschen Gesetz stehen. Doch, kann es schon, in einem rotgrünen Gesetz ja, aber in keinem vernünftigen.
Im SPD-Antrag wird erwähnt, das Grundsicherungsgesetz sehe pauschal einen fünfzehnprozentigen Zuschlag auf den Sozialhilfesatz vor mit der Begründung, das sei der Ersatz für die diversen Pauschalen. Wir haben heute Mittag von Ihnen gehört, dass Sie in der
Debatte gesagt haben, wir sollten gezielter vorgehen. Das heißt doch, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die jeweilige Pauschale nötig ist. Da meckern Sie schon herum, wenn wir bei der Kleiderpauschale nachfragen. Jetzt machen Sie es noch viel schlimmer. Sie wollen alle Pauschalen schon einmal in Höhe eines fünfzehnprozentigen Aufschlags gewähren. Das ist Sozialpolitik mit der Gießkanne auf Kosten des Steuerzahlers und wiederum auf Kosten der Verkäuferin bei "Karstadt", die das alles mit ihren Steuern bezahlen muss. Das machen wir nicht mit.
Letzter Punkt zum Grundsicherungsgesetz. Das ist wieder einmal ein typischer Fall, der Bund verteilt Wohltaten – Herr Egloff, wir sind wieder bei der Wirtschaft angekommen, dem Thema, das Sie vielleicht beherrschen – auf Kosten der Länder. Man schätzt die Kosten des Grundsicherungsgesetzes auf 1 Milliarde Euro. Was trägt der Bund zum Gesetz bei? 409 Millionen Euro. Der Rest bleibt bei den Ländern und bei den Gemeinden hängen. Das Grundsicherungsgesetz ist ein Übel und es wäre ein großer Fehler, dies auch noch auf das Sozialticket auszudehnen, was seinerseits ein Übel ist. Moderne Sozialpolitik heißt: Helfen im Einzelfall, wenn jemand sich nicht alleine helfen kann, aber gezielt und nicht zulasten der einfachen Arbeitnehmer. Das ist moderne Sozialpolitik. Das können Sie aber nicht.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Werner Dobritz SPD: Warum müssen Sie Ihre Redezeit immer ausnutzen?)
Wer einer Überweisung der Drucksachen 17/2692 und 17/2761 an den Sozialausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Diese Überweisung ist mehrheitlich abgelehnt.
Ich lasse in der Sache abstimmen. Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 17/2761 beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mehrheitlich ohne Enthaltung abgelehnt.
Wer stimmt dem Antrag aus der Drucksache 17/2692 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.