Protokoll der Sitzung vom 03.09.2003

Ich frage Sie allen Ernstes: Wo war denn bei den Drogenvorwürfen gegen Herrn Schill Ihre Ehre, als sich hinterher die Beschuldigungen gegen Herrn Schill als falsch herausgestellt und Sie sich nicht einmal bei ihm entschuldigt haben?

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Dr. Andrea Hilgers SPD: Unterstellung!)

Das müssen Sie sich vorhalten lassen.

Herr Zuckerer, wenn Sie hier sagen, Schill und seine Schill-Partei wurden gebraucht, damit die CDU an der Macht bleibt, dann halte ich Ihnen Folgendes entgegen: Mögen Sie bitte endlich zur Kenntnis nehmen, dass 19,4 Prozent der Wähler in dieser Stadt eine bestimmte Politik wollten, auf dessen Gebiet Sie versagt haben.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Herr Zuckerer, wenn Sie es als Böses unterstellen, dass zwei Drittel der Partei- oder der Fraktionsmitglieder Schillianer seien, dann müssen wir Ihnen die Frage stellen, was Sie darunter verstehen.

(Barbara Duden SPD: Ja!)

Wenn Schillianer Leute sind, die Probleme klar ansprechen, die Kriminalität dort bekämpfen, wo man ihr begegnet, die pragmatische Lösungen umsetzen, dann gestehe ich an dieser Stelle offen, dass ich stolz bin, ein Schillianer zu sein.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Vereinzeltes Lachen bei der SPD und der GAL)

Ich wundere mich, Herr Zuckerer, wenn Sie sich hier als der große Moralapostel der Bürgerschaft hinstellen und die Frechheit besitzen, nach der moralischen Legitimation dieser Regierung zu fragen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Zu Recht!)

Was haben Sie 1993 bis 1997 und vor allem von 1997 bis 2001 gemacht, als Ihr damaliger Spitzenkandidat Henning Voscherau von Rotgrün die „Faxen dicke“ und das Handtuch geworfen hatte? Wo waren da Ihre Moralvorstellungen?

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Ingo Egloff SPD: 1993 bis 1997 haben Sie das auch mit uns versucht! Oder haben Sie das vergessen?)

Herr Zuckerer, jetzt setzen Sie dem Ganzen auch noch die Krone auf. Sie fordern Neuwahlen. Nehmen bitte auch Sie zur Kenntnis, dass laut Umfrageergebnis mehr als 50 Prozent der Hamburger Neuwahlen ablehnen. Sie

A C

B D

möchten sie gerne, die Hamburger wollen sie nicht. Daran müssen Sie sich gewöhnen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Was würde es für die Stadt bringen, wenn es jetzt Neuwahlen gäbe?

(Barbara Duden SPD: Sie wären weg!)

In welchem Zustand befindet sich denn die SPD? Sie hat kein Programm, sie hat keine Kandidaten, die Partei hat kein Charisma.

(Erhard Pumm SPD: Aber die Schill-Partei!)

Oder anders ausgedrückt, man kann es auch kurz zusammenfassen: Sie sind blass und unscheinbar.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Herr Zuckerer, ich höre „Bürgermeistermehrheit“. Herr von Beust hat es eben angesprochen: 70 Stimmen Mehrheit in der Regierungsverantwortung, 60 Stimmen für Ihren heutigen Generalsekretär und Landesvorsitzenden. Wo war denn da die Bürgermeistermehrheit? – Nun höre ich aber Schweigen bei der SPD. Das ist vollkommen klar, es war ja noch viel peinlicher.

Ich finde es schön, wenn Sie eingestehen, dass Sie im Bereich der Inneren Sicherheit Fehler gemacht haben. Nein, Sie haben sogar gesagt, Sie gestehen ein, dass Sie versagt haben. Einsicht ist bekanntlich der erste Weg zur Besserung.

Wenn Sie dann allerdings noch dazu übergehen, sich anzugewöhnen, Tatsachen und keine Halb- oder Unwahrheiten zu verbreiten – beispielsweise den genetischen Fingerabdruck für Schwarzfahrer –, dann würden die Bürger auch der SPD wieder glauben wollen. Im Moment sehe ich da sehr wenig Möglichkeiten.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Dann machen Sie doch Neuwahlen!)

Jetzt möchte ich noch einiges zu dem sagen, was Sie, Frau Goetsch, eben gesagt haben. Ich mache das ganz einfach,

(Walter Zuckerer SPD: Genau!)

damit wir das Parlament nicht mehr belästigen, als es unbedingt notwendig ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich mache eine Zusammenfassung.

Erstens: Das Niveau Ihrer Rede kann man gut mit einem Wort beschreiben: Dumpf.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Zweitens: Wenn Ihre Rede ein Aufsatz wäre – Sie sind ja Lehrerin – und eine Note bekommen sollte, dann würde unter dem Text stehen: Aufgabe verfehlt, Text total daneben, Note sechs, Vorschlag: zwei weitere Jahre üben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Erhard Pumm SPD: Thema verfehlt! – Unmutsäußerungen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich bitte Sie, zu einer vernünftigen Arbeitshaltung zurückzukommen. – Vielen Dank.

Das Wort hat Frau Koop.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Neumann und ich sind gestern Abend – wir haben zusammen auf einem Podium gesessen – von einem sehr netten Pfarrer zur Besonnenheit aufgerufen worden. Diese Besonnenheit kann man heute nicht feststellen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Herr Neumann hat ja noch nicht geredet!)

Natürlich haben sich alle Abgeordneten in den letzten zwei Jahren in neue Rollen einfinden müssen, zum Teil, weil sie völlig neu im Parlament waren – denen waren die alten Hasen hier heute ganz gewiss kein Vorbild –, und zum Teil, weil sie neue Regierungsverantwortung zu tragen haben. Zugegebenermaßen ist das nicht jedem leicht gefallen und mancher ließ es auch an Souveränität vermissen. Das ist richtig. Aber ganz traurig ist die Rolle der Opposition. Das, was sie hier abliefert, ob es innerhalb oder außerhalb des Parlament gewesen ist, lässt sich nur zusammenfassen nach dem Motto: Warum erst sachlich werden, wenn es auch persönlich geht?

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Wolfgang Franz SPD: Haben Sie die Rede des Zweiten Bürgermeisters gemeint?)

Sie schildern hier ein Horrorszenario und ignorieren systematisch jede Leistung, die der Senat vollbracht hat. Das ist natürlich Ihr Recht, das dürfen Sie auch gerne machen. Es gibt auch das Recht der freien Rede. Es findet keine Zensur statt, es ist sogar verfassungsmäßig verbrieft.

(Ingo Egloff SPD: Gott sei Dank!)

Aber ich weise Sie darauf hin, dass diese Verfassung auch dieser freien Rede Grenzen setzt.

Artikel 1. Herr Zuckerer – er ist gerade hinausgegangen – hat von Würde gesprochen. Die Würde des Menschen wird hier nicht gewährt oder erworben, verloren oder aberkannt. Die Würde ist immer. Jeder Einzelne, der sich hier im Raum oder draußen befindet, dem steht diese Würde zu. Dem Christenmenschen ist das klar, der sagt nämlich: Würde ist immer. Manch einer, der nicht in diesem Glauben ist, muss es letztlich anerkennen.

Nun haben wir in der Öffentlichkeit mit viel Geschmacklosigkeit und Schamlosigkeit zu leben, aber ich bin nicht bereit, in diesem Hause mit der Würdelosigkeit zu leben, die Sie hier an den Tag gelegt haben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Unsere Verfassung zeigt aber noch einen anderen Artikel, der uns dort eine Begrenzung der Redemöglichkeit gibt. Das ist Artikel 7, analog dazu Artikel 38 Grundgesetz, wonach jeder Abgeordnete frei von Weisungen und nur seinem Gewissen unterworfen ist.

(Thomas Böwer SPD: Du sollst deinen Bürger- meister nicht erpressen! – Ingo Egloff SPD: Das haben wir heute gesehen!)