Protokoll der Sitzung vom 24.09.2003

Herr Bürgermeister, mit diesem großen und dem schwachen kleinen Partner wollen Sie wirklich weiterregieren?

(Martin Woestmeyer FDP: Wir werden ja gleich sehen, wer schwach ist!)

Damit wollen Sie das verwirklichen, was Ihnen so vorschwebt? Ich brauche nicht über die Sache zu reden. Dazu kommen wir noch.

(Zurufe)

Nein, heute nicht. Wir haben ja noch Zeit.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Zwei Jahre ha- ben Sie noch Zeit!)

Herr Bürgermeister, Sie sollten sich sehr gut überlegen, ob Sie das wirklich wollen. Diese Vorstellung inspiriert mich nur zu der Frage: Sie scherzen wohl?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Machen Sie einen Schnitt, nehmen Sie unseren Antrag an. Neuwahlen sind der Weg, um hier wieder ordentliche, hanseatische Verhältnisse zu schaffen, und zwar ist es der einzige Weg. Wir haben vor Neuwahlen keine Angst. Das können Sie uns lange erzählen, es ist aber nicht der Fall. Sie sollten eher unser Selbstbewusstsein zum Wohle Hamburgs anerkennen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Rose-Felicitas Pauly FDP: Gucken Sie nach Bayern!)

Ich habe natürlich eine gewisse Vorstellung, wie die Abstimmung heute ausgeht.

(Oh-Rufe von der CDU, der Partei Rechtsstaat- licher Offensive und der FDP)

Im Gegensatz zu einigen von Ihnen bin ich keine Traumtänzerin.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Aber dann wird man in spätestens zwei Jahren nachlesen können, wie Sie – vor allen Dingen die CDU – am heutigen Tage versagt haben, versagt im Sinne der Interessen Hamburgs.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie werden mit ziemlich leeren Händen vor relativ vielen Torsi stehen, das garantiere ich Ihnen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Dann wird die milde Bürgermeistersonne, die jetzt noch einiges verklären mag, nicht mehr helfen. Das Einzige, was passiert ist, es ist Zeit vertan worden,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Ja, 44 Jahre!)

Zeit, die voller Gefahren und voller Konkurrenzen ist. Es ist ein Jammer.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Maaß.

Herr Präsident! Ich gebe dem Ersten Bürgermeister Recht, wenn er sagt, Herrn Schill fehle die charakterliche Eignung für die Ausübung des Amtes eines Hamburger Senators. Aber ich füge eines hinzu: Ronald Schill fehlt auch die charakterliche Eignung, die Geschicke dieser Stadt als Vorsitzender eines Koalitionspartners und als Abgeordneter mitzubestimmen.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD – Rolf Kruse CDU: Seien Sie nicht so überheblich!)

Solange es so ist, dass von den Launen eines Mannes, den der Erste Bürgermeister der politischen Erpressung bezichtigt hat, die Politik für 1,7 Millionen Hamburger bestimmt, fehlt dieser Koalition die moralische Legitimität, diese Stadt zu regieren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dieser Senat ist auch inhaltlich am Ende und weiß vor lauter Schwerpunkten gar nicht mehr so recht, wo er steht. Die Koalitionspartner stehen untereinander auch in einem großen Verdrängungswettbewerb, nicht so sehr die einzelne Partei gegen die andere – da habe ich mehr den Eindruck, dass die CDU ihre beiden kleinen Sorgenkinder als Mehrheitsbeschaffer recht gut päppelt –, aber er läuft auf einer anderen Ebene ab. Das konnten wir bereits in der Aktuellen Stunde sehen. Sie wetteifern, wer die Realität am besten verdrängt.

Ein Beispiel ist die Innere Sicherheit. Bei der Kriminalitätsstatistik regieren wish for thinking und falsche Zahlen vor der nüchternen Realität, dass die Sicherheitspolitik dieses Senats bisher erfolglos geblieben ist.

(Beifall bei der GAL)

Beim Beispiel Kita-Card sind tausende Eltern verunsichert und in ihren beruflichen Existenzen bedroht. Familien werden im Stich gelassen und der Bürgermeister und Herr Lange stellen sich hin und reden von einem großartigen Erfolg.

Das ist auch beim Beispiel Bildung nicht anders. Die Verunsicherung der Eltern, Schüler und Lehrer war noch nie so groß wie heute, denn Lange verkündet die heile Welt. Nun sagte Herr Reinert in der Aktuellen Stunde, man hätte ja Ruinen vorgefunden. Jetzt wird aber auferstanden aus Ruinen, der Steinbruch ist vorübergehend, der Vierjahresplan wird voll erfüllt werden, könnte man sagen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

In Wirklichkeit herrscht Chaos an den Hamburger Schulen. Aber der Realitätssinn dieses Senats hat wirklich Politbüro-Charakter.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es fehlt nur "Der Lange in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf". Wenn ich mir die Verlautbarungen anhöre, dann gewinne ich den Eindruck, als lebte dieser Senat in einer anderen Stadt als die Bürgerinnen und Bürger. Die Realität, wie sie hier so blumig beschrieben wird und wie toll sie angeblich in dieser Stadt sein soll, mag vielleicht in Vaduz, Liechtenstein, so sein oder wo auch immer die Senatsmitglieder ihren Nebentätigkeiten nachgehen,

(Beifall bei der GAL und der SPD)

aber in Hamburg ist diese Realität leider schlechter.

Der Senat hat auch personell abgewirtschaftet. Diese Stadt kann es sich nicht leisten, weiterhin einen Justizsenator zu beschäftigen, der in puncto Filz neue Maßstäbe setzt

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Dann können wir ja jetzt den Untersuchungsausschuss auflösen, wenn Sie schon alles vorher wissen!)

und der sich unter der schützenden Hand des Bürgermeisters anscheinend alles ungestraft herausnehmen darf.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Diese Stadt kann es sich nicht leisten, einen Bildungssenator zu beschäftigen, der in der Bildungspolitik wie ein Schulanfänger agiert.

Diese Stadt kann sich auch keine Kultursenatorin leisten, die es geschafft hat, Hamburg innerhalb eines Jahres von einer Kulturmetropole zum Gespött der überregionalen Feuilletons zu machen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Andrea Hilgers SPD: Die kennen die gar nicht!)

Diese Stadt kann sich auch keinen Umwelt- und Gesundheitssenator leisten, der sich mehr um Nebenämter als um die Lebensqualität der Hamburger kümmert. Herr Müller, die Besetzung des Umweltsenators haben Sie in Ihrer Büttenrede vergessen. Das spricht eigentlich Bände.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Michael Freytag CDU: So eine Unverschämtheit)

Diese Stadt kann sich auch keine Staatsräte leisten, die offenbar selbst in den eigenen Reihen als nicht besonders fähig gelten, und schon gar nicht, wenn einer von ihnen vermutlich – davon müssen wir ausgehen – vor allem deshalb zum Staatsrat berufen wurde, weil Herr Marseille, der Hauptsponsor der Schill-Partei, offenbar einen großen Fan bekommen hat.