Protokoll der Sitzung vom 24.09.2003

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat diese Koalition als den Bastard unter den deutschen Landesregierungen bezeichnet. Das ist hart. Es ist selbst nicht zur Freude einer Opposition, aber es gibt kein Argument gegen diese Einschätzung.

(Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren von der FDP, es ist kein Bürgersenat. Es ist ein Bastard und Sie sind dabei.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die zweite einfache Frage, die Sie der Stadt beantworten müssen, lautet: Warum wollen Sie diese Koalition weiterführen?

(Glocke)

Warum wollen Sie diese Koalition weiterführen?

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Weil sie gut ist!)

Warum wollen Sie diese Bastardkonstruktion weiterführen?

(Zurufe von der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Glocke)

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, sich der Redeweise dieses Hauses anzupassen.

Meine Damen und Herren! Es ist zu einfach, sich auf den Wählerauftrag zu berufen. Die Wähler wählen für vier Jahre. Das ist richtig.

(Ekkehard Rumpf FDP: Genau!)

Aber der Wählerauftrag war noch nie ein Blankoscheck und er ist schon gar keine Vollmacht für Parteien, die in Umfrageergebnissen schlechte Werte haben,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: München! – Bernd Reinert CDU: Bayern!)

für ihre Wiederwahl möglichst gut an den Sesseln zu kleben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Es ist auch richtig, dass Neuwahlen die Ausnahme sein sollten. Neuwahlen sind in der Regel dann notwendig,

(Karen Koop CDU: In Berlin! – Frank-Michael Bau- er Partei Rechtsstaatlicher Offensive: In Berlin, da haben Sie Recht! wenn eine Regierung keine Mehrheit hat. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als zusammenzuhalten. Aber wir reden hier nicht über die Regel, wir reden hier über die Ausnahme. (Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hier in Hamburg wurden alle Regeln der politischen Vernunft und des politischen Anstandes und der politischen Ehre verletzt. Wir haben einen Skandal, der nicht nur eine Regierungskrise ausgelöst hat, sondern einen der größ

ten Skandale, den es im politischen System der Bundesrepublik Deutschland jemals gegeben hat, und davon können Sie nicht ablenken.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der einzige anständige Weg aus dieser Krise sind Neuwahlen und sonst nichts.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren! Wie wir hören und auch lesen durften, wird sich die Schill-Partei in Zukunft RO nennen. Das kann man als interessanten Etikettenschwindel abtun, aber das ist nicht das Problem.

(Karen Koop CDU: Das ist Ihr Problem!)

Ist die Schill-Partei deswegen weniger Schill als vorher? Das ist das Problem. Hat sich die Schill-Partei eigentlich jemals von Schill distanziert? Hat sie sich jemals gegen irgendetwas gewandt, was er gesagt und getan hat? Wenn Schill sich außerhalb des demokratischen Sektors stellte, wo war dann eigentlich die Schill-Partei? Hat die Schill-Partei eigentlich länger als eine knappe Woche etwas Distanz zu Schill gehalten? Und was ist eigentlich jetzt? Schill ist nach wie vor der Landesvorsitzende der Schill-Partei. Schill ist nach wie vor Mitglied der SchillFraktion. Schill ist da und, meine Damen und Herren, Sie haben Schill nicht aus Ihrer Fraktion ausgeschlossen. Deshalb muss ich Ihnen sagen, dass es keine politische Reinigung und auch kein politisches Aufräumen gegeben hat. Es ist, wie es war.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Sie sind in der Opposition!)

Ich möchte hier sehr offen sagen, als Mensch verdient Schill eine zweite Chance, aber ich sage genauso, als Politiker darf ihm keine zweite Chance gegeben werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wer meint, sie ihm geben zu können oder zu müssen und dabei mitmacht, der behauptet eigentlich, dass dieser Skandal kein Skandal war und dass politische Erpressung eine Bagatelle ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Katrin Freund Partei Rechtsstaatlicher Offensive: So viel Schwachsinn auf einem Haufen!)

Ich sage dann in Richtung CDU und FDP: Und Sie wollen weitermachen wie bisher? Dann fragen Sie sich, was Sie damit tun.

(Rolf Harlinghausen CDU: Noch besser arbeiten!)

Es ist ziemlich schamlos und skrupellos, aber man kann ja nach diesem Skandal einfach nach der Devise regieren: Ist der Ruf erst ruiniert, regiert es sich ziemlich ungeniert, und das ist er ja.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Wolfgang Barth-Völkel Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie sind ein schlechter Verlierer!)

Man kann in dieser Stadt auch nach der Devise regieren, der Zweck heiligt alle Mittel, aber das war noch nie die hanseatische Tradition, aber das schert Sie ja nicht.

Meine Damen und Herren! Darf ich Sie fragen, wie denn Ihr Regierungsprogramm der nächsten Monate oder sogar der nächsten zwei Jahre aussehen wird.

(Rolf Harlinghausen CDU: Wunderbar!)

Was kann es denn eigentlich sein? Im Wesentlichen doch ein Mehrheitsbeschaffungsprogramm für die FDP und die Schill-Partei, das Sofortprogramm zum weiteren Machterhalt und zum Ausbau für die CDU. Das ist alles verständlich. Es ist ja auch die letzte Chance für diese Koalition. Aber es geht in Hamburg nicht um die letzte Chance dieser Koalition, es geht um die Zukunftschancen Hamburgs.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Elke Thomas CDU: Dann wollen wir mal abwarten!)

Herr von Beust, Sie haben die Richtlinienkompetenz als Erster Bürgermeister, aber Sie können derzeit und in Zukunft keine einzige geheime Abstimmung riskieren. Sie werden keinen einzigen Senator mehr auswechseln können. Sie haben immer noch eine parlamentarische Mehrheit in offenen Abstimmungen, aber Sie haben keine politische Legitimation.

(Beifall bei der SPD und der GAL)