Protokoll der Sitzung vom 29.10.2003

wie sich das für eine Familie gehört, wie wir es in unserer christlich-abendländischen Tradition erwarten.

(Glocke)

Herr Polle, Sie müssen zum Ende kommen, die fünf Minuten sind überschritten.

– Letzter Satz. – Sie würden damit ein Zeichen setzen und dem Image der Freien und Hansestadt Hamburg als liberale, weltoffene und humanitär gesinnte Stadt einen Nutzen erweisen. Erklären Sie sich.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der nächste Redner ist Herr Ploog. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Menschlichkeit statt Aktenlage

sagen Sie und behaupten, wir bräuchten eine neue Ausländerpolitik in Hamburg. Ich sage Ihnen – das wird Sie nicht wundern –, das brauchen wir natürlich nicht, sondern was wir in Hamburg benötigen, ist, wie überall im Bund, ein endlich geordnetes vernünftiges Ausländerrecht.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Ingo Egloff SPD: Wer hat denn das verhindert? – Dr. Andrea Hilgers SPD: Nur zu!)

Ich will im Einzelnen nicht weiter darauf eingehen – wir schätzen uns ja sehr, Herr Polle –, aber Abschiebekommandos gibt es hier nicht. Wir haben auch, als es den rotgrünen Senat gab, niemals behauptet, dass es Abschiebekommandos gebe. Das hört sich ganz, ganz schlimm an und würde einen menschenverachtenden Umgang mit den hier lebenden Ausländern bedeuten. Dieses weise ich auch im Namen der Koalition zurück.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Union gestaltet ihre Ausländerpolitik in Hamburg berechenbar. Alles staatliche Handeln, das des Senats, aber auch das des Parlaments, muss sich an den gesetzlichen Möglichkeiten ausrichten. Unsere Ausländerpolitik können Sie in Hamburg definieren mit Herz, Verstand und mit Augenmaß.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Michael Neumann SPD: Dazu brauchen Sie einen Herzschrittmacher!)

Berechenbar mit Herz, Verstand und Augenmaß, und das ist unsere Richtschnur.

Dass wir dieses neue Ausländerrecht noch nicht haben, liegt nicht an uns. Es liegt daran, dass Sie in Berlin keinen konsensualen Vorschlag gemacht haben und darauf beharren, dass die Extreme umgesetzt werden, und das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Dieses neue Ausländerrecht ist heute auch gar nicht unser Thema, sondern das Thema ist Ihre Auffassung, wir bräuchten eine neue Ausländerpolitik. Im Rahmen dessen, was möglich ist, handelt auch meine Fraktion und sie orientiert sich immer an den Möglichkeiten, die das Ausländerrecht uns lässt. Das wissen Sie auch und ich beziehe mich jetzt einmal auf den Fall der beiden ghanaischen Schwestern; die anderen von Ihnen genannten Fälle sind auch nur ein Teil dessen. Natürlich hängt mit jedem Ausländer, mit jeder Ausländerin, mit jeder Familie, mit allen Kindern immer ein menschliches Schicksal zusammen. Das wissen wir auch, da sind wir doch nicht ohne Empfindungen und da sind wir doch alle einer Meinung.

Die Schwestern sind – ich sage das einmal, um Ihnen das aufzuzeigen – unerlaubt eingereist, ohne Visum. Zuvor war ein Visumsverfahren negativ durchlaufen worden. Das gehört auch mit zur Wahrheit.

(Rolf Kruse CDU: So ist es!)

In diesem Fall verlangt das Gesetz die Ausreise und deshalb hat die Koalition auch auf "nicht abhilfefähig" erkannt. Hätten wir zulassen sollen, dass wir als Verfassungsorgan Bürgerschaft dem Verfassungsorgan Senat

vorschlagen, bitte, Senat, wir erwarten von dir ein rechtswidriges Handeln? Dieses können wir nicht machen. Insofern hat uns der Verstand geraten, auf "nicht abhilfefähig" zu erkennen. Aber – ich sagte Ihnen, wir machen es auch mit Herz – wir haben gesagt, und da bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung, dass Kinder zu den Eltern gehören und hier zur Mutter; das ist doch gar keine Frage. Dieser Senat ist doch nicht darauf aus, Kinder von den Eltern zu trennen.

(Petra Brinkmann SPD: Was machen Sie denn pausenlos? – Barbara Duden SPD: Was machen Sie?)

Ich will die Geschichte dieser Schwestern, die ich im Einzelnen nicht kenne, hier gar nicht diskutieren, weil ich mich nur vergaloppieren könnte. Aber es ist doch nicht so, dass alle zusammen zu uns gekommen sind und plötzlich der eine Teil ausreisen soll. Wir müssen uns also auch ein bisschen an den tatsächlichen Gegebenheiten orientieren.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Anders kommen wir doch zu keiner vernünftigen Lösung.

(Zurufe von der SPD und der GAL)

Wenn es für Sie ein bisschen Familie gibt, dann ist es in Ordnung. Für mich gibt es nicht nur ein bisschen Familie, sondern Familie ist Familie.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Karl-Heinz Ehlers CDU: So ist es!)

Deswegen haben wir weiter gesagt – dies können Sie in dem Bericht auch nachlesen –, dass maßgeblicher Wille der Abgeordneten aller Fraktionen ist, den beiden Mädchen ein Zusammenleben mit ihrer in Hamburg wohnenden und arbeitenden Mutter zu ermöglichen.

Jetzt komme ich zum dritten Punkt. Mit Augenmaß haben wir eine Lösung vorgeschlagen und hoffen, dass sich das umsetzen lässt. Ich bin überzeugt, dass der Senat, so weit es möglich ist, dem auch folgt: eine Vorabzustimmung Hamburgs zur Sicherung der Wiedereinreise und eine kurze Befristung der schnellen Rückkehr, beides im Rahmen des rechtlich Möglichen. Etwas anderes können wir auch gar nicht verlangen. Das ist alles ein wenig umständlich, das weiß ich, und nach unser aller Vorstellungen könnte so etwas auch sicher sehr viel eleganter vonstatten gehen, das wünschen auch wir uns. Aber dafür benötigen wir – da komme ich auf das zurück, was ich zu Anfang gesagt habe – keine neue Politik, sondern ein neues Recht.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Deswegen fordere ich Sie auf, Ihren Teil für ein einvernehmlich gestaltetes neues Ausländerrecht in Berlin beizutragen und dann bleibt mit dem neuen Recht unsere Ausländerpolitik für Hamburg berechenbar mit Herz, Verstand und Augenmaß. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat jetzt Herr Schenk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit 2001 hat Hamburg das, was es zuvor nicht hatte, nämlich eine konsequente, an Recht und Gesetz und den Interessen der Hamburger Bevölkerung orientierte Ausländerpolitik. Die Anzahl der Rückführungen vollziehbar Ausreisepflichtiger hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt und ich spreche von vollziehbar Ausreisepflichtigen. Die Ausländerbehörde nimmt diese Rückführungen nicht vor, weil es so viel Spaß macht, sondern weil sie mittlerweile wieder nach Recht und Gesetz handeln darf.

(Christian Maaß GAL: Ja, ja, das ist eine unver- schämte Unterstellung!)

Die Aufgabe der Ausländerbehörde ist eine wichtige Aufgabe. In einem Staatswesen ist es von zentraler Bedeutung, die Einhaltung der demokratisch und rechtsstaatlich zustande gekommenen Gesetze zu überwachen und zu vollstrecken. Dies gelingt der Ausländerbehörde auch, obwohl das deutsche Ausländergesetz löcherig ist wie ein Schweizer Käse und die Ausnahmetatbestände die Regel darstellen.

Meine Damen und Herren von der SPD! Sie versuchen, einen Widerspruch zwischen Menschlichkeit und rechtmäßigem Verwaltungshandeln zu konstruieren. Hamburg braucht keine neue Ausländerpolitik, vielmehr bräuchten Sie eine neue Einstellung zum Rechtsstaat.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Ich finde es grotesk, die Tätigkeiten der Hamburger Behörden, die ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen, als unmenschlich zu bezeichnen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das hat keiner ge- macht!)

Diese Äußerung fällt in unguter Weise auf ihren Urheber zurück. Es geht hier im Übrigen nicht um irgendeine abstrakte Aktenlage, es geht vielmehr um die konkrete Rechtslage. Gesetze sind für alle verbindlich und für alle gleich.

Natürlich gibt es im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens auch Härten für Einzelne, wer wollte das bestreiten. Wenn Sie aber die Beachtung der Gesetze als irrelevant oder nachrangig bezeichnen, dann rütteln Sie an den Pfeilern des Rechtsstaats und an den Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft. Das wirft ein bedenkliches Licht auf Sie.

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatli- cher Offensive – Christian Maaß GAL: Das ist un- verschämt!)

Seit Beginn dieser Wahlperiode fordern Sie die Ausländerbehörde permanent auf, gegen geltende Regelungen zu verstoßen. Von mir aus können Sie damit gerne weitermachen. Sie dürfen aber nicht erwarten, dass wir Ihr Verhalten unwidersprochen hinnehmen, und Sie dürfen schon gar nicht erwarten, dass wir Sie dabei auch noch unterstützen.

Was den konkreten aktuellen Fall der beiden Schwestern aus Ghana anbelangt, ist natürlich niemand daran interessiert, dass eine Familie auseinander gerissen wird, soweit dies vermieden werden kann. Sie wissen, dass die Beratungen des Eingabenausschusses nichtöffentlich sind. Der Vorgang ist jedoch mittlerweile detailliert, wenn

auch nicht immer ganz richtig, durch die Presse gegangen. Es ist bekannt, dass die deutsche Botschaft in Ghana die Visumsanträge der beiden Mädchen mehrfach abgelehnt hat. Das wird sie nicht ohne Grund getan haben. Deutsche Auslandsvertretungen unterstehen dem "grünen" Außenministerium. Mir ist nicht bekannt, dass die deutsche Botschaft in Ghana dem Senat unterstellt ist oder ihm sonst wie nahe steht. Wer sich an einem Visumsverfahren vorbeimogelt und ohne Visum nach Deutschland kommt oder sogar eingeschleust wird, muss zwangsläufig ausreisen; das ist zwingend vorgeschrieben.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und vereinzelt bei der CDU)