Protocol of the Session on October 29, 2003

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Wir brauchten keinen Eingabenausschuss, wenn wir immer nur nach Gesetz und Recht entscheiden wollten, ohne die Chancen des Ermessens zu berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Empfehlungen des Eingabenausschusses an den Senat alles Empfehlungen sind, die der Senat prüfen soll und denen er nachkommen kann, denen er aber nicht unbedingt nachzukommen braucht, was auch gelegentlich passiert. Aber wenn Sie sich aus politischen Gründen nicht dazu durchringen können, das stärkste Votum "zur Berücksichtigung" als politisches Votum auf den Weg zu bringen, um den Senat zu zwingen, nun auch wirklich nach Lösungen zu suchen und nicht danach, wie man solche vermeiden kann, dann ist das eine politische Haltung, die ich vollkommen unmöglich finde.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Ploog.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja ein bisschen abgeglitten.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Vielleicht bei Ihnen!)

Bei mir nicht. Dann haben Sie die Beiträge, die jüngst gefallen sind, vielleicht nicht so richtig verfolgt. Aber ich möchte – bei aller Wertschätzung Ihres Engagements, Frau Kiausch – mal eines sagen: Hier zu sagen, wir bräuchten den Eingabenausschuss nicht, ist ja ein bisschen sehr vermessen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Haben Sie zugehört?)

Herr Polle hat hier eines zutreffend geschildert: In der ganz großen Mehrzahl der Fälle machen wir das meistens einvernehmlich. Dann gibt es einige andere Dinge. Natürlich müssen wir auf die Anliegen auch politisch antworten. Genau dieses hat die Koalition getan. Die Koalition hätte eines machen können – das wäre ein großer Fehler und das ist von Herrn Schrader auch ausgeführt worden –, wir hätten sagen können: "Zur Berücksichtigung". Dann jubelt alle Welt, hurra, sie sind dafür. Sie erwarten doch nicht, dass wir von uns aus dann hinterher dem Senat sagen, er sei der Böse.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ach, so ist das!)

Das haben doch auch Sie in Ihren schlimmsten Tagen in den Auseinandersetzungen mit Ihrem Senat nicht gemacht.

(Petra Brinkmann SPD: Doch, das stimmt nicht! – Wolfgang Franz SPD: Irrtum!)

Was erwarten Sie eigentlich von mir?

Meine Damen und Herren, regen Sie sich nicht auf, das verblendet und verstellt den Blick.

(Jens Pramann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: In 44 Jahren kann das mal vorkommen!)

Zweiter Punkt: Wir haben in dieser Frage genau das gemacht, was uns möglich war. Das Votum ist Ihnen ja geläufig, Sie haben es ja auch zitiert. Insofern habe auch ich, Herr Kollege Scheurell, für mich ganz persönlich – und ich glaube, wir sind alle gleichermaßen stark engagiert – kein schlechtes Gewissen und stehe nach wie vor zu dieser Entscheidung.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Lühmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste in diesem Parlament. Ich habe seit einiger Zeit das etwas zweifelhafte Vergnügen, stellvertretendes Mitglied in diesem Eingabenausschuss zu sein.

(Elke Thomas CDU: Zweifelhaft?)

Das zweifelhafte Vergnügen, jawohl, und ich werde Ihnen das auch genau darlegen, was daran zweifelhaft ist.

Wer diese Debatte hier heute miterlebt hat und wer die schneidende Ignoranz einiger Beiträge in diesem Hause gehört hat,

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das fällt auf Sie zurück! Ein zweifelhafter Beitrag!)

der kann sich sicherlich vorstellen, was hinter den verschlossenen Türen des Eingabenausschusses teilweise an ignoranten und bösartigen Äußerungen fällt.

(Rolf Kruse CDU: Das ist eine Lüge!)

Deswegen ist das ein Ausschuss, dessen Arbeit mich psychisch oft mehr anstrengt als jede andere Veranstaltung, die ich in diesem Hause mache.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Und das wollten Sie hier mal gesagt haben! – Lachen bei Burkhardt Müller-Sönksen FDP)

Herr Müller-Sönksen, Ihr Lachen würde Ihnen vergehen, wenn Sie einmal zu Gast in diesem Ausschuss wären.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Leif Schrader FDP: Er ist Mitglied!)

Meine Damen und Herren! Wir haben heute mehrfach gehört, wie der Versuch unternommen wurde, die deutsche Botschaft in Accra in ihrem Verhalten als Kronzeugen für die Härte des grünen Außenministers heranzuziehen, der sich moralisch völlig abwegig verhielte. So wird es hier dargestellt. Auf der anderen Seite habe ich als Mitglied des Eingabenausschusses erlebt, wie dort der Bericht der Beauftragten für Menschenrechte des Deutschen Bundestages, Frau Claudia Roth,

(Rolf Kruse CDU: Zufällig grün!)

diffamiert wurde als ein Richtungsbeitrag einer Grünen, dem man keinen Glauben schenken dürfe. Das passiert dort hinter verschlossenen Türen. Auf die Art und Weise wird dort umgegangen. Wenn man dann über Einzelschicksale redet und erfährt, dass sich dort eine Reihe von Abgeordneten nicht die Mühe macht, die Einzelschicksale wirklich zur Kenntnis zu nehmen, dann haben Sie hier als Gäste dieses Hauses einen ungefähren Eindruck davon, was dort passiert. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema sehe ich nicht.

Dann rufe ich nunmehr das zweite Thema auf:

Das rotgrüne Maut-Chaos und die Folgen für Hamburg

Das Wort wird gewünscht. Der Abgeordnete Reinert hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe selten eine so überforderte Bundesregierung erlebt wie gerade bei diesem Thema.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Geplant war das Renommierprojekt des Jahrzehnts, herausgekommen ist der Flop des Jahrzehnts. Noch am

20. August erklärte die Bundesregierung – übrigens auf Anfrage der FDP –, die Lkw-Maut werde am 31. August 2003 eingeführt. Mittlerweile wissen wir, meine Damen und Herren, das mit dem 31. August war nichts. Es wurde dann gesagt, aber zum 2. November, da kommt sie und ab da wird kassiert. Wir wissen, ab 2. November ist auch nichts, im Dezember wird nichts, im Frühjahr ist hochgradig fraglich. Alle Experten sagen mittlerweile, der früheste realistische Termin wird der 1. Juli 2004 sein. Dieses bedeutet im Klartext, dass dem Bund bis dahin monatlich Einnahmen von 156 Millionen Euro entgehen werden. Diese 156 Millionen Euro monatlich bis zum Sommer nächsten Jahres, also 1,8 Milliarden Euro, sind bereits fest im Bundeshaushalt veranschlagt für Investitionen im Verkehrsbereich, zweckgebundenen, und das heißt, wenn es keine Einnahmen gibt, dann gibt es auch keine Investitionen. Darüber hinaus steht im Widerspruch zu den gemachten Zusagen in den Haushaltsplan-Entwürfen und in der Finanzplanung des Bundes, dass die allgemeinen Verkehrsinvestitionen in den nächsten Jahren abgesenkt werden sollen.

Hamburg ist von dieser Maßnahme und von diesem Maut-Chaos in zweifacher Weise betroffen. Zum einen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur, zum anderen im Bereich des Verkehrsgewerbes. Mit dem Geld aus den Maut-Einnahmen soll die A 7 in Hamburg und über die Landesgrenze hinaus – da sind wir indirekt betroffen – bis Bordesholm ausgebaut werden. Diese Maßnahme, die aus verkehrspolitischer Sicht sehr wünschenswert wäre, die sehr dringend ist, wird sich durch dieses Maut-Chaos verzögern. Man muss wirklich der Bundesregierung zum Vorwurf machen, dass sie sich hier blauäugig – das ist die positive Interpretation, man könnte auch sagen, blind – auf das Betreiberkonsortium verlassen hat, statt den Stand der Vorbereitungen penibel zu kontrollieren. Jetzt stolpert man von einer Peinlichkeit in die nächste.

Eine weitere Peinlichkeit bei diesem Thema, die insbesondere das Fuhrgewerbe betrifft, ist nun im Zusammenhang mit diesen so genannten On-Board-Units festzustellen. Nach einer Umfrage unter den Hamburger Fuhrunternehmen Mitte September waren von den 1200 benötigten Geräten noch nicht einmal 450 eingebaut. Von den 450 eingebauten funktionierten 18 Prozent. Das heißt, die anderen machten Folgendes: Sie legten entweder die gesamte Lkw-Elektronik lahm oder sie warfen unterschiedliche Kilometerangaben für gleiche Strecken aus, und, was auch passierte, wenn bei einer Autobahnbaustelle der Verkehr über die Gegenfahrbahn geführt wurde, dann rechnete die On-Board-Unit die Maut wieder rückwärts und ermäßigte damit die Kosten.