Protocol of the Session on December 12, 2001

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Sie haben gesagt, kein Verkehrskonzept.

Sie haben gesagt, eine halbe Million Menschen muss bei Olympischen Spielen täglich befördert werden. Absolut richtig, ich bezweifle die Zahl nicht. Wenn eine Stadtbahn, wie sie in Hamburg nach den alten Senatsvorstellungen vorgesehen ist, 208 Plätze hat – 80 Sitzplätze, die überwiegende Zahl sind Stehplätze, vier Menschen pro Quadratmeter, das wird richtig gemütlich –, sieht die Rechnung wie folgt aus: Zwei Wagen können hintereinander fahren und wenn die Bahn vielleicht alle fünf oder sogar alle zweieinhalb Minuten fährt, transportiert sie ungefähr 10 000 Menschen pro Stunde. Wenn 500 000 Menschen mit einer Stadtbahn transportiert werden sollen, braucht man mehr als einen Tag. Schon von daher wird dieses nicht funktionieren.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: In welcher Stadt sind Sie Lehrer?)

Herr Scheurell, Sie haben gesagt, die Stadtbahn ist ein leistungsfähiges Verkehrsmittel. Ich gebe Ihnen Recht für Städte bis zu 100 000 und 500 000 Einwohnern. Aber wir haben hier ein paar mehr.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wir haben leistungsfähigere Transportsysteme, wie zum Beispiel die U-Bahn, aber auch die S-Bahn.

(Barbara Duden SPD: Das ist dreimal so teuer!)

Da haben Sie uns aufgefordert, die Scheuklappen abzulegen. Das haben wir schon in der letzten Wahlperiode. Aber da hatten Sie Ihre noch drauf.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber gern.

Herr Reinert, kann ich davon ausgehen, dass das Olympische Dorf durch U- oder S-Bahn angebunden wird und dass Sie Ihren Bau- und Verkehrssenator schon angesprochen haben, zügigst eine entsprechende Planung aufzunehmen?

Lieber Herr Kollege! Wenn Sie mich den Gedankengang hätten zu Ende führen lassen, hätten Sie die Antwort jetzt schon gehabt. So zögert es sich etwas hinaus. Die Tatsache ist ganz einfach: Bei uns hat es keine Scheuklappen gegeben.

(Jürgen Schmidt SPD: Nie gegeben hat!)

Bei uns gibt es auch keine Denkverbote. Herr Franz, wir haben in Hamburg bereits ein Verkehrssystem, welches nicht die Kosten wie eine U-Bahn verursacht, beispielsweise die Hochbahn im Bereich des Hafens. Die U-BahnKosten sind deswegen so überaus hoch, weil sie dafür eine Tunnelbauweise benötigen. Nun wäre es absoluter Unsinn, eine U-Bahn in der HafenCity zu bauen. Aber wenn Sie eine Hochbahnlösung schaffen, könnten Sie die problemlos ins U-Bahn-Netz einbinden und haben damit kein völlig neues Betriebssystem. Die Kosten würden sich eher denen der Stadtbahn als der U-Bahn annähern. Darum lassen Sie uns einmal die Zeit, jetzt im Zusammenhang mit der Olympiabewerbung ein Verkehrskonzept zu ent

wickeln, das den Bedürfnissen dieser Stadt besser entspricht und mit denen unsere Olympiabewerbung überzeugender sein wird als mit der Stadtbahn, die die Verkehrsmassen überhaupt nicht bewältigen kann.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Herr Abgeordneter Dose, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Reinert hat auf den ehemaligen Abgeordneten Schmidt hingewiesen. Ich denke, das wäre ihm aber heute nicht gut bekommen. Herr Schmidt hat hier natürlich jederzeit eine sehr deutliche Meinung zur Stadtbahn geäußert, an die ich mich auch noch genau erinnere.

Ihre Argumente, Herr Kollege, sind nicht sehr einsichtig, wenn Sie von einer Sinnhaftigkeit der Stadtbahn für mittelgroße Städte sprechen. Wir kennen alle sehr große Städte wie München, Berlin, Amsterdam, die alle eine Stadtbahn, eine U-Bahn und eine S-Bahn haben. Alles zusammen macht einen gesunden Mix und einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Weil das historisch ge- wachsen ist!)

Dass die Straßenbahn in Hamburg nicht mehr existiert, bedauere ich ja auch. Das war ein Fehler, den wir uns hier anheften.

Trotzdem wäre es sicher besser, jetzt zu einer Stadtbahn zu kommen, als das, was jetzt im Gespräch ist – beispielsweise eine Schwebebahn –, um in die HafenCity zu kommen. Das sind viel teurere und seltsamere Vorschläge. Da bietet sich die Stadtbahn viel mehr an.

Es ist trotzdem das Recht einer neuen Regierung, Vorhaben und Pläne einer alten Regierung zu verwerfen und zu ändern. Das unbestritten. Aber die neue Regierung muss in diesem Fall auch ein überzeugendes Konzept haben, eine Alternative, eine Lösung, die finanziell realisierbar und zeitlich zügig umsetzbar ist. Das ist bisher nicht der Fall gewesen.

(Uwe Grund SPD: So ist es!)

Vor allem liegt das an den kleineren Koalitionspartnern, die immer noch den Glauben haben, jede Investition in den ÖPNV schade dem Autoverkehr und nur exzessiver Straßenbau garantiere zügigen Autoverkehr. Eine solche Argumentation kann nicht einmal mehr auf mittlerer Schiene des ADAC glaubhaft vermittelt werden. Insofern sollten wir uns darauf einigen, dass nur ein guter, überzeugender, attraktiver, schneller öffentlicher Nahverkehr einen funktionierenden und fließenden Wirtschaftsverkehr ermöglicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Über die Einführung der Stadtbahn in Hamburg ist sehr lange diskutiert worden. Ich muss den von der CDU im Sommer erhobenen Vorwurf, dass das alles viel zu lange gedauert habe, durchaus ernst nehmen, denn ich kann ihn nicht wirklich widerlegen. Allerdings war Anfang diesen Jahres die Reaktion auf die Vorlage der Pläne in der Öffentlichkeit eher positiv und wurde auch von der CDU nicht von vornherein abgelehnt.

Ich erinnere mich an Herrn Röder, der versprach, sich für eine Trasse über den östlichen Überseering einzusetzen. Herr Hesse hatte beklagt, dass Hamburg die Bundeszu

(Bernd Reinert CDU)

schüsse noch nicht gesichert habe, und die CDU in Wandsbek forderte die schnelle Realisierung. Zusammen ergibt dieses nicht unbedingt eine totale Ablehnung der Stadtbahn und das aus gutem Grund. Die Vorzüge sind bereits genannt worden, deshalb kann ich mich kurz fassen.

Ich möchte aber noch darauf hinweisen, dass die Stadtbahn auf jeden Fall eine höhere Fahrgastkapazität hat als die Busse und sie natürlich auch aus Umweltgründen – ich denke hier an die Abgase – zu bevorzugen ist. Auch können auf beiden Seiten Türen vorgesehen werden und deshalb besteht bei der Anlage von Haltestellen eine größere Variabilität.

Was die Zuwegung zur Hochbahn angeht, Herr Reinert, muss ich darauf hinweisen, dass es natürlich – auch wenn Sie die U-Bahn in der zweiten Ebene oben führen – Probleme mit den Bahnhöfen gibt, denn sie bedeuten immer Rolltreppen und behindertengerechte Fahrstühle. Das ist alles sehr viel schwieriger, als wenn – wie bei der Stadtbahn – der ebenerdige Einstieg vorgesehen wird. Stadtbahnen sind heute nämlich niederflurig und können von jedem Rollstuhlfahrer ohne weiteres befahren werden.

Die Anbindung an die HafenCity ist bereits genannt worden. Hier wäre eine Schwebebahn sehr abenteuerlich. Wir sollten uns tatsächlich darauf verständigen, dass wir diese Frage im Bau- und Verkehrsausschuss noch einmal beraten. Ich hoffe, dass Sie sich diesem Verfahren anschließen können, da die Argumente dafür sprechen. Ich bitte Sie, dieses in Ihrem Votum heute mit zu bedenken. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der Abgeordnete Winkler hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass die GAL so tief in die verkehrspolitische Mottenkiste greift, verwundert nicht.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Unmutsäußerungen bei der SPD)

Man merkt die versteckte Absicht und ist verstimmt. Dass aber auch die SPD ihre Finger da mit hineinsteckt, ist schon bedenklich. Was ist das bei Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD? Handeln Sie wider besseren Wissens oder aus kollektiver Amnesie?

(Heiterkeit und Beifall bei der Partei Rechtsstaat- licher Offensive und der CDU)

Sollte es das Letztere sein, können wir Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.

In den Sechziger- und Siebzigerjahren wurde eine komplette Verkehrsstruktur auf der Grundlage eines ÖPNVKonzeptes beseitigt, das in einem integrierten Verkehrssystem eine Arbeitsteilung zwischen Schnellbahnen für längere Entfernungen beziehungsweise Bussen für Zubringer- und Verteilerdienste vorsah. Man war überzeugt – gerade Sie von der SPD –, dass selbst eine moderne Straßenbahn wegen der systembedingten Abhängigkeit vom Straßenverkehr prinzipiell nicht die Grundforderungen eines attraktiven ÖPNV erfüllen könne. Ein zweites Schienenverkehrsmittel – so der damalige Wirtschaftssenator Kern – würde in Hamburg nicht gebraucht, es wäre schlicht unsinnig. Die Überlegenheit von Schnellbahn und Bus

drücke sich auch in einem eindeutigen betrieblichen und wirtschaftlichen Vorsprung vor der Straßenbahn aus. Das gilt natürlich auch heute noch.

(Krista Sager GAL: Das stimmt nicht mehr!)