Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Glocke)

Herr Rutter, warten Sie bitte eine kleine Sekunde. Herr Rutter hat sich gemeldet und eine ganze Weile kein anderer Abgeordneter. Deshalb habe ich ihm das Wort erteilt.

(Christian Maaß GAL: Ich hatte mich vor Herrn Wersich gemeldet!)

Das ist mir eben erst zugetragen worden. Entschuldigen Sie bitte, Sie sind sofort danach dran.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Neumann, ich wundere mich schon ein wenig, dass Sie ausgerechnet die Drogenkranken mit der Kriminalstatistik in Verbindung bringen. Wir sind uns eigentlich darüber einig, dass die Drogenkranken Kranke sind und dass die Dealer zu verfolgen sind.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Wenn wir bei den Drogenkranken sind,

(Dr. Mathias Petersen SPD: Thema!)

dann möchte ich darauf hinweisen, dass wir eine andere Vorstellung haben, wie man damit umgehen sollte. Die sollte man nämlich mit mehr Nachdruck zur Therapie bringen. Wir helfen einem Alkoholkranken auch nicht damit, dass wir ihm jeden Tag ein sauberes Glas hinstellen, und den Drogenkranken helfen wir auch nicht damit, dass wir ihnen frische Spritzen geben und ihnen unter ärztlicher Aufsicht genehmigen, ihre Portionen einzuziehen. Wir helfen ihnen damit, dass wir mit Nachdruck daran arbeiten, dass sie erstens von der Droge wegkommen, möglichst unter Druck, wenn es denn sein muss – wir wissen, dass 80 Prozent therapierbar sind –, und zweitens müssen wir sie nachher begleiten, damit sie nicht wieder zurückkommen. Das ist unsere Politik. Aber Sie sehen das offenbar anders.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Herr Maaß, Sie haben jetzt das Wort.

Danke schön, Frau Präsidentin. Lassen Sie mich eingangs etwas Erfreuliches feststellen. Deutschland ist nach allen Statistiken eines der sichersten Länder auf der Welt und Hamburg war 2001 eine der sichersten Städte der Welt und ist auch 2003 eine der sichersten Städte der Welt.

(Lachen bei der CDU und bei der Partei Rechts- staatlicher Offensive)

Es gibt überhaupt keinen Grund für hämisches Lachen, denn das ist etwas, auf das diese Republik und auf das dieses Land und diese Stadt stolz sein können.

(Beifall bei der GAL)

Im vergangenen Wahlkampf hörte sich das noch ganz anders an. Obwohl die Kriminalitätszahlen sich nun wirk

lich nicht viel anders verhalten haben als heute, hieß es, und Herr Bauer hat es auch heute noch mit vielen anderen zum Besten gegeben: Hamburg sei die Hauptstadt des Verbrechens.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Der Wähler hat Schuld!)

An diesem Wochenende war dann zu lesen, dass im Jahre 2003 die Kriminalität um knapp ein Prozent gestiegen ist, die Gewaltkriminalität um 3,7 Prozent, schwere und gefährliche Körperverletzung um 11 Prozent und Sexualdelikte um 23 Prozent. Trotzdem lautete die Schlagzeile im „Abendblatt“ und in der „Bild“: „Hamburgs Straßen sind in 2003 sicherer geworden“. Die Begründung ist nun wirklich erklärungsbedürftig, wie man zu diesem Schluss kommt. Die Begründung kommt deswegen auch etwas von hinten durch die Brust ins Auge.

Die Begründung lautet: Da die meisten Gewaltdelikte sich in den Wohnungen und in den Kneipen abgespielt haben, sei man auf der Straße jetzt weniger gefährdet und Hamburg sei daher sicherer.

Wenn sich ein SPD-Senator 2001 eine solche Interpretation geleistet hätte, er wäre zu Recht von der Presse in der Luft zerrissen worden.

(Beifall bei der GAL und bei der SPD)

Die Kriminalitätsstatistik für 2003 belegt, dass es im letzten Jahr eine Zunahme in der Kriminalität gibt – trotz mehr Polizisten, trotz eines starken Mittelzuwachses in der Innenbehörde, trotz eines Innensenators der SchillPartei, trotz mehr repressiver Verfolgungsmaßnahmen, trotz Rekordzahlen bei Abschiebungen, trotz Brechmitteleinsatz, trotz mehr Gefängnisplätzen, trotz mehr Verhängung von Freiheitsstrafen und trotz eines verschärften Verfassungsschutzgesetzes.

Das lässt eigentlich nur einen Schluss zu, dass dieser Senat versagt hat, denn Repression allein bringt eben nicht mehr Sicherheit. Das belegt diese Statistik mit Sicherheit.

(Beifall bei der GAL und bei Michael Neumann SPD)

Ich stelle sogar die Frage, ob Hamburg wirklich sicherer werden kann, wenn die Einstellung neuer Polizisten dadurch erkauft wird, dass in den letzten zwei Jahren 400 Lehrerstellen eingespart wurden und die Schulabbrecherquote weiterhin viel zu hoch ist. Macht es diese Stadt wirklich sicherer, wenn zwar mehr Polizisten in den Wachen ihren Dienst tun, aber gleichzeitig immer mehr Jugendliche ohne Zukunftsperspektive auf der Straße landen, weil unsere Bildungssysteme von diesem Senat kaputtgespart und überfällige Reformen nicht angepackt wurden? Ich glaube nicht, denn die beste Prävention von Kriminalität besteht darin, möglichst vielen Menschen eine Zukunftsperspektive zu geben, und hier versagt der Senat kläglich.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Meine These lässt sich auch durch die Beobachtung anderer Staaten untermauern, denn die Kriminalitätsstatistik ist traditionell in den Ländern am besten, wo es ein hohes Maß an Chancengleichheit, an breiter Bildung und an Solidarität in der Gesellschaft gibt und gleichzeitig, das ist die Beobachtung gerade in den nordischen Ländern, relativ liberale Strafgesetze. Umgekehrt hat das Land die

schlechteste Kriminalitätsstatistik aufzuweisen, wo es die meisten Gefängnisplätze und die meisten Polizisten pro Kopf gibt, aber ein hohes Maß an gesellschaftlicher Ungleichheit, gerade im Bildungsbereich, und das sind die USA.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensi- ve: Äpfel und Birnen vergleichen, oh Gott!)

Dort sitzen jedes Jahr 6,5 Millionen Menschen in Gefängnissen. Das sind immerhin drei Prozent der Bevölkerung. Wir Grüne ziehen daraus den Schluss, dass Sicherheit auch eine Frage von gesellschaftlichem Zusammenhalt und von Chancengleichheit ist. Dieses wollen wir in Hamburg voranbringen. Das sehr knappe Geld, das im städtischen Haushalt zu verteilen ist, wollen wir primär in die Köpfe unserer Kinder und Jugendlichen stecken und in diesem Bereich hat der Senat in den vergangenen zwei Jahren gespart. Das rächt sich heute, auch in Form schlechter Kriminalitätsstatistiken. Das einzig Gute ist, dass sie sich hoffentlich auch mit einem Knock-out für Herrn Nockemann rächen wird.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt habe ich Herrn Dr. Schäfer auf meiner Rednerliste und dann steht sie wieder weit offen für jedermann, der sich zu diesem Thema in der Aktuellen Stunde noch zu Wort melden möchte. Herr Dr. Schäfer, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In aller Kürze etwas zu den Nebelkerzen, die Herr Wersich vorhin geworfen hat.

Es gibt verlässliche Parameter dafür, dass sich an der Kriminalität im Zusammenhang mit Drogen in den letzten zwei Jahren nichts verändert hat.

Erstens: Es gibt neben der PKS auch noch die BADO, die Basisdatendokumentation, die sagt, dass die Anzahl Süchtiger geblieben ist und dass die Anzahl Süchtiger von harten Drogen tendenziell zunimmt.

Zweitens: Die Anzahl der allgemeinen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz hat um 9,3 Prozent zugenommen. Das war PKS.

Drittens: Die Anzahl der Dealer, die im Knast sitzen, sagt nichts darüber aus, wie viele jetzt in diesem Moment draußen stehen und weiterhin ihre Ware anbieten und auch verkaufen.

Viertens: Dass die Hilfsangebote für Süchtige zugenommen hätten, Herr Wersich, das war der übelste aller Witze, den Sie hier reißen konnten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Fünftens: Die Anzahl der Drogentoten pro Jahr geht seit 1995 Jahr für Jahr kontinuierlich zurück und nicht erst, seit Sie irgendetwas damit zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren, wird zu dem ersten Thema in der Aktuellen Stunde noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Dann rufe ich das zweite Thema der Aktuellen Stunde auf, von der GAL-Fraktion angemeldet: Proteste in Santa Fu – Senator Kusch als Sicherheitsrisiko. Frau Opitz, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Momentan gibt es in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, Haus 2 – kurz Santa Fu genannt –, wegen der Proteste gegen die dort herrschenden Zustände eine massive Beschneidung der Insassenrechte. Die Gefangenen haben nur noch eine Stunde Aufschluss am Tag und dürfen nur zehn Minuten am Tag telefonieren.

(Oh-Rufe von der CDU und der Partei Rechts- staatlicher Offensive)

Es ist völlig unklar, wann diese Beschneidungen enden werden. Wie ich auf meine Kleine Anfrage erfahren habe, handelt es sich dabei nicht um Straf-, sondern um Sicherheitsmaßnahmen. Ich bin erstaunt, dass Sie das schon so empört. Das ist eine Darstellung der Sachlage und noch keine Wertung; es wird noch viel schlimmer für Sie.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)