Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Es fing doch auch damit an, dass Herr Kusch deutlich gemacht hat, dass er seine Behörde und den Strafvollzug überhaupt nicht unter Kontrolle hat. Das fing an beim Umbau der JVA Billwerder. Ich bitte Sie – da wurde bei der Planung vergessen, dass man beim Umbau von einer offenen zu einer geschlossenen Anstalt auch Türen einbauen muss, die Sicherheitsschlösser haben. Da sind 12 Millionen Euro mal so eben aus dem Haushalt genommen worden. Herr Kusch hat überhaupt nichts unter Kontrolle hier.

(Beifall bei der GAL)

Es geht doch auch weiter mit der Senkung des Personalschlüssels, auch wenn Herr Kusch versucht hat, das hier abzustreiten. Wenn man einmal die Zahlen nimmt, die Herr Kusch hier gerade genannt hat, dann zeigt das doch, dass es zu der Zeit, als es den Aufstand gegeben hat, neun Vollzugsbedienstete weniger in Santa Fu gegeben hat und das nur, um das Flaggschiff Billwerder als

geschlossene Anstalt durchzuziehen. Dadurch wurde in Kauf genommen, dass ein geregelter Vollzug mit ernsthaften Angeboten zur Resozialisierung überhaupt nicht mehr angeboten werden konnte.

Oder nehmen wir die Beendigung des Spritzentausches in den Haftanstalten: Herr Kusch sagt doch selbst, dass ein drogenfreier Strafvollzug überhaupt nicht möglich sei. Aber wenn das so ist, dann ist es doch unverantwortlich, dass den Gefangenen zugemutet wird, hier Kugelschreiberminen als Drogenspritzen zu nutzen, und dass hier in Kauf genommen wird, dass sie sich mit HIV oder Hepatitis infizieren und daran schlussendlich auch sterben. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass in der Strafvollzugspolitik nichts unter Kontrolle ist.

(Beifall bei der GAL)

All dies sind Beispiele dafür, dass Hamburg von Senator Kusch schwerer Schaden zugefügt wurde. Die Aufstände in Santa Fu sind letztendlich das Ergebnis dieser Politik. Büßen müssen dafür die Bediensteten in den Strafvollzugsanstalten und auch die Gefangenen, die Weihnachten keinen Besuch ihrer Kinder und Frauen annehmen konnten, deren Kinder die Weihnachtsgeschenke nicht an ihre Väter übergeben konnten. Das ist Gnadenlosigkeit, wie wir sie nicht haben wollen.

(Beifall bei der GAL)

Ich komme zum Schluss: Herr Senator Kusch, Sie haben sich hier vor zwei Jahren auf ein Niveau begeben, das unsäglich ist, indem Sie die Oppositionsparteien als Totengräber des hamburgischen Strafvollzuges bezeichnet haben. Ich stelle fest, mit Ihrer Politik, wie wir sie nicht nur im PUA haben nachvollziehen können, sondern wie wir sie alltäglich hier nachvollziehen: Sie sind derjenige, der hier überhaupt nichts unter Kontrolle hat.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Bauer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Herr Maaß, da Sie mir während Ihres Redebeitrags eine Frage verweigert haben, stelle ich sie jetzt. Haben Sie eigentlich schon geschnallt – das gilt auch für die ganze GAL –, dass Justizvollzugsanstalten keine BeautyFarmen mit angeschlossenem Wellness-Bereich sind? Ich glaube, das haben Sie immer noch nicht geschnallt, es sind Justizvollzugsanstalten und keine Horte der Glückseligkeit, der Streicheleinheiten. – Danke schön.

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht; dann ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 3 auf, Drucksache 17/4001: Wahl einer Vizepräsidentin oder eines Vizepräsidenten.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer Vizepräsidentin oder eines Vizepräsidenten – Drucksache 17/4001 –]

Von der Ronald-Schill-Fraktion ist Herr Ronald Barnabas Schill vorgeschlagen worden. Mir ist mitgeteilt worden,

dass aus den Reihen der Ronald-Schill-Fraktion gemäß Paragraph 38 Absatz 5 unserer Geschäftsordnung für eine allgemeine Erklärung das Wort für maximal zwei Minuten gewünscht wird. Das Wort hat Herr Schill.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Vorschlag der Ronald-Schill-Fraktion, mich zum Vizepräsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft wählen zu lassen, soll offen gelegt werden, ob die Abgeordneten der Altparteien sich an ihre eigenen Gesetze halten. Mir ist dies vor allem wichtig, da gerade im letzten Jahr das Jugendparlament an diesem Ort tagte und es doch spannend ist zu sehen, ob die Erwachsenen der Altparteien der Jugend ein gutes Vorbild sind,

(Lachen bei Dr. Willfried Maier GAL)

denn wenn sich die Parlamentarier schon nicht an ihre eigene Geschäftsordnung halten, wonach für jede Fraktion ein Vizepräsident gewählt wird, warum soll sich dann die Jugend, warum soll sich dann überhaupt ein Bürger an Recht und Ordnung halten.

Und noch einiges zur Klarstellung: Es ist schon einiges Diffamierende zu lesen gewesen. Ich möchte klarstellen, dass, soweit mir als Vizepräsident trotz etwaiger Anrechnungsklauseln ein erhöhtes Einkommen zufließen sollte, ich hiermit gelobe, jeden zusätzlichen Cent an die Opferschutz…

(Glocke)

Herr Abgeordneter, eine derartige Erklärung ist nicht zulässig, allgemeine Ausführungen bitte, nicht bezogen auf Personen.

… gelobe ich hiermit, jeden zusätzlichen Cent der Opferschutzorganisation Weißer Ring zu spenden.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, wir scheinen uns hier nicht zu verstehen. Eine derartige persönliche Erklärung ist nach der Geschäftsordnung, an die Sie sich, wie alle anderen Abgeordneten, hier halten wollen, nicht zulässig.

Ich betrachte meine Wahl für gerechtfertigt, weil nicht nur meine eigene Fraktion, sondern auch eine weitere Fraktion...

(Glocke)

Herr Abgeordneter, ich rufe Sie zur Ordnung.

... zur Bürgerschaftswahl antreten will.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das ist ja wie in Berlin hier!)

Die SPD wird mich mit Sicherheit nicht wählen, das hat sie schon erklärt, da sie mich nach Madagaskar in die Verbannung schicken will.

A C

B D

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Weil Sie mich unterbrochen haben.

Herr Abgeordneter, Sie haben nicht mehr das Wort.

Das ist Ihre Art von Demokratie.

Herr Abgeordneter, ich rufe Sie erneut zur Ordnung und weise Sie darauf hin, dass Ihnen beim dritten Ordnungsruf das Wort entzogen wird.

Das Wort bekommt nunmehr der Abgeordnete Schira.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schill, man merkt, dass Sie ein Spieler sind, aber mit dem Amt des Vizepräsidenten spielt man nicht.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der FDP, der SPD und GAL)

Gemäß Paragraph 2 der Geschäftsordnung wählt die Bürgerschaft das Präsidium, wobei jede Fraktion entweder durch den Präsidenten oder einen Vizepräsidenten vertreten ist. Für uns ist es bereits zweifelhaft, ob die Ronald-Schill-Fraktion eine Fraktion im Sinne des Fraktionsgesetzes ist, da sie sich nicht zur dauerhaften Verfolgung politischer Ziele zusammengeschlossen hat.

Präsident und Vizepräsidenten werden von der Bürgerschaft gewählt. Die Geschäftsordnung der Bürgerschaft sieht grundsätzlich eine Beteiligung aller Fraktionen im Präsidium vor. Jedoch besteht, wie bei allen Wahlen, keine Verpflichtung der Abgeordneten, sich für einen bestimmten Kandidaten auszusprechen. Wenn ein vorgeschlagener Kandidat nicht das nötige Vertrauen der Bürgerschaft findet, kann sich dieser nicht auf die Geschäftsordnung berufen, da hier kein Rechtsanspruch eines einzelnen Kandidaten verbrieft ist, auch gewählt zu werden. Dies würde auf ein nicht existierendes Entsendungsrecht der Fraktion hinauslaufen. Im Übrigen ist zu erwähnen, dass sich die von der Geschäftsordnung vorgesehene Beteiligung aller Fraktionen selbstverständlich auf den Beginn, jedenfalls nicht auf das unmittelbare Ende einer Legislaturperiode bezieht. Und der Fall, dass ein Präsident ausschließlich zu wahlkampftaktischen Zwecken vorgeschlagen wird, ist hier nicht berücksichtigt. Die Geschäftsordnung sieht keinesfalls eine Beteiligung jeder weiteren Splittergruppe vor. Eine solche Auslegung wäre auch nicht Intention der Geschäftsordnung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kein Abgeordneter hat einen Anspruch darauf, gewählt zu werden. Wir empfinden es auch als sehr zweifelhaft, dass die Ronald-SchillFraktion in Anbetracht der zeitlichen Nähe zur Neuwahl überhaupt ein Vorschlagsrecht aus der Geschäftsordnung ableiten kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der FDP, der SPD und bei Sabine Stef- fen GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Stephan Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Abstimmung in unserer Fraktion ist freigegeben. Selbstverständlich ist die Wahl eines Vizepräsidenten ein demokratisches Recht. Andererseits ist es so, dass das Präsidium überparteilich zu sein und die Würde des Hauses zu vertreten hat. Dieses wurde schon auf der Senatsbank entsprechend beschädigt und es gibt die Befürchtung, dass dieses hier selbstverständlich auch passiert.

Im Übrigen werden – das müssen die Menschen auch wissen – die hiermit verbundenen doppelten Diäten eben nicht mit dem Übergangsgeld verrechnet und die Ankündigung, dieses spenden zu wollen, ist aus unserer Sicht ein plumper Versuch, hier noch einmal für vier Wochen einen Wahlkampfgag zu machen. Da sehen wir keine Notwendigkeit, aber unsere Fraktion wird dieses einzeln abstimmen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Hilgers.