Protokoll der Sitzung vom 25.02.2004

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben, insbesondere Herr Klooß, aber auch Herr Adolphi, schon auf wesentliche Dinge für diese Stiftung zur Hilfe für Opfer von Straftaten hingewiesen. Ich möchte noch einige Argumente hinzufügen, die absolut dafür sprechen, dass wir in Hamburg eine Stiftung einrichten, mit der wir auch private Spenden sammeln können, um den Opfern besser helfen zu können.

Die meisten Opfer sind Opfer häuslicher oder sexualisierter Gewalt. Der Bericht der Gewaltkommission der Bundesregierung von 1990 stellt erstmals offiziell fest, dass Gewalt in der Familie die in unserer Gesellschaft am häufigsten vorkommende und ausgeübte Gewalt ist. Ganz überwiegend werden Frauen Opfer von männlicher Gewalt. In 90 bis 95 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt sind Frauen die Opfer und Männer die Täter. Kinder sind nicht nur mitbetroffen von der Gewalt in den Familien. Das Beobachten von Gewalt gegen die Mutter führt bei einem Kind zu den gleichen Traumatisierungen, als wenn das Kind tatsächlich selbst schwer körperlich misshandelt oder missbraucht worden wäre. Die Folgekosten von Männergewalt werden in der Bundesrepublik auf etwa 14,8 Milliarden Euro jährlich beziffert. Hierin enthalten sind Kosten für Justiz, Polizei, ärztliche Behandlung und Ausfall an den Arbeitsplätzen.

Auch Opfer – und das haben meine Vorredner gleichermaßen erwähnt, aber ich möchte das nochmals betonen – haben einen Anspruch auf Resozialisierung in ihr Alltagsleben hinein. Dieser Anspruch ist gesamtgesellschaftlich erst in den letzten Jahren überhaupt anerkannt worden. In den vergangenen Jahren gab es auf Länder-, aber auch auf Bundesebene erhebliche Bemühungen, den besonderen Bedürfnissen von Opfern von Straftaten gerecht zu werden.

In Hamburg werden zum Opferschutz seit zwei Jahren nur Sonntagsreden gehalten, Frau Spethmann.

(Beifall bei der SPD)

In 2003 ist die Zahl der Vergewaltigungen und der besonders schweren sexuellen Nötigung um mehr als 23 Prozent katastrophal angestiegen. Gleichzeitig sind die Ausgaben für den Opferschutz, Frau Spethmann, der aus den genannten Gründen vor allem Frauen zugute kommt, von Ihnen beträchtlich und ganz erheblich zusammengestrichen worden. So erhalten die Frauenhäuser im Jahre 2004 17 Prozent weniger Geld als 2001. Und das bei erheblich gestiegenen Fallzahlen und gestiegenen Betriebskosten. Das ist Ihr Verständnis von Opferschutz.

Alle Beratungseinrichtungen für Opfer und therapeutische Angebote sind trotz ebenfalls stetig steigender Fallzahlen finanziell massiv gekürzt worden. Vielleicht, weil die Opfer

so gut wie immer nur Frauen und Kinder sind oder, weil dieses Faktum nicht in das Bild der von Ihnen propagierten heilen Familie passt.

(Michael Neumann SPD: Nestwärme!)

Ihre Realitätsverweigerung entspricht auch dem Motto von Frau Schnieber-Jastram, wonach es in dieser Stadt kein Problem ist, eine Frau zu sein. Wir Frauen sind Ihre Lippenbekenntnisse zum Opferschutz endgültig leid, Frau Spethmann.

(Beifall bei der SPD – Michael Neumann SPD: Wir Männer auch!)

Ihre Kürzungen in diesem Bereich strafen Ihre Sonntagsreden Lügen. Die Verwendung der Gewinne aus der Abschöpfung von Straftaten als Einnahme für den Gesamthaushalt unserer Stadt ohne Berücksichtigung der Opfer ist ein Skandal und einfach nur zynisch. Da gebe ich Herrn Adolphi Recht.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen eine Hamburger Stiftung „Hilfe für Opfer von Straftaten“, Frau Dr. Lappe, damit mehr Geld, auch von privaten Spendern, in dieser Stiftung gesammelt werden kann. Aber der Grundstock und die Anschubfinanzierung für eine solche Stiftung sollen selbstverständlich aus den Einnahmen der Gewinnabschöpfung aus den Straftaten erfolgen. Das ist doch nicht verkehrt. Aber jetzt haben Sie, meine Damen und Herren von CDU, doch endlich die Gelegenheit, ernst zu machen mit Ihren Lippenbekenntnissen zum Opferschutz. Lassen Sie den Opfern von Straftaten wenigstens einen Teil des Geldes zugute kommen, das über die Gewinnabschöpfung durch die Justiz abgegriffen wird. Folgen wir dem positiven Beispiel aus Baden-Württemberg und Niedersachsen – Sie schauen ja sonst auch immer gern nach Süden – und stimmen Sie diesem Antrag auf Gründung einer Stiftung zur Hilfe für Opfer von Straftaten zu. – Danke.

(Beifall bei der SPD und bei Bodo Theodor Adolphi Ronald-Schill-Fraktion)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, lasse ich jetzt abstimmen. Vorher bitte ich noch die Abgeordneten, an ihre Plätze zurückzukehren, damit wir einen besseren Überblick von hier oben haben, wie sich die Mehrheiten gestalten. – Darf ich Sie also bitten, auf Ihre Plätze zurückzukehren.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer der Ausschussempfehlung zustimmt, der möge bitte die Hand heben und ein wenig oben lassen, damit wir durchzählen können. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Vielen Dank. – Einen Augenblick bitte noch, wir haben unterschiedliche Ergebnisse.

Meine Damen und Herren, das Abstimmungsergebnis ergibt eine Ablehnung der Ausschussempfehlung.

Jetzt lasse ich in der Sache selbst abstimmen, und zwar den Antrag aus der Drucksache 17/474. Ich bitte um das Handzeichen für die Zustimmung? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist eine identische Abstimmung. Somit ist der Antrag mit Mehrheit und bei einigen Enthaltungen abgelehnt.

Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 47 und 46, Drucksachen 17/4257 und 17/4256, Anträge der

A C

B D

CDU-Fraktion: Aussichtsplattform und Dokumentationszentrum für die HafenCity und Philharmonie auf Kaispeicher A.

[Antrag der Fraktion der CDU: Aussichtsplattform und Dokumentationszentrum für die HafenCity – Drucksache 17/4257 –]

[Antrag der Fraktion der CDU: Philharmonie auf Kaispeicher A – Drucksache 17/4256 –]

Beide Drucksachen möchte die Ronald-Schill-Fraktion an den Kulturausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Ehlers.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zwei Selbstgänger, wie ich hoffe, am Ende dieser Legislaturperiode im kultur- und stadtentwicklungspolitischen Bereich.

Der erste Antrag beschäftigt sich mit der Einrichtung einer Info-Box für die HafenCity. Wir glauben, dass es vernünftig und sinnvoll ist, bei Bauaufgaben der Größenordnung wie hier die HafenCity in Hamburg, eine solche Info-Box vor Ort einzurichten, um sowohl einerseits die Vorstellung der Bürger dafür, was dort geschieht, zu wecken, als auch andererseits Investoren potenziell neugierig zu machen. Die HafenCity muss erfahrbar, erfassbar und erlebbar werden, sozusagen eine HafenCity zum Anfassen. Dabei darf man nicht kleckern, sondern man muss wirklich klotzen. Alles andere wäre lächerlich. Ein ausgedienter Container tut es nicht.

(Beifall bei der CDU und bei Ekkehard Rumpf FDP)

Daher haben wir gedacht, dass das Vorbild Potsdamer Platz der geeignete Maßstab für ein im internationalen Geschäft spielendes Hamburg ist. Diese Info-Box muss mit Modellen, Filmen, interaktiven Videoinstallationen und Ausstellungen gefüllt werden. Alles, was dort die Fantasie hergibt, ist erlaubt. Es sind keine Grenzen gesetzt. Ich denke, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist und wir sollten das miteinander durchführen.

Der zweite Antrag beschäftigt sich mit dem Kaispeicher A. Er ist auf so breit angelegte Zustimmung in diesem Hause gestoßen, dass eigentlich darüber gar nicht mehr geredet werden muss. Das kann eigentlich nur noch zerredet werden. Wir alle in diesem Hause wollen es, aber ich bleibe dabei, dass es sauber finanziert werden muss. Zu dieser sauberen Finanzierung wünsche ich der Bürgerschaft und dem Senat viel Erfolg.

Eine Bürgerschaft – am Aschermittwoch ist alles vorbei – ohne Karl-Heinz Ehlers hat es lange nicht gegeben. 34 Jahre lang nicht, das ist mehr als mein halbes Leben und erlauben Sie mir, dass ich aus diesem Grunde ein paar persönliche Worte sage und sie mit drei Wünschen verbinde.

Eigentlich wäre die Karriere – wenn es denn eine war – in diesem Hause schon bei Beginn zu Ende gewesen. Im März 1970, als nämlich ein langhaariger junger Mann unten im Rathaus Einlass begehrte, wollten die Ordner ihn nicht hineinlassen. Das bedurfte einer mühsamen Erklärung, dass ich hier Abgeordneter sei und Zutritt hätte, denn einen Ausweis hatten wir noch nicht. Es war sehr mühsam, den Wählerwillen gegen den Willen der Ratsdiener durchzusetzen.

In der ersten Sitzung, während einer Rede des legendären Bürgermeisters Professor Weichmann, wagte ich als junger Abgeordneter einen Zwischenruf und diese Situation werde ich nie vergessen. Herr Weichmann nahm seine Brille ab, fixierte mich und sagte: „Wissen Sie was, junger Mann, wenn Sie mir hier dazwischen reden wollen, dann müssen Sie noch viel lernen.“ Zack, hatte ich einen weg und anschließend griff mich Jürgen Echternach, unser Fraktionsvorsitzender, und sagte: „Wenn Du nicht aufhörst, an das Denkmal Weichmann zu pinkeln, dann bekommst Du hier noch richtig Ärger.“ Das war damals schon Gotteslästerung, einen Zwischenruf zu machen, wenn der Bürgermeister sprach. Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Sitten inzwischen nur positiv geändert haben.

(Beifall bei der CDU – Barbara Duden SPD: Der Bürgermeister redet ja nicht mehr!)

Das tut er schon noch. Aber es ist schon in Ordnung, wir haben ja Wahlkampf.

(Beifall bei Rolf Kruse CDU)

Parallel zur Berufsaufnahme und zur Gründung einer Familie bin ich in dieses Parlament gekommen und daran schließt sich mein erster Wunsch an. Ich glaube, dass ich beurteilen kann, Frau Duden, wie schwierig, aber auch befriedigend das ist, Beruf und Parlament nebeneinander auszuüben. Daher ist meine herzliche Bitte an Sie: Erhalten Sie dieses Nebeneinander von Beruf und Mandat. Es ist zu leisten und es ist richtig.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Erlauben Sie mir auch einen Zweifel daran, ob wir uns mit der Einführung von Wahlkreisen nicht in eine Richtung bewegen, die der Auflösung dieser Verbindung von Beruf und Mandat Vorschub leistet. Noch einmal mein Wunsch, erhalten Sie das parlamentarische Nebenamt – in Anführungszeichen.

Mein zweiter Wunsch ist an Sie alle gerichtet, dass Sie in diesem neuen Parlament vernünftige, parlamentarische und solide Mehrheiten haben mögen. Die Verhältnisse, die ich mir wünsche, sind kein Geheimnis, aber es mögen vernünftige und solide Mehrheiten in diesem Parlament sein.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Uwe Grund SPD: Das kann ich nach der letzten Runde ver- stehen!)

Als Drittes wünsche ich uns allen: Nie wieder ein Parlament, dass sich unter derartigen Umständen auflöst wie dieses.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der GAL, der FDP und vereinzelt bei der Partei Rechtsstaatlicher Of- fensive)

Das betrifft sowohl den Anlass der Auflösung als auch die Umstände, unter denen sich die Auflösung in der letzten Sitzung und auch während dieser momentan vollzieht. Ich glaube, das war keine besonders würdige Veranstaltung, die wir hier alle miteinander abgeliefert haben.

Ich sage zum Schluss: Dank an Sie alle und an die vielen Menschen, denen ich als Abgeordneter begegnen durfte. Sie haben mein Leben bereichert. Nicht alle Begegnungen waren positiv. Es gab auch parteiübergreifend, vor allen Dingen in der etwas ferneren Vergangenheit, sehr viele Enttäuschungen. Ich entschuldige mich für viele

Verletzungen, die ich vielleicht zugefügt habe. Das geschah unabsichtlich, aber es ist wohl in nennenswertem Umfange geschehen. Es tut mir Leid.

(Beifall bei Dr. Ingrid Stöckl SPD)

„Warum hast du dir das angetan?“ ist eine typische Journalistenfrage, die einem jetzt nach 34 Jahren Parlament gestellt wird. Diese Frage ist falsch gestellt. Einem Politiker dürfen Sie diese Frage nicht stellen, weil er sich nichts angetan hat.

(Beifall bei Rolf Kruse CDU und bei Dr. Willfried Maier GAL)

Ich habe das für eine Sache getan, von der ich glaube, dass sie jede Mühe lohnt, nämlich für die Demokratie und für die freiheitliche Gesellschaft. Für eine Gesellschaft, der ich persönlich alles verdanke und von der ich glaube, dass ich ihr etwas schuldig bin. Sicherlich habe ich nicht alles richtig gesehen, und gemacht schon gar nicht, aber es wenigstens versucht zu haben, befriedigt mich tief. Machen Sie es alle gut, so oder so, man sieht sich.