Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

(Rolf Kruse CDU: Das ist wahr!)

Diese einmaligen Einnahmen waren ein wesentlicher Bestandteil des Konsolidierungsprogramms der Jahre 1994 bis 2001. Nur dadurch konnte verhindert werden, dass der Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg für die Finanzierung von Betriebsausgaben Kredite auf dem Kreditmarkt aufnehmen musste, denn diese sind nun einmal für die Finanzierung der Investitionsausgaben vorgesehen und dadurch auch in der Höhe begrenzt.

Die Darstellung des Schuldenstandes, der auf Hamburg lastet, bliebe allerdings unvollständig, wenn man nicht auch die Schulden der öffentlichen Unternehmen einbeziehen würde, die sonst die von der Freien und Hansestadt Hamburg aufzunehmenden Kredite ersetzt haben oder im Zusammenhang mit Zahlungen an den öffentlichen Haushalt eingegangen wurden. Dies haben wir sehr ausführlich im Finanzbericht 2002 dargestellt.

Ich erwähne die Wohnungsbaukreditanstalt, die Projektfinanzierungsgesellschaft für die Airbus-Produktion, die Hamburgische Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung, aber auch die Schulden, die stadteigene Betriebe auf sich genommen haben, um über Zwischenverkäufe oder Veräußerungen an stadteigene Gesellschaften beziehungsweise Rückführung von haushaltsfinanziertem Eigenkapital den Erwerb von städtischem Vermögen zu finanzieren. Insgesamt sind auf diese Art und Weise weitere mehrere Milliarden D-Mark an indirekten Krediten aufgenommen worden, die letztlich aus dem Haushalt finanziert werden müssen.

Nach Auffassung des Senats kann von einem Defizitausgleich nicht gesprochen werden, wenn sich in einer Gesamtbetrachtung das Vermögen der Freien und Hansestadt nicht verbessert hat. Im Klartext: Es wurden zusätzliche Schulden aufgenommen, obwohl das Vermögen der Stadt durch den Verkauf an sich selbst nicht gemehrt wurde. Dieses nennt man Schattenhaushalt.

Insgesamt lässt sich deshalb feststellen: Das Konsolidierungsprogramm von 1994 bis 2001 war notwendig, aber nicht ausreichend. Kurz vor der Wahl das Ende der Konsolidierung zu verkünden, war unüberlegt, voreilig und falsch. Die an diese Behauptung glaubten, müssen jetzt umdenken und ihr Handeln neu ausrichten.

Das gilt für alle, für die Fraktionen – insbesondere für Sie –, die Verwaltungsangehörigen und die öffentlichen Unternehmen. Konsolidierung bleibt eine Daueraufgabe für die nächsten Jahrzehnte.

Dabei – das sagte ich schon vorhin – stehen wir nicht allein, sondern wir sind in einen finanzpolitischen Rahmen eingebettet. Hier lohnt sich ein Blick auf die Belastungen durch die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

Die dramatischen Einbrüche bei den Steuereinnahmen lassen sich durch die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in weiten Teilen erklären. Die falsche Solidarität der SPD-regierten Länder mit der Bundesregierung hat vielfach verhindert, dass im Bundesrat Länderinteressen angemessen berücksichtigt wurden. Mit der Lösung bleiben Hamburg wie auch andere Länder und Städte allein. Ich möchte vier Bereiche ansprechen.

(Senator Dr. Wolfgang Peiner)

Erstens: Großunternehmen zahlen in Deutschland fast keine Steuern mehr. Der „Spiegel“ von Montag titelt das Milliardendesaster und die Panik in den Finanzämtern. Die rotgrüne Steuerreform sorgt dafür, dass viele Großkonzerne fast keine Steuern mehr bezahlen. Sie erhalten aufgrund umfangreicher Sonderausschüttungen, die sie wegen der anstehenden Systemänderungen vorgenommen haben, teilweise Milliarden zurückerstattet.

Finanzminister Eichel und seine Länderkollegen müssen unter dem Strich mehr auszahlen, als sie einnehmen. Dies kann ich als Finanzsenator nur bestätigen. Ab 2002 heißt es zusätzlich: Die Deutschland AG wird steuerfrei aufgelöst, der Mittelstand muss dagegen bei Unternehmensverkäufen Steuern bezahlen.

Zweitens: Umschichtungen zu Lasten der Kommunen. Hamburg ist Stadtstaat, also Land und Kommune zugleich. Die Auswirkungen von Belastungsverschiebungen, wie zum Beispiel durch das Sparpaket der Bundesregierung, werden nicht beim Bund, aber bei den Kommunen unmittelbar spürbar. So stiegen Sozialhilfeausgaben von 1998 bis heute um 35 Millionen Euro. Beim Wohngeld musste der Senat aufgrund eines Bundesgesetzes für 2001 über den Haushaltsansatz hinaus eine Nachforderung in Höhe von 10 Millionen Euro bei der Bürgerschaft beantragen.

Beim Antiterrorpaket erhöhte der Bund zur Finanzierung seiner Aufgaben Bundessteuern – die Tabak- und Versicherungssteuer –, von denen die Länder und Kommunen, die ebenfalls die Lasten der Terrorfolgen tragen, nichts erhalten. Der neueste Vorschlag: Der Bund will Mautgebühren für Lkws kassieren, aber den Spediteuren zum Teil Kompensationen bei der Kraftfahrzeugsteuer anbieten, die ausschließlich eine Landessteuer ist.

Drittens: Weniger verfügbares Einkommen. Das verfügbare Einkommen der Bürger, des kleinen Mannes, sinkt. Die Entlastung durch die Senkung des Steuertarifs sowie die Erhöhung des Kindergeldes wird durch die Erhöhung der Sozialabgaben und der Ökosteuer überkompensiert. So kann es zu keiner Erhöhung der Binnennachfrage kommen. In Zahlen: Die Gesamtbelastung steigt nach Berechnung der „Wirtschaftswoche“ aus der letzten Woche zum Beispiel in einem Singlehaushalt um circa 60 Euro, beim berufstätigen Ehepaar mit zwei Kindern um 30 Euro und beim Ehepaar mit einem Verdiener und zwei Kindern immer noch um 7 Euro im Monat. Wenn im Ergebnis das verfügbare Einkommen sinkt, kann durch Steuertarifsenkungen kein notwendiger Aufschwung entstehen.

Viertens: Reformstau bei der Arbeitsmarktpolitik. Die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung wird von allen Fachleuten heute als gescheitert angesehen. Auch hier zahlen die Rechnungen die Kommunen: mehr Sozialhilfeausgaben, weniger Steuereinnahmen.

Die Folgen sind der von allen Sachverständigen bestätigte konjunkturelle Einbruch, der Deutschland zum Schlusslicht in der Europäischen Union hat sinken lassen. Die Ursachen sind hausgemacht, die Weltgemeinschaft kann nicht länger als Entschuldigung vorgeschoben werden.

Das Ergebnis ist bedrückend. Die finanzielle Basis der Städte und Gemeinden bricht weg; sie darf nicht weiter ausgehöhlt werden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Eine im Grundgesetz umfassende Reform der Finanzverfassung mag mittelfristig ein erstrebenswertes Ziel sein, sie

darf aber nicht als Ausrede dafür genommen werden, die Sicherung der kommunalen Steuereinnahmen auf die lange Bank zu schieben. Für alle betreffenden Steuergesetze hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz, die er offensichtlich vor der Bundestagswahl nicht mehr wahrnehmen will, sodass ein weiteres Jahr für die Kommunen und deren Bürger und Betriebe verloren geht.

Konkret zum Haushalt 2002. Wir haben mit dem Haushalt 2002 neue Prioritäten gesetzt und Wachstumsimpulse gegeben. Angesichts der Ausgangslage und der bisherigen Erkenntnisse über die rückläufigen Steuereinnahmen stehen uns für die Verwirklichung der neuen politischen Schwerpunkte keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung. Wir finanzieren das politisch Notwendige allein durch Umschichtungen. Uns sind die Innere Sicherheit, die Bildung, die Justiz und die Stärkung des Wissenschaftsstandortes und des Verkehrsflusses wichtig. Hier verstärken wir die Mittel durch zusätzliche Mitarbeiter und Investitionen.

Alle Einzelheiten – auch die entsprechende Deckung – sind in der 80 Seiten umfassenden Drucksache 17/180, die zur Zeit im Haushaltsausschuss umfassend diskutiert wird, ausführlich dargestellt.

(Uwe Grund SPD: Ausführlich?)

Ich wünschte, jeder hätte sie gründlich gelesen.

Herr Fraktionsvorsitzender, wir laden Sie gerne ein, hinzuzukommen, dann können Sie diese auch ausführlich studieren.

Daneben haben wir mit einem 50-Millionen-Euro-Programm für den Instandsetzungsstau bei Schulen, Universitäten, Straßen und Kaimauern einen Schub gesetzt. Durch eine kleinteilige Vergabe unterstützen wir das örtliche Handwerk und sichern damit Beschäftigung im Ersten Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die zusätzlichen Investitionen werden durch Kredite finanziert. Damit folgen wir der einmütigen Empfehlung aller Wirtschaftsweisen.

Einen weiteren wichtigen Punkt stellen die Flächen für die wachsende Stadt dar. 1960 hat die Bürgerschaft im Gesetz über den Aufbauplan der Freien und Hansestadt Hamburg festgestellt, dass die Stadt Flächen für eine Bevölkerung von 2,2 Millionen Einwohnern ausweisen kann und auch ausweisen muss. Bürgermeister Brauer hatte damals diese Vision für Hamburg. Ich bin dem Ersten Bürgermeister Ole von Beust dankbar, dass er mit seinen Visionen an Max Brauer anknüpft

(Ingo Egloff SPD: Zurück in die Fünfzigerjahre!)

und damit die Schwächeperiode der Zwischenzeit überwindet.

Wir werden durch ein verbessertes Flächenmanagement mehr Flächen für Wohnungen und Gewerbe zur Verfügung stellen. Das schließt die Nutzung der Flächen von Bahn, Bundeswehr, Telekom und Krankenhäusern mit ein. Wir wollen den Rückgang der Bevölkerung, insbesondere von jungen Familien, stoppen und neuen und auch alten Betrieben in Hamburg eine Basis verschaffen. Beides stabilisiert die Beschäftigung und die Steuerkraft in der Stadt.

Auch die öffentlichen Unternehmen sollen dieser wachsenden Stadt dienen. Deshalb sind sie darauf zu überprüfen, ob sie wirklich der Sicherung des Standortes dienen. Wir werden sie in drei Gruppen einteilen.

(Senator Dr. Wolfgang Peiner)

A C

B D

Erstens: Unternehmen, die für die Infrastruktur der Stadt zwingend erforderlich sind. Hier kann im Einzelfall der Verkauf von Anteilen sinnvoll sein. Allerdings wird die Bewahrung eines beherrschenden Einflusses durch die Stadt regelmäßig im Interesse Hamburgs geboten sein.

Zweitens: Unternehmen, die insbesondere für die langfristige Sicherung des Wirtschaftsstandortes Hamburg von herausragender Bedeutung sind. Der Senat wird sich für eine Fortentwicklung dieser Unternehmen einsetzen, um Zukunftsbranchen zu stärken und die Leitung dieser Konzerne dauerhaft an Hamburg zu binden. Ein Ausverkauf wie in der Vergangenheit wird es deswegen nicht mehr geben.

Vor diesem Hintergrund wird aber auch zu entscheiden sein,

(Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

in welchem Umfang der Einfluss der Freien und Hansestadt Hamburg mit Kapitalanteilen weiterhin gesichert werden muss beziehungsweise in welchem Umfang Anteile verkauft werden können.

Bei Unternehmen, die nicht unter die genannten Gruppen fallen, ist eine weitere Beteiligung Hamburgs nicht zwingend erforderlich; sie können vollständig privatisiert werden.

Wir werden den Beteiligungsbestand der Freien und Hansestadt Hamburg entsprechend überprüfen. Dabei werden die Interessen des Standortes, der Hamburger Unternehmen und der Mitarbeiter dieser Betriebe berücksichtigt.

Veräußerungserlöse sollen aber nicht dazu dienen, Haushaltslöcher im Betriebshaushalt zu stopfen, sondern vorrangig neue Investitionen zu finanzieren. Wir wollen aus altem Vermögen neues Vermögen schaffen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren! Im Unterschied zu den Vorjahren stehen uns bei der Einbringung des Haushaltes 2002 auch schon Erkenntnisse aus dem Haushaltsverlauf 2001 zur Verfügung. Sie lassen eine Beurteilung der möglichen Risiken zu. Mehrausgaben von Gesetzesänderungen des Bundes aus Änderungen dieses Jahres sind nicht mehr zu erwarten, da zurzeit keine Gesetzesänderungen im Bundesrat anstehen. Die größte Unbekannte sind die Steuereinnahmen. Sie hängen von der Konjunktur und der Reaktion insbesondere der Kapitalgesellschaften auf die Unternehmenssteuerreform ab. Betroffen sind vor allem die Körperschaft- und Gewerbesteuereinnahmen. Klarheit wird erst die Steuerschätzung im Mai 2002 bringen. Erst danach werden und können wir die mittelfristige Finanzplanung neu vorlegen. Dies entspricht der Praxis im Bund, in den Ländern und auch in der Vergangenheit in Hamburg.

Die jüngsten Aussagen der Bundesregierung zur Konjunkturentwicklung lassen jedoch wenig Hoffnung auf steigende Einnahmen zu. Wir können nur hoffen, dass die Einnahmen nicht noch weiter als im Jahresschnitt 2001 sinken werden. Da ist es ein schwacher Trost, dass mit den sinkenden Steuereinnahmen auch die Abführung an die finanzschwachen Länder in den Länderfinanzausgleich geringer sein werden. Da alle Länder und der Bund weniger Steuern einnehmen, sinkt insgesamt das Niveau des Länderfinanzausgleichs. Sollten die Steuereinnahmen

2002 aber geringer als geplant ausfallen, wollen wir Hamburgs Steuermehreinnahmen nutzen, die wir aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes zur Rechtswidrigkeit der Erhebung einer Förderabgabe auf Erdgas in Niedersachsen zu erwarten haben. Damit haben wir Vorsorge für den Fall sinkender Steuereinnahmen aufgrund der Steuerschätzung im Mai 2002 getroffen. Aber unser Blick geht natürlich heute schon über 2002 hinaus auf das Jahr 2003 und dieses stellen wir unter die Überschrift „Aufgabenkritik ohne Denkverbote“.

Die Ergebnisse der Steuerschätzung im Mai entscheiden mit über die weitere finanzpolitische Entwicklung, vor allen Dingen bei den Ausgaben. Dabei zeichnet sich die Gefahr mittelfristig weiterer struktureller Mindereinnahmen ab. Darauf haben wir mit der Errichtung von fünf Kommissionen reagiert, die ohne Denkverbote Vorschläge für strukturell wirksame Aufgabenkritik vorlegen werden.

Folgende Bereiche stehen dabei im Mittelpunkt: