Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Meine Damen und Herren, Anfang der neunziger Jahre, nach dem Zerfall des Ostblocks, war es weit verbreitet, dass aus dem ehemaligen Ostblock junge Frauen mit Versprechungen und fingierten Arbeitsverträgen für eine gut bezahlte Tätigkeit in der Gastronomie oder im Haushalt nach Deutschland gelockt wurden, dann aber mittels Zwang und Gewalt hier als Prostituierte unter erbärmlichen Verhältnissen anschaffen mussten. Da sie legal als Touristen eingereist waren, wurden ihnen die Pässe nebst das auf drei Monate befristete Visum abgenommen. Sie durften während ihres Aufenthalts nicht arbeiten und waren darüber hinaus auch noch länger als drei Monate hier. Ihr Aufenthaltsstatus war also illegal. Somit hatten die Schleuser oder Menschenhändler – oder wer auch immer – ein Druckmittel, sich nicht den zuständigen Behörden zu offenbaren, weil sie sich hier illegal aufhielten und auch nicht arbeiten durften.

Dieses haben sich die Bordellbetreiber oder -besitzer zunutze gemacht und die bedauernswerten Frauen in men

schenverachtender Art und Weise ausgebeutet. Dieses ist aber so gut wie Vergangenheit,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ach ja?)

und zwar nicht unbedingt das Ausbeuten, sondern dass ausländische Frauen mit unlauteren Versprechungen et cetera hier in Hamburg mit Gewalt zur Prostitution gezwungen werden.

(Doris Mandel SPD: Woher wissen Sie das?)

Das Einschleusen von Menschen zwecks illegalen Aufenthalts und zur Ausübung der Prostitution ist nicht gleichzeitig Zwang und Gewalt. Denn Frauen aus dem ehemaligen Ostblock oder sonst wo her, die weder einen Pass, ein Visum noch andere legale Einreisedokumente ausgestellt bekommen, besitzen oder vorweisen können, um hier – egal aus welchem Gründen auch immer – illegal der Prostitution nachzugehen, bedienen sich professioneller Schleuser. Manche versuchen es auf eigene Faust ohne Hilfe von Schleusern.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Das haben die Frauen Ihnen erzählt?)

Meine Damen und Herren, Menschenhandel zum Nachteil von sich prostituierenden Menschen, die unter Gewalt – auch psychischer – zum Anschaffen eingeschleust werden, ist mit aller rechtsstaatlichen Härte zu sanktionieren.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Dieses Verbrechen, eines der miesesten und menschenverachtendsten überhaupt, muss gesamtgesellschaftlich geächtet werden. Ich bin sicher, dass darüber hier, bei allen Fraktionen, Übereinstimmung herrscht.

(Zurufe von Anja Hajduk GAL und Barbara Duden SPD: Nee!)

Auch Frauen – dazu zählen auch deutsche Frauen, die haben Sie nämlich vergessen –, die sich unter Zwang und Gewalt prostituieren müssen und sich den zuständigen Behörden offenbaren, muss alle erdenkliche Hilfe inklusive psychologischer und therapeutischer Betreuung gewährt werden. Das sind wir ihnen schuldig. Die Koordinierungsstelle gegen Frauenhandel, kurz KOOFRA genannt, ist Garant dafür; und das ist auch gut so. Auch wenn bei Polizeieinsätzen im Bezugszeitraum vom 8. bis 23. November 2001 keine der angetroffenen Frauen durch KOOFRA betreut wurde, weil nämlich keine entsprechenden Verdachtsmomente wie Menschenhandel gegeben waren, ist sie weiterhin notwendig.

Fakt ist also, dass fast alle Frauen aus Osteuropa, Südostasien oder aus der Dritten Welt, die sich hier legal oder illegal aufhalten und der Prostitution nachgehen, dies freiwillig tun, egal aus welchen Beweggründen oder Motiven auch immer.

(Uwe Grund SPD: Sie haben ja keine Ahnung!)

Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, auch wenn es nicht Ihrer ideologischen Denk- und Sichtweise entspricht.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Fragen Sie mal Frau Koop! – Petra Brinkmann SPD: Ja, Sie waren vor Ort! Ja, ja!)

Ich war vor Ort.

Frau Hilgers, meine Damen und Herren, die Realität sieht eben anders aus, als man es immer mit roter – da greife ich schon mal vor – und auch mit grüner Brille sehen wollte.

(Karen Koop CDU)

So ist es nun mal. Ein kleiner Tipp von mir: Wechseln Sie mal den Optiker, für den klaren, weil realen Durchblick,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Opferschutz statt Täter- schutz, oder wie war das?)

denn rote oder grüne Tönungen sind nicht mehr im Trend, sind mega-out. – Ich bedanke mich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort hat Frau Dr. Lappe.

(Anja Hajduk GAL: Jetzt schlägt gleich die Stunde der Liberalen!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte eigentlich noch liebe Kolleginnen und Kollegen sagen, aber nach der letzten Rede habe ich mir das überlegt, weil ich festgestellt habe, dass es doch Unterschiede gibt, die ich vorher nicht angenommen oder vermutet habe. Ich habe auch Unterschiede zwischen der Rede von Frau Koop und Herrn Bauer gehört.

(Anja Hajduk GAL: Deutliche!)

Deutliche Unterschiede!

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Und ich muss etwas provokant die Frage stellen, wo Herr Bauer sich fachkundig gemacht hat.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Jetzt möchte ich zu dem zurückkommen, was ich eigentlich für heute vorbereitet habe. Ich möchte Ihnen einen Zeitungsausschnitt zeigen. Vielleicht können Sie zumindest die Überschrift lesen. Er ist aus der „Morgenpost“ vom letzten Dienstag und er ist überschrieben

(Zurufe: Oh, „Mopo“!)

ja, die „Morgenpost“ ist hier vielleicht die bessere Informationsquelle –

(Lachen bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

„So quälten sie die jungen Mädchen.“

Der Anlass ist, dass am Montag ein Prozess am Landgericht begonnen hat. Der Text lautet weiter:

„Sieben Angeklagte, fünf Richter: Am Hamburger Landgericht begann gestern ein neuer Mammutprozess. Die Männer auf der Anklagebank sollen 35 Frauen aus Litauen eingeschleust und zur Prostitution gezwungen haben. Im Gericht lachten Sie.“

Weiter heißt es:

„Die Männer zeigten sich vor Gericht demonstrativ heiter. Als der Deutsche die ,Scheibenwischer‘-Geste machte, platzte der Vorsitzenden Richterin Gertraut Göring der Kragen: Ich möchte nicht, dass die Angeklagten lachen. Das gilt auch für die Verteidiger.“

Was will ich Ihnen damit sagen? Zum einen, dass es ohne die Bemühungen des Parlaments und des rotgrünen Senats in der letzten Legislatur – dabei möchte ich ausdrücklich die CDU und Frau Koop für ihre Aktivitäten loben;

(Beifall bei der GAL und der SPD – Karl-Heinz Ehlers CDU: Da sind wir aber dankbar!)

das ist einen Applaus wert – nicht zu diesen Gerichtsprozessen gekommen wäre. Ausdrücklich möchte ich auch die Zusammenarbeit zwischen der Polizei, den nichtstaatlichen Organisationen, der Staatsanwaltschaft und allen anderen Behörden loben; das Senatsamt für die Gleichstellung möchte ich dabei noch besonders herausheben.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der SPD)

Es zeigt aber auch, dass das alles noch nicht gereicht hat. Offensichtlich gibt es kein Unrechtsbewusstsein für diese kriminellen Handlungen und auch keinen Respekt vor unseren deutschen Gerichten und Gesetzen. Denn es ist kriminell, was hier passiert, und ich rede nicht von Frauen, die freiwillig in die Prostitution gehen – das ist ein anderes Metier, darauf hatte Frau Dräger bereits hingewiesen, dass da auch einiges getan wird –, sondern von Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden und dafür extra aus anderen Ländern hier hergebracht werden. Dabei handelt es sich schätzungsweise jährlich um eine halbe Million junger Frauen und Mädchen zwischen 18 und 25 Jahren aus asiatischen Ländern, Osteuropa und aus Südamerika, die in den Bereich der EU geschleust werden. Das bedeutet ein ziemliches Geschäft, wobei es um ungefähr 7 bis 8 Milliarden Euro geht. Das ist ungefähr so viel, dass wir damit fast ein Haushaltsjahr finanzieren könnten.

Die Arbeit, die hier geleistet wird, führt unter anderem auch dazu, dass die Gewinnabschöpfung in der Größenordnung, wie wir sie jetzt haben, überhaupt möglich ist und die Gelder dementsprechend verteilt werden können. Deshalb ist es auch wichtig, dass KOOFRA aus diesen Geldern weiterhin, vielleicht sogar langfristig mit einer Festfinanzierung in einem Haushaltstitel gefördert und finanziert wird.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wir dürfen in unseren Bemühungen nicht nachlassen und ich möchte Sie alle einladen, im Innenausschuss darüber zu diskutieren; insbesondere die Mitglieder der Schill-Fraktion. Da mag vielleicht ein gewisser Nachholbedarf der Dinge, die in der letzten Legislaturperiode gelaufen sind, notwendig sein.

(Zuruf von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Nicht so viel Arroganz!)