Protokoll der Sitzung vom 20.02.2002

Die SPD-Fraktion beantragt eine Überweisung dieser Drucksache an den Wirtschaftsausschuss. Die GAL-Fraktion möchte die Drucksache zusätzlich zur Mitberatung an den Rechtsausschuss und an den Umweltausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Senator Uldall wünscht und bekommt das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer Baustein, den Luftfahrtstandort Hamburg zu erhalten, auszubauen und alle Chancen, die sich um diesen wachsenden Industriezweig ranken, zu nutzen und für Hamburg zu mobilisieren.

Im Juni 2000 hatte Airbus Industrie die Entscheidung getroffen, den neuen großen Airbus A380 auf Finkenwerder zu bauen und gleichzeitig Finkenwerder zum Entwicklungs- und Produktionszentrum für die Single-AisleModelle auszubauen.

Dieser Entscheidung war ein langer, harter Wettbewerb zwischen fünf verschiedenen Städten in Europa vorausgegangen, der zugunsten Hamburgs entschieden wurde.

(Uwe Grund SPD: Das wussten wir schon!)

Hamburg und Deutschland haben mit dieser Investitionsentscheidung gezeigt, dass selbst internationale hart umrungene Standortentscheidungen zugunsten deutscher Standorte getroffen werden können. Es war eine gewisse Zeitlang ein bisschen Mode, den Standort Deutschland herunterzureden und so zu tun, als wenn man hier nicht mehr richtig investieren könnte. Durch die Entscheidung von Airbus wurde gezeigt, dass Deutschland ein guter Standort ist. Wir Hamburger dürfen besonders stolz darauf sein, dass diese Entscheidung zugunsten Hamburgs getroffen wurde und wir Hamburger zeigen konnten, dass wir hier die entsprechende Durchschlagskraft gegenüber ausländischen Wettbewerbern haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Diese Entscheidung ist auch deswegen zustande gekommen, weil sie von fast allen politischen Parteien, von den Gewerkschaften und von den Kammern mit nachhaltiger Unterstützung getragen wurde und in der Stadt ein Konsens zu verzeichnen war.

In der letzten Legislaturperiode hat die Bürgerschaft durch die Ratifizierung der Staatsverträge mit den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein die wesentlichen Grundlagen für die planungsrechtliche Absicherung der notwendigen Werkserweiterung geschaffen.

Außerdem wurden die wichtigen Entscheidungen hinsichtlich der Finanzierung und Zurverfügungstellung der Haushaltsmittel im Parlament getroffen. In der Zwischenzeit ist die Projektrealisierung weit vorangeschritten. Das Unternehmen Airbus hat bereits mit dem Bau der Produktionshallen begonnen.

Um die zeitlich engen Ziele, die Airbus gesetzt hatte, auch einhalten zu können, war es notwendig, Teile des Planfeststellungsbeschlusses für sofort vollziehbar zu erklären. Die hiergegen von den Naturschutzverbänden sowie einzelnen Klägern vorgebrachten Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz waren dann Gegenstand von Entscheidungen des Verwaltungsgerichts in Hamburg und des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts. Zunächst wurde – daran erinnern wir uns alle – am 18. Dezember 2000 ein Baustopp verhängt. Aber das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hatte dann in seinem Beschluss im Fe

(Ekkehard Rumpf FDP)

bruar 2001 die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen. Die von den Naturschutzverbänden und auch von einzelnen Klägern vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen vorgebrachten Rechtsmittel wurden vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls zurückgewiesen.

Damit besitzt diese Investition eine auch für vergleichbare Projekte ungewöhnlich hohe politische und rechtliche Legitimation. Ich freue mich, dass dieses nicht nur Auffassung des Senats ist. In einer Presseinformation, die ich unmittelbar vor Sitzungsbeginn erhielt, erklärt auch die Sozialdemokratische Partei, dass sie in dieser Frage hinter dem Projekt Airbus steht. Ich möchte ausdrücklichen Dank sagen für diese Unterstützung, die wir durch die größere Oppositionspartei erhalten haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Verfahren in der Hauptsache sind aber immer noch vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Diese Verfahren müssen mit größtmöglicher Sorgfalt durchgeführt werden. Wir stehen in der Pflicht, alle möglichen Restrisiken zu prüfen und im Interesse des Gesamtvorhabens zu überprüfen, ob wir sie tatsächlich so bewältigen können.

Diese Überprüfung der Restrisiken auf dem rechtlichen Sektor hat den Senat bewogen, diesen Gesetzentwurf zur Beschlussfassung einzubringen. Mit dem Gesetzentwurf soll festgestellt werden, dass der Ausbau des Airbuswerkes in Finkenwerder dem Wohl der Allgemeinheit dient, damit im öffentlichen Interesse liegt und durch Maßnahmen, die Gegenstand einer Planfeststellung oder Plangenehmigung sind, die Vorschriften Anwendung finden sollen, die allgemein für gemeinnützige Vorhaben gelten.

Anlass für diese vom Senat vorgelegte Regelung sind Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom Februar des vergangenen Jahres. Dieser Beschluss enthält unter anderem den Hinweis, dass die Frage, ob der Ausbau dieses Werkes ein ausschließlich privatnütziges Vorhaben darstellt, im Hauptsacheverfahren entschieden werden könnte.

Das hat folgenden Hintergrund: Das mit dem Planfeststellungsverfahren für die Werkserweiterung genehmigte Vorhaben hat nach Auffassung von Gutachtern für die Betroffenen keine unmittelbaren, nicht mehr hinzunehmenden Lärmbelästigungen. Darüber hinaus enthält aber auch der Planfeststellungsbeschluss Schutzvorkehrungen, um möglicherweise von Verwaltungsgerichten als unzumutbar angesehene Lärmauswirkungen zu begrenzen.

Sollten Verwaltungsgerichte mögliche Beeinträchtigungen dennoch als unzumutbar bewerten, können die Betroffenen nach den Regeln des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes entschädigt werden, denn diese Regelung ist nach Auffassung des Senats sowohl auf private als auch auf gemeinnützige Vorhaben anwendbar.

Aus diesem Grunde bedarf es zur Vermeidung rechtlicher Restrisiken der Feststellung, dass die entsprechenden Maßnahmen dem Wohle der Allgemeinheit dienen und damit gemeinnützig sind. Dann finden die Ausgleichsregelungen des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes in jedem Fall Anwendung. Mögliche, als unzumutbar angesehene Beeinträchtigungen können dann durch Entschädigungszahlungen des Unternehmens ausgeglichen werden. Ich weise darauf hin: Entschädigungszahlungen durch das Unternehmen, nicht durch den Hamburger Haushalt.

Dieser Interessenausgleich ist auch im Hinblick auf das Wohl der Freien und Hansestadt Hamburg an dem Gesamtvorhaben zweckdienlich und sachgerecht, denn anderenfalls bestünde die Gefahr, dass unter Umständen nur ein einzelner Kläger das Gesamtvorhaben blockieren könnte. Vor dem Hintergrund der überragenden wirtschaftlichen und strukturpolitischen Bedeutung der Luftfahrtindustrie für den Standort Hamburg unterstreicht diese gesetzgeberische Feststellung den bereits vorhandenen gemeinnützigen Charakter des Vorhabens.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal verdeutlichen, um welche gewaltige Aufgabe es sich handelt. Es ist nicht nur das größte Investitionsvorhaben, das zurzeit in Hamburg läuft, sondern es ist das größte Investitionsvorhaben, das überhaupt jemals aus der hamburgischen Kasse bezahlt worden ist.

Inzwischen sind von dem Gesamtvolumen über 600 Millionen DM verbaut worden. Wenn man es zurücknehmen würde oder zurücknehmen müsste, wären nicht nur diese 600 Millionen DM verloren. Nein, es müsste noch einmal der gleiche Betrag aufgewandt werden, um den Rückbau zu ermöglichen, ohne dass man damit eventuell eingetretene ökologische Schäden beseitigen könnte. Das zeigt also, dass von den finanziellen Dimensionen alles darangesetzt werden muss, um in jedem Fall ein Scheitern vor Gericht zu vermeiden. Ganz abgesehen von den finanziellen Dimensionen wäre es aber für den Industriestandort Hamburg ein gewaltiger Schlag, wenn eine einmal getroffene Investitionsentscheidung wieder zurückgenommen werden würde. Dieses würde bedeuten, dass Hamburg über viele Jahre hinaus als Industriestandort wenig interessant wäre und wir uns dann nicht wundern dürften, wenn entsprechende Investitionsvorhaben in Hamburg unterblieben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Aufgrund der Beschlüsse der Hamburgischen Bürgerschaft zu den mit den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein abgeschlossenen Staatsverträgen steht nach Auffassung des Senats fest, dass die Gemeinnützigkeit des Vorhabens gegeben ist. Auch die EU-Kommission hat in ihrer Stellungnahme zur Erweiterung des Airbuswerkes am 19. April 2000 festgestellt, dass sie die negativen Auswirkungen des Projektes aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses für gerechtfertigt hält.

Diese Bewertung bezieht sich insbesondere auf die Bedeutung dieses Projektes für die norddeutsche Region und nicht zuletzt auch für die gesamte europäische Luftfahrtindustrie.

In der hamburgischen Wirtschaftsgeschichte hat es viele Fälle gegeben, in denen man durch die Bündelung aller Kräfte in Hamburg die Entscheidung für große Zukunftsvorhaben durchgesetzt hat. Ich will einige Beispiele nennen.

Der Anschluss Hamburgs an das deutsche Zollgebiet vor über 100 Jahren war möglich, weil man einen Konsens im Parlament und in der Öffentlichkeit hergestellt hatte. Das gilt für das Konzept des offenen, jederzeit auch durch wachsende Schiffsgrößen erreichbaren Hamburger Hafens. Das gilt für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und für die Politik der Elbe zur Zeit des Kalten Krieges sowie für die Bewältigung der schrecklichen Folgen der Sturmflut von 1962, an die wir in den vergangenen

(Senator Gunnar Uldall)

A C

B D

Tagen häufig gedacht haben. Ohne einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens wären diese für Hamburgs Zukunft so wichtigen Entscheidungen nicht möglich gewesen.

Viele dieser Entscheidungen waren und sind für die Bürger in Hamburg auch mit Belastungen verbunden gewesen. Zum hanseatischen Kaufmannsgeist gehört aber auch, das Wohl der Stadt über die Partikularinteressen Einzelner zu stellen. Belastungen Einzelner können und sollen durch einen gerechten und gegebenenfalls finanziellen Lastenausgleich bewältigt werden.

An dieser Tradition wollen wir festhalten. Lassen Sie uns gemeinsam einen weiteren Baustein für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt setzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der FDP und bei Ingrid Cords SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Pauly.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die FDP steht, auch wenn Druck auszuhalten ist, zum Luftfahrtstandort Hamburg,

(Beifall bei Wolf-Dieter Scheurell und Heidemarie Scherweit-Müller, beide SPD)

sowohl zum Flughafen – es gehört außer Airbus noch ein wenig mehr dazu –, zur Lufthansawerft als auch zur Deutschen Airbus AG.

Die FDP bejaht alle Anstrengungen, die im Zusammenhang mit der Erweiterung auf Finkenwerder unternommen worden sind und auch noch unternommen werden müssen. Der planmäßige Ausbau hat inzwischen begonnen und schreitet zügig voran. Wir sind – das ist sehr zu begrüßen – im Zeitplan.

Es ist völlig klar, dass natürlich auch Fakten geschaffen werden, aber die Gegner geben trotzdem nicht auf. Der Streit um das Projekt geht weiter und Anknüpfungspunkt ist das Thema Gemeinnützigkeit. Was überwiegt? Das Interesse eines einzelnen Unternehmens oder das Interesse der Stadt? Es gilt, dieses abzuwägen, weil die Industrie in den letzten Jahrzehnten das Stiefkind der Hamburger Politik gewesen ist. Die FDP hat die Anstrengungen von Senator Mirow und des gesamten Senats für den A3XX mehrheitlich immer gutgeheißen.

Wir stehen auch, ohne zu wackeln, künftig fest dazu, aber die Diskussion und das Hinterfragen der Begleitumstände

(Anja Hajduk GAL: Das ist kein Wackeln!)

der Rahmenbedingungen gehört zum liberalen Selbstverständnis, es ist sogar ein liberales Grundrecht.

In der FDP gibt es in der Tat Zweifel, ob statt der Eingriffe in das Mühlenberger Loch zum Beispiel eine Erweiterung Richtung Osten nicht doch möglich und auch sinnvoll gewesen wäre. Dieses ist durch Gutachten widerlegt worden. Bei mir sind die Zweifel nicht ausgeräumt worden und bei vielen meiner Parteifreunde auch nicht.

Es bestehen Zweifel, ob die Vorarbeiten des Senats im Zusammenhang mit der Bewerbung mit der genügenden Sorgfalt betrieben wurden, um ein Scheitern vor Gericht nach menschlichem Ermessen ausschließen zu können, oder ob der bestehende Zeitdruck hier und da dazu geführt

hat, das Projekt schnell voranzutreiben nach dem Motto: Es wird schon irgendwie gut gehen.

(Ingrid Cords SPD: Stehen Sie dahinter oder nicht?)

Mit dem vorliegenden Antrag wird eine Stütze eingezogen, die das Projekt durch die Gefahren des noch vor uns stehenden Gerichtsverfahren tragen soll.

Ich habe lernen dürfen, dass dieses Verfahren, nämlich die Gemeinnützigkeit nicht festzustellen, sondern einfach per Gesetz zu beschließen, in Deutschland durchaus nicht unüblich ist. Es gibt eine Reihe von sehr guten Gründen, die das Vorliegen der Gemeinnützigkeit unterstreichen.