Protokoll der Sitzung vom 20.02.2002

umweltgerechte Kriterien gekoppelt werden, abgelehnt? Die Fragen müssen Sie sich stellen lassen.

Sie sagen, Hamburg könne den Ökolandbau nicht fördern. Auch das ist absoluter Quatsch, denn Hamburg zahlt gemeinsam mit NRW – auch das ist kein Zufall – die höchsten Prämien für die Umstellung von konventionellem auf Ökolandbau. Hier zu behaupten, Hamburg hätte überhaupt keine Einflussmöglichkeit, grenzt an Unwissen.

Herr Schinnenburg, Ihre Behauptung, wir hätten die Zuschüsse der Verbraucher-Zentrale gekürzt, haben Sie hier schon einmal verbreitet; das wird dadurch nicht richtiger. Wenn Sie sich die genauen Zahlen ansehen, werden Sie feststellen, dass die staatlichen Zuschüsse an die Verbraucher-Zentrale unter Rotgrün zwischen den Jahren 1997 und 2001 gestiegen sind, zwar nicht großartig, aber ich warte gern darauf, dass Sie diese Zuschüsse vielleicht noch mehr erhöhen. Aber das, was ich von Ihnen bisher an Kürzungsvorschlägen im Bereich Verbraucherschutz gesehen habe, lässt mich in dieser Hinsicht nicht hoffen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich muss Ihnen fast danken, Herr Schinnenburg, Sie haben die Katze tatsächlich aus dem Sack gelassen. Obwohl es ausschließlich private Labors waren, bei denen die Fehler entdeckt wurden – in der ganzen Bundesrepublik waren es nur private Institute, wo schlampig gearbeitet wurde –, und in den öffentlichen Labors offenbar korrekt gearbeitet und dort der Verbraucherschutz und die Gesundheit der Menschen ernst genommen wurde, wollen Sie ganz offenbar – und dazu stehen Sie –, das Hygiene-Institut als das öffentliche Institut in Hamburg kaputtsparen und alles auf die Privaten verlagern. Das ist genau das Falsche. Wir sollten das Hygiene-Institut in Hamburg stärken.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich glaube, es war Frau Gienow, die gesagt hat, Sie wollen den Antrag ablehnen und nicht an den Ausschuss überweisen, sondern der Ausschuss solle sich in Selbstbefassung damit befassen. Das empfinde ich als fast kurios. Dann beantragen Sie doch die Überweisung dieses Antrags an den Ausschuss, dann können wir darüber diskutieren und nicht in Selbstbefassung.

(Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das Wort hat der Abgeordnete Herr Rutter.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Solche Anträge können eigentlich nur vom grünen Tisch kommen. Das bezieht sich nicht auf die Fraktion. Ich möchte das aus meiner Erfahrung in leitender Funktion von mehr als 20 Jahren in der Lebensmittelindustrie sagen. In Wirklichkeit sieht das etwas anders aus.

Natürlich muss die Bevölkerung schnell informiert werden, wenn es irgendwelche Unregelmäßigkeiten gibt, wenn es Sorge gibt, dass Krankheiten ausbrechen können, wenn Lebensmittel nicht einwandfrei sind. Aber, bitte auf der anderen Seite auch nicht vorschnell, denn wir haben auch negative Erfahrungen. Ich erinnere daran, dass das Haus Birkel deswegen in Konkurs gegangen ist und sich nachher herausgestellt hat, dass die Meldungen des Ernährungsministeriums Baden-Württemberg falsch waren. Das Ernährungsministerium in Baden-Württemberg musste

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

viele Millionen Schadenersatz zahlen, was dem Hause Birkel aber nicht mehr geholfen hat.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Dann sollten Sie Frau Roth in Schutz nehmen!)

Ich selbst war auch einmal am Rande mit betroffen. Ich war im Hause der Westmilch, von der auch Humana-Babynahrung kommt. Da wurde ein Salmonellenverdacht laut. Wie sich nachher herausstellte, war diese Meldung nicht haltbar. Wir hatten die Situation, dass eine öffentliche Untersuchungsstelle „Befund negativ“ gemeldet hatte und ein Wettbewerber nachher sagte, aber da ist doch etwas drin. Und irgendwo am Rande hatte er nicht ganz Unrecht.

Das Schlimme ist also, dass auch in solchen Fällen die öffentlichen Stellen nicht besser sind als die privaten. Das ist nirgends nachgewiesen. Absolute Sicherheit gibt es bei Lebensmitteln nie. Auf der anderen Seite haben wir in Deutschland Kontrollsysteme, die so perfekt sind wie nirgends sonst. Wenn wir auf der einen Seite Lebensmittel aus der EU und aus vielen anderen Ländern sehr gern verzehren und dort möglicherweise die Lebensmittelkontrollen bei weitem nicht so sind wie bei uns, dann können wir uns auf der anderen Seite nicht beklagen, wenn unsere Lebensmittel im Ausland nicht konkurrenzfähig sind. Wenn wir über Subventionen reden, die ich im Prinzip nicht schätze, dann sollten wir uns überlegen, ob es derartige Subventionen auch in anderen Ländern gibt und ob wir vielleicht gegenüber den USA völlig schief liegen und auf dem Weltmarkt hinten herunterfallen.

Wenn beispielsweise Krankheiten wie BSE oder Seuchen ausbrechen, ist es selbstverständlich, dass wir vorrangig informiert werden. Wir sollten aber auf der anderen Seite alles vermeiden, was eine Verbraucherhysterie schürt. Wir brauchen keine Chemikalien zu Hause, in der Küche oder im Kinderzimmer. Wir leben gesund genug und sollten das nicht auf die Spitze treiben.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Rumpf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Lebensmittelsicherheit steht wieder einmal auf der Tagesordnung. Ich erinnere mich daran, als wir vor eineinhalb Jahren auf dem Höhepunkt der BSEKrise waren, hat es merkwürdige Blüten getrieben. Da hat ein Kolumnist in einer Tageszeitung geschrieben, alles hinge mit unseren Ernährungsgewohnheiten zusammen und wir sollten uns darauf besinnen, uns vielleicht mehr daran zu orientieren, was unsere Vorfahren im Mittelalter gegessen haben. Unsere Vorfahren im Mittelalter, rachitisch und rheumagebeugt, werden sich bedanken.

(Beifall bei der FDP)

Eines sollten wir festhalten und deswegen bitte ich, wie Herr Rutter es auch schon angedeutet hat, bei diesem Thema um ein bisschen mehr Ruhe und Sachlichkeit.

(Christian Maaß GAL: Oder mehr Geld!)

Noch nie sind in Europa so viele Menschen so gesund und so alt geworden wie heute. Das ist gut so und das soll so bleiben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Gerade deswegen sind gesunde und sichere Lebensmittel natürlich vitales Interesse aller, aber auch und gerade der Landwirte. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob es sich um Öko- oder Nicht-Öko-Landwirte handelt. Sie haben alle das gleiche Interesse wie die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Lande. Sie wollen, dass gesunde Lebensmittel hergestellt werden, die mit Genuss und ohne Reue gegessen werden können. Nicht die Agrarwende ist daher das Thema, sondern die Weiterentwicklung der Landwirtschaft im Ganzen, die Produktion gesunder Lebensmittel, die von allen Bürgerinnen und Bürgern bezahlt werden können, die gesunde und abwechslungsreiche Ernährung, die Erkrankungen durch falsche Ernährung verhindert, die Förderung einer Landbewirtschaftung, die das Prinzip der Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Pflege der Kulturlandschaft berücksichtigt, und die artgerechte Tierhaltung und Tierernährung aller Tiere, auch EU-weit.

Der Ökolandbau hat dabei seinen eigenen Stellenwert, weil seine Produkte einen Markt haben. Aber auch er leistet aus sich selbst heraus keinen Beitrag zur BSE-Bekämpfung. Deshalb gehört der Schutz unserer eigenen Betriebe in Hamburg vor künstlichen Wettbewerbsverzerrungen zu den wichtigsten Maßnahmen bei der Herstellung von Lebensmittelsicherheit.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen schlussendlich selbst in eigener Verantwortung entscheiden, was sie essen. Niemand kann ihnen diese Entscheidung abnehmen, auch nicht die Regierung durch Erklärungen, was sicher sei und was nicht, denn das hat in letzter Zeit öfter zu Fehlentwicklungen geführt.

Um dort hinzukommen – das ist mir bislang zu wenig zur Sprache gekommen –, brauchen wir vor allen Dingen ein verstärktes Wissen. Dieses bekommen wir nur durch verstärkte Investitionen in die Forschung, in die Erforschung der Übertragungswege und die Entwicklung von Tests an lebenden Tieren. Wir wissen im Moment viel zu wenig über BSE, in jedem Fall nicht genug, um die Ausbreitung der Krankheit gezielt unterbinden zu können. Wir wissen nichts über die Übertragungswege. Daher müssen intensive Anstrengungen unternommen werden, diese Erkrankung und den genauen Weg ihrer Entstehung zu erforschen.

Das fällt bei einer ideologisch begründeten Ablehnung von Gentechnik und agrarwissenschaftlicher Forschung natürlich ein bisschen schwer, sodass dann letztendlich nur noch chemische Tests verbleiben. Die können zurzeit keine hundertprozentige Sicherheit gewährleisten, egal ob sie von privaten oder öffentlichen Instituten geleistet werden.

In diesem entscheidenden letzten Punkt in der Forschung versagen Sie auch mit Ihrem heutigen Antrag und den Beschwörungsformeln der Agrarwende als Allheilmittel.

Wichtigste Voraussetzung, um die Verbreitung einer weitgehend unbekannten Erkrankung zu verhindern, ist die Erforschung ihrer Ausbreitungswege und die Entwicklung von Tests am lebenden Tier. Das hatte ich schon gesagt. In Deutschland ist darüber praktisch nie geforscht worden. Seit 1993 wurden für die BSE-Forschung zusammen gerade einmal 15 Millionen DM ausgegeben. Das ist weniger als die Folgekosten eines BSE-Falles. Da hat sich die alte Bundesregierung – räume ich ein – nicht gerade mit Ruhm bekleckert, die neue rotgrüne aber auch nicht.

Das immerhin rotgrün regierte Land Schleswig-Holstein mit seinem vergleichsweise hohen Rinderbestand von 1,4 Millionen Rindern bei 2,8 Millionen Menschen hat zum

(Rolf Gerhard Rutter Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Beispiel keinerlei Anstrengungen unternommen, an der Erforschung von BSE mitzuwirken, obwohl es eine herausragende agrarwissenschaftliche Fakultät hat. Statt der Einrichtung eines Lehrstuhls für Ökolandbau wäre ein genetisch orientierter Lehrstuhl gerade in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit sehr viel zukunftsweisender gewesen.

Hier ergeben sich echte Ansatzpunkte für die Hamburger Politik und die Schwerpunktsetzung der neuen Regierung im Bereich Bildung und Forschung. Wissen ist der erste und wichtigste Schritt zu mehr Sicherheit im Lebensmittelbereich. Den Schritt sollten wir tun, bevor wir uns blind in agrarpolitische Abenteuer stürzen und damit der gesamten deutschen Landwirtschaft nachhaltig schaden. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es reizt mich nun doch, mich noch einmal in die Debatte einzumischen.

(Dr. Michael Freytag CDU: Das war zu befürchten!)

Herr Rumpf, genau darum geht es, was Sie zum Schluss gesagt haben: Wissen ist das Einzige, was uns schützt, ebenso Transparenz für die Verbraucherinnen und für die Verbraucher. Was Sie und Ihr Vorredner der Koalitionsmitfraktion hier gesagt haben, bleibt weit hinter dem zurück, was der Bauernverband einfordert und was die Landwirtschaftskammer und der Gartenbauverband Nord in dieser Stadt diskutieren. Sie sind mit Ihren beiden Beiträgen wirklich jenseits der Debatte.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das ist bedauerlich, weil Sie sich jetzt neu auf die Fahnen geschrieben haben, Sie wollen beim Thema Verbraucherschutz vorangehen. Vielleicht wäre es sinnvoll, sich im Ausschuss mit Landwirtschaftskammer und Bauernverband zusammenzusetzen und darüber zu reden, was aus deren Sicht sinnvoll ist, um die Agrarkrise zu bewältigen, um den Einbruch bei der konventionellen Landwirtschaft wenigstens annähernd ausgleichen zu können, um das Verbrauchervertrauen zurückzugewinnen. Es sollte eine Debatte über Transparenz, Information und Offenheit gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern geführt werden.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 17/319 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 7, Drucksache 17/308: Antrag des Senats, Entwurf eines Gesetzes zum Erhalt und zur Stärkung des Luftfahrtindustriestandorts Hamburg.

[Senatsantrag: Entwurf eines Gesetzes zum Erhalt und zur Stärkung des Luftfahrtindustriestandortes Hamburg – Drucksache 17/308 –]

Die SPD-Fraktion beantragt eine Überweisung dieser Drucksache an den Wirtschaftsausschuss. Die GAL-Fraktion möchte die Drucksache zusätzlich zur Mitberatung an den Rechtsausschuss und an den Umweltausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Senator Uldall wünscht und bekommt das Wort.