Seit April dieses Jahres erhält jedes Kind berufstätiger Eltern auf Wunsch einen Kita-Platz und ab nächstem Jahr kann jedes Kind im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt, unabhängig von der Berufstätigkeit der Eltern, einen fünfstündigen Kindergartenplatz mit Mittagessen bekommen und das ist Inhalt des im April beschlossenen sogenannten KibeG. Das KibeG ergänzt außerdem ab
August 2006 die politische Betreuungsgarantie für Kinder berufstätiger Eltern um den korrespondierenden subjektiven Rechtsanspruch und das ist gut so im Interesse der Kinder, im Interesse der Eltern und im Interesse der Stadt.
Wir sprechen heute über ein Einführungsgesetz zum KibeG, weil wir die Finanzierung dieser neuen Ansprüche langfristig sichern möchten. Zum einen entstehen durch das KibeG Kosten für die Betreuung zusätzlicher Kinder, vor allen Dingen im teuren Krippenbereich, zum anderen gilt es, die Kindertagesbetreuung verlässlich zu gestalten. Junge Familien sollen ihre Lebensplanungen auf gegebenen Betreuungszusagen aufbauen können. Ein Reinin-die-Kartoffeln/Raus-aus-den-Kartoffeln wie in der Vergangenheit darf es nicht wieder geben.
Deswegen wollen wir die Ausstattungsstandards auf einem Niveau vereinbaren, das wir langfristig durchhalten, auch dann übrigens, wenn die Nachfrage einmal anders sein sollte.
(Flugblätter und Wattebausche werden von der ersten Bürgerschaftsloge in den Plenarsaal gewor- fen und Beifall auf der oberen Zuhörertribüne. – Glocke)
Meine Damen und Herren! Ich unterbreche die Sitzung, die Sitzung ist gestört. Ich bitte die anwesenden Polizeibeamten, die Störer von der Loge zu entfernen und die Personalien festzustellen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich war unterbrochen worden, als ich die Frage stellen wollte, welche Situation wir heute vorfinden.
Hamburg nimmt mit seinem hohen Versorgungsgrad und seinen Ausgaben für Kindertagesbetreuung im Bundesvergleich eine Spitzenstellung ein
und das sagt uns zweierlei. Erstens investiert Hamburg, auch wenn bisweilen das Gegenteil behauptet wird, sehr viel in seine Kinder. Es sagt uns aber auch, dass wir zu teuer sind und zu viel Geld ausgegeben wird.
Letzteres wird verstärkt, wenn wir die 40 Millionen Euro hinzunehmen, die die Einführung des Kita-Gutscheinsystems gekostet hat, ohne dass ein Kind mehr untergebracht wurde.
Eines ist ebenso klar. Eine qualitative Spitzenstellung Hamburgs ist nur aufrechtzuerhalten, wenn der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit konsequent eingehalten wird. Die Zeit, in der die beste Sozialpolitik die war, die mehr Stellen geschaffen, mehr angeblich unabweisbare Aufgaben des Staates definiert und immer mehr Geld eingeworben hat, ist vorbei. Jeder Euro, den wir in die Kindertagesbetreuung oder auch in einen anderen Leistungsbereich stecken, muss erst verdient werden. Ausufernde staatliche Transferleistungen führen zu überhöhter Staatsquote und gefährden die öffentlichen Haushalte und damit gerade die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens, die erforderlich ist, um soziale Leistungen zu finanzieren.
Dieser Zusammenhang dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Zu teure Sozialpolitik sägt den Ast ab, auf dem sie sitzt. Daher achtet verantwortliche Sozialpolitik heutzutage selbst darauf, dass die Kosten ihrer Maßnahmen angemessen sind.
(Beifall bei der CDU – Bernd Reinert CDU: Das hat sich bis zur SPD in Hamburg noch nicht rum- gesprochen!)
Genau aus diesem Grund müssen wir die Kosten pro Kind zum einen durch eine möglichst effiziente Nutzung der vorhandenen Plätze, zum anderen durch maßvolle Standardveränderungen senken. Wenn dem entgegengehalten wird, die Betreuung zusätzlicher Kinder gehe zulasten der Kinder, die bereits im System seien, so kann ich damit leben. Ich finde es gerechter, mehr Kinder zu etwas abgesenkten Bedingungen zu betreuen, als eine geringere Zahl zu schützen und andere außen vor zu lassen.
(Dr. Andrea Hilgers SPD: Stapeln Sie sie doch! – Martina Gregersen GAL wirft mit den noch im Ple- narsaal befindlichen Flugblättern – Glocke)
(fortfahrend) : Damit das ganz klar ist: Die Qualität in Hamburger Kindertageseinrichtungen muss durch dies alles nicht schlechter werden. Zwar ist unbestritten, dass mehr Personal möglicherweise zu mehr Qualität führt, aber genauso unbestritten ist es, dass Qualität in der Kindertagesbetreuung auch von anderen bedeutsamen Faktoren abhängt und nicht nur vom Personalschlüssel.
Zudem bin ich davon überzeugt, dass eine maßvolle Absenkung der Ressourcenausstattung zum Beispiel durch größere Anreize zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung, durch zusätzliches Engagement oder auch durch eine veränderte Arbeitshaltung aufgefangen werden kann. Wir brauchen einen Wandel im Anspruchsdenken hin zum Denken, was wir uns leisten können, und hin zu Kostenbewusstsein.
Erziehung ist nicht primär Aufgabe des Staates, sondern der Familie. Ich sage das angesichts mancher fachlichen
Verlautbarungen, bei der man den Eindruck gewinnen kann, das Großziehen von Kindern sollte am besten ab dem Krippenalter kollektiviert werden.
Gewiss werden wir auch Kindern aus sozial benachteiligten Verhältnissen helfen. Die Frage ist nur, was wirklich verantwortungsbewusste Hilfe ist. Sicher wird das in erster Linie sein, dazu beizutragen, einen Arbeitsplatz zu finden und die familiären Hilfen zu verbessern. Das hier weiter auszuführen, würde den Rahmen sprengen. Ich will deswegen nur darauf hinweisen, dass die Bildungschancen gerade sozial benachteiligter Kinder erhöht werden. Dafür haben wir in Zukunft das Fünf-StundenAngebot im Elementarbereich, das jedes Kind, unabhängig von der Berufstätigkeit seiner Eltern, wahrnehmen kann. Und Kinder brauchen Eltern und Erwachsene, die ihnen vorleben, dass jeder Mensch ein gutes Stück für sich selbst verantwortlich ist, dass nicht jedes Problem durch andere verursacht wird und dass das Leben im Gemeinwesen nicht nur aus Nehmen, sondern auch aus Geben besteht.
Sie brauchen nicht Beliebigkeit, sondern Regeln, nicht Nachlässigkeit, sondern Konsequenz, sie brauchen Leit- und Vorbilder. Der in der Kindertagesbetreuung praktizierte Situationsansatz zum Beispiel ist in seiner Kerneinsicht richtig, dass Kinder im Vorschulalter situationsbezogen lernen sollen. Die Förderaktivität soll an spontane Interessen der Kinder geknüpft werden. Insofern gestalten Kinder ihren Bildungsplan mit – so weit, so gut. Man muss aber aufpassen, dass das Eingehen auf die Interessen der Kinder nicht umschlägt in Beliebigkeit der Aktivitäten und Ziele.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Diskussion über Bildungsempfehlungen für Kitas. Diese Diskussion wird manchmal so verkürzt, als ob es Hauptzweck der Bildungsempfehlung sei, hierüber Fortbildungsveranstaltungen für Erziehungskräfte zu veranstalten. Das zeigt, was ich mit einer notwendigen Änderung von Einstellungen meine. Hauptzweck von Bildungsempfehlungen muss es meines Erachtens sein, die Aufmerksamkeit aller darauf zu richten, welche Entwicklung Kinder bei Eintritt in die Grundschule durchlaufen haben sollen. Es geht in erster Linie um die Kinder, nicht um die Beschäftigten in den Einrichtungen.
Nach dieser Prämisse gestalten wir unsere Kita-Politik und darüber verhandeln wir. Ich betone: Standardabsenkungen wollen wir nicht verordnen, sondern in Verhandlungen erreichen, aber eines ist auch klar: Ich werde keiner Vereinbarung zustimmen, die nicht zu einer Verringerung der Kita-Kosten pro Kind führt.
Was machen wir, wenn wir nun zum Jahresende keine Vereinbarung haben, wobei ich nicht davon ausgehe? Die Kinder werden weiter betreut. Es wäre ein aberwitziger Gedanke, sie nach Hause zu schicken. Und in dieser Situation erlaubt das Einführungsgesetz, insbesondere die Personalschlüssel durch Verordnung festzulegen. Wir sind zu dieser gesetzlichen Regelung berechtigt. Andere Bundesländer – Herr Weinberg hat es gesagt – regeln ihre Personalschlüssel auch in Verordnungen. Die gegen
teilige Rechtsauffassung, die besagt, der öffentliche Träger der Jugendhilfe sei gezwungen, Vereinbarungen abzuschließen, und zwar zu den Bedingungen der Freien Träger und Verbände – dabei ist der öffentliche Träger Verpflichteter der gesetzlichen Ansprüche und zum überwiegenden Teil Träger der Finanzierung –, eine Rechtsauffassung, die die Vertragsfreiheit zwar den Verbänden, nicht aber der öffentlichen Hand zubilligt, ist, ganz abgesehen von der rechtlichen Bewertung, ausgesprochen undemokratisch. Sie bedeutet nämlich, dass über den Einsatz von Steuermitteln faktisch nicht die demokratisch legitimierten Organe, nämlich das Parlament, die Regierung, sondern in letzter Instanz Vertreter von Partikularinteressen entscheiden. Sie bedeutet weiterhin, dass wir die Eltern und die Stadt dem Preisdiktat der Träger unterwerfen würden
Dann höre ich gelegentlich den Vorwurf, wir wollten die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Trägern und Verbänden aufgeben; das beabsichtigen wir selbstverständlich nicht.