Protokoll der Sitzung vom 27.10.2004

Erstens: Wir wollen nach wie vor, dass beide Seiten über die Verhandlungswege zueinander finden.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Euch glaube ich das!)

Zweitens: Das Einführungsgesetz schafft den Rahmen, den wir dringend brauchen, um dieses Magengeschwür von der Stadt abzuwenden.

Drittens: Im Notfall wird es eine Rechtsverordnung geben und die Ausgestaltung dieser Rechtsverordnung ist zur Zeit noch offen. Aus diesem Grunde werden wir dem Einführungsgesetz heute zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Blömeke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Weinberg, um eine gute KitaBetreuung zur Verfügung zu stellen, reicht das Interesse alleine nicht aus, man muss es auch tun. Ich möchte – Ihr Vortrag war ja sehr lang,

(Bernd Reinert CDU: Er war nicht nur lang, er war auch gut!)

wir können uns gerne noch einzeln darüber unterhalten – an einigen Stellen widersprechen. Er war für mich in vielen Punkten nicht schlüssig, aber ich möchte mit einigen Sachen ein bisschen aufräumen. Zwar haben Sie gesagt, wir hätten dem Gutscheinsystem nicht zugestimmt. Das ist so nicht richtig, denn die GAL und auch die SPD haben dieses Gutscheinsystem als nachfrageorientiertes System immer begrüßt. Aber die Art und Weise, wie man es umsetzt, war unser Problem und es hat sich auch bewiesen, dass wir dieses Problem richtig gesehen haben.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Herr Weinberg, Sie haben gesagt, es gehe um das finanzielle Überleben in dieser Stadt und die Finanzierbarkeit müsse gewährleistet bleiben. Das steht aber doch in einem direkten Widerspruch zu dem, dass Sie sagen, Sie wollten die Qualitätsstandards erhalten und ausbauen. Es muss auch für Sie einleuchtend sein, dass dieses Mehr an Qualität, dieses Mehr an Leistung und dieses Mehr an Kindern, die wir zusätzlich betreuen wollen, etwas kostet. Es geht hier keineswegs darum, dass die Kita-Träger nicht eingesehen haben, dass sie sich irgendwo bewegen

müssen. Das wurde eingesehen und Sie haben aus den Verhandlungen zitiert; dort gibt es Bewegungen. Es geht hier um die Art und Weise, wie Sie damit umgehen – ich komme gleich noch näher darauf zu sprechen –, denn das Einführungsgesetz ist sicherlich nicht die richtige Art und Weise, wie man damit umgeht.

Frau Hilgers ist gerade nicht da, dann nehmen Sie das entgegen, Herr Neumann: Es ging mir um die Finanzierung. Frau Hilgers kritisierte die GAL, dass wir noch keine Aussagen zur Finanzierung gemacht hätten. Wir machen die Aussagen erst dann, wenn wir auch wissen, wo wir das Geld aus dem Haushalt hernehmen. Ihre ewigen Beteuerungen zu Hartz-IV-Geldern und zur Grundsteuer sind zwar schön, aber dann sagen Sie uns bitte auch – dieses Geld ist schon im Haushalt eingestellt –, wo Sie es dort hernehmen.

(Beifall bei der GAL – Michael Neumann SPD: Doch wir nicht! Wir halten zur Rotgrün in Berlin!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Bürgermeister ist nicht anwesend. Denken Sie ihn sich bitte einfach dort auf den Platz.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Der Bürgermeister ist in Neuenfelde! – Karl-Heinz Warnholz CDU: Sie wissen doch genau, wo er ist!)

Regen Sie sich nicht so auf, ich kritisiere das doch gar nicht, ich stelle nur fest, dass der Bürgermeister nicht da ist.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Das Wort hat die Abgeordnete Blömeke.

Ich kann mich auch über das Protokoll mit dem Bürgermeister unterhalten.

(Michael Neumann SPD: Der liest das bestimmt immer!)

Sie werden gleich verstehen, warum ich das gesagt habe. Ich möchte nämlich aus der Regierungserklärung von Ole von Beust zitieren.

"Um die Kindertagesbetreuung zu verbessern, und das will ich, müssen wir weitere mutige Schritte gehen. Das Ziel muss aber sein, in Hamburg eine vorbildliche Kinderbetreuung zu schaffen, die neue Maßstäbe für die ganze Bundesrepublik Deutschland setzt. Das ist unser Ziel und das werden wir erreichen."

Zitat Ole von Beust vom 31. März 2004.

Herr Bürgermeister, auch wenn Sie nicht anwesend sind: Wir stehen heute vor einem Scherbenhaufen Ihrer politischen Versprechen.

(Olaf Böttger CDU: Ne, vor der Steuerschätzung 2005 vom Mai!)

Sie wollen eine wachsende Stadt, Sie wollen eine familienfreundliche Stadt, Sie wollen die erschreckenden PISAErgebnisse verbessern. Und was tun Sie für diese Ziele?

(Zurufe von der CDU: Alles!)

Nichts! Sie schweigen, wenn die Sozialbehörde jahrzehntelange Traditionen des partnerschaftlichen Miteinanders zwischen den Kita-Trägern auf der einen Seite

und der Stadt auf der anderen Seite verlässt. Sie schweigen, wenn die Sozialbehörde durch ein Einsparvolumen von mehr als 80 Millionen Euro die Kindertagesbetreuung nur noch aufs Naseputzen reduziert. Sie schweigen still, wenn hier ein Einführungsgesetz verabschiedet wird, das für Eltern und Stadt ein Maximum an Rechtsunsicherheit birgt, und da widerspreche ich Ihnen ganz energisch, Herr Weinberg. Ich werde nachher noch auf den Punkt kommen, wo die Rechtsunsicherheit liegt.

Damit, Herr Bürgermeister, haben Sie zusammen mit der Sozialsenatorin Frau Schnieber-Jastram dafür gesorgt, dass die Kindertagesbetreuung nicht nur an die Wand, sondern bis in den tiefsten Keller gefahren wird. Doch in einem Punkt haben Sie Ihr Ziel erreicht, Herr Bürgermeister. Mit der geplanten Verabschiedung des Einführungsgesetzes setzen Sie neue Maßstäbe.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Geisterdebatte hier! Unglaublich!)

In keinem anderen deutschen Bundesland – Herr Weinberg, da sind meine Informationen anders – benötigt eine Regierung ein solches rechtliches Druckmittel, um sich für die Verhandlungen mit Kita-Trägern zu rüsten. Wovor haben Sie eigentlich Angst, Frau Senatorin?

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Frau Bürgermeisterin heißt das!)

Ich rede über ein Thema des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses und sage deshalb, Frau Senatorin:

(Wolfgang Beuß CDU: Na toll!)

Jahrzehntelang haben es Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger jedenfalls immer geschafft, sich mit den Kita-Trägern auch ohne ein solches Gesetz zu einigen. Vielleicht benötigen Sie ja den Rückhalt eines solchen Gesetzes, weil Sie selber an der gesellschaftlichen Verträglichkeit von Einsparungen in dieser Größenordnung Zweifel haben, und wer zweifelt, Frau Senatorin, ist ein schwacher Verhandlungspartner.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Als öffentliche Rechtfertigung wollen Sie uns allerdings weismachen, dass ein solches Gesetz notwendig sei, um Verlässlichkeit und Rechtssicherheit herzustellen, das Gegenteil ist aber der Fall. Dieses Gesetz erzeugt ein Spinngewebe an Widersprüchen und stürzt Stadt, Eltern und Kita-Träger in einen Zustand der Rechtsunsicherheit. Per Rechtsverordnung wollen Sie die städtischen Kosten für die Kindertagesbetreuung reduzieren. Zwei kritische Gutachten werden ignoriert, ein drittes, endlich etwas passenderes Gutachten, zeigt Ihnen die Möglichkeiten auf, über die Kita-Träger die Finanzierungslücke – und jetzt kommt es – durch die Eltern zu schließen. Klartext: Die Eltern müssen mehr bezahlen. Frau Senatorin, das ist familienfeindlich, doch nicht nur das. Es birgt ebenfalls die Frage der rechtlichen Zulässigkeit, da alle jetzigen Kita-Gutscheine ihre Gültigkeit behalten und eine nachträgliche Änderung der Finanzierung mit Sicherheit zahlreichen Eltern Klagemöglichkeiten eröffnet.

Darüber hinaus belasten Sie mit einer solchen Regelung natürlich mal wieder die Familien, deren Einkommen gering ist, denn diese laufen Gefahr, einen Kita-Platz nicht mehr bezahlen zu können. Auch hier ist mit Klagen zu rechnen, weil auch einkommensschwache Eltern natürlich ein Recht auf Kita-Plätze haben, die sie mit einer für sie verträglichen Finanzierung auch bezahlen können.

Meine Damen und Herren! Machen Sie sich bitte klar, dass verständlicherweise auch Kita-Träger nicht hinnehmen werden, dass sie durch ein solches Gesetz zu Befehlsempfängern degradiert werden. Sie wehren sich gegen eine Verletzung des Vereinbarungsprinzips und gegen Verordnungen, die ihnen vorschreiben, mit welcher Personalausstattung, mit welcher Gruppengröße und mit welcher Raumgröße sie ihre Arbeit zu tun haben und sie wehren sich zusammen mit tausenden von Eltern – wir hatten gestern das beste Beispiel – gegen eine Kinderbetreuung, in der Bildung und Förderung nicht mehr als geschriebene Worte sind. Diese Welle von Klagen, die gerichtliche Auseinandersetzung um die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Gesetzes, die Sorgen der Eltern um die Qualität der Betreuung und die Ängste der zahlreichen Erzieherinnen und Hauswirtschaftskräfte um ihren Arbeitsplatz haben Sie, Frau Senatorin, und auch der abwesende Herr Bürgermeister zu verantworten.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Frau Senatorin ist auch Bürgermeisterin!)

War das das Ziel, das Herr Ole von Beust erreichen wollte?

Aber an dieser Stelle, Herr Weinberg, nehme ich auch die CDU-Fraktion in die Verantwortung, denn Sie tragen mit Ihrer angekündigten Zustimmung zu diesem Gesetz ebenso viel dazu bei. Sie entscheiden sich mit Ihrer Zustimmung, die Rechtsunsicherheit für Stadt, Eltern und Träger in Kauf zu nehmen. Sie entscheiden sich, die Kindertagesbetreuung in das finanzielle Korsett der Stadt zu pressen, anstatt fachpolitische Ziele zu definieren; das war eben auch wieder mehr als dürftig. Sie läuten mit Ihrer Zustimmung zum Einführungsgesetz eine neue Phase der Kindertagesbetreuung ein, eine Phase, in der Juristen über die Zukunft Hamburger Kitas entscheiden und in der die Behörde durch hoheitlichen Einfluss Verhandlungen zu ihren Gunsten entscheiden will.

Liebe Abgeordnete der CDU-Fraktion! Ich wünsche mir, dass Sie die nötige Courage haben, zu Ihren jüngst geäußerten Worten zu stehen und dass Sie die nötige Stärke haben, Einfluss auf die Entscheidungen Ihrer Behörde zu nehmen. Ich lasse mich auch gerne positiv überraschen; Sie tragen die Verantwortung.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat die Zweite Bürgermeisterin Frau Schnieber-Jastram.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beraten heute erneut über das Einführungsgesetz zum Kinderbetreuungsgesetz, das sich in die konsequenten Schritte zu einer neuen Kindertagesbetreuung in Hamburg einreiht. Wofür benötigen wir dieses Gesetz?

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja, gute Frage!)