Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

(Beifall bei der CDU)

Ist das jetzt die klare, inhaltlich pädagogische Linie, die Sie beim Schulentwicklungsplan immer einfordern?

Sie fordern auch "Kurze Beine – kurze Wege". Es wird Ihnen vielleicht nicht entgangen sein, dass die Bildungsbehörde zum Beispiel in den Vier- und Marschlanden nicht eine einzige Schule zur Schließung vorgeschlagen hat, obwohl wir dort viele sehr kleine Grundschulen haben. Wir nehmen nämlich das Thema der kurzen Schulwege sehr ernst, Herr Buss. Die GAL hingegen fordert überall große Einheitsschulen mit den Klassen 1 bis 9. Alle bestehenden Schulen sollen nach ihrem Papier zu Gemeinschaftsschulen mit den Klassen 1 bis 9 zusammenwachsen. Weshalb sagen Sie nicht ehrlich, dass wir dafür deutlich mehr Schulen schließen müssten als jetzt vorgeschlagen? Weshalb sagen Sie nicht ehrlich, dass das noch viel längere Schulwege zur Folge hätte? Weshalb benennen Sie nicht die Standorte, die Sie dafür konkret im Auge haben?

Liebe Opposition, sagen Sie den Bürgern, was Sie konkret planen,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das tut doch weh!)

haben Sie den Mut, verlassen Sie die inhaltslose Rhetorik – ich komme zum Schluss – und geben Sie endlich "Butter bei die Fische". – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Goetsch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, wenn Sie noch weiter so über die Einheitsschule reden, dann treten Sie langsam in die Fußstapfen Ihrer Senatorin mit der SED-Einheitsschule und haben leider immer noch nicht verstanden, was wir hier eigentlich wollen.

(Beifall bei der GAL – Frank-Thorsten Schira CDU: Sagen Sie das doch!)

Die Debatte zeigt uns eindeutig, dass wir in der Stadt über einen Schulschließungsplan und nicht über einen Schulentwicklungsplan sprechen. Das ist genau das Problem, das wir haben. Frau Senatorin hat gestern Abend öffentlich zugegeben, dass sie den Standortplan von einer Qualitätsentwicklung trennen will. Das war gestern sozusagen der Offenbarungseid beim "Abendblatt-Forum". Sie hat uns einen Schließungsplan vorgelegt, der rein technokratisch ist – das haben Sie eben wieder unterstützt, Herr Heinemann –, sich nach Zügigkeit und nach Schulgrößen richtet und qualitative Fragen total auslässt. Herr Bos hat in der Schulausschusssitzung eindeutig gesagt, er empfiehlt uns, das nicht außen vor zu lassen, nicht ausschließlich, aber die KESS-Studie eigne sich, es mit einzubeziehen. Das war der Originalton.

Aber was Sie gestern an den Tag gelegt haben, Frau Senatorin, und Sie als CDU-Vertreter, war eine reine Bankrotterklärung, weil Standort und Qualität zusammengehören. Das Hauptproblem ist, dass Ihnen ein Gesamtleitbild fehlt. Deshalb kommen Sie in diese seltsame Situation, wie gestern zum Beispiel bei Argumentationen immer hinterherhecheln zu müssen, die Investitionen oder die Stadtentwicklung nicht mit einbezogen zu haben. Dann bringen Sie solche Klopfer wie die Schule Rönnkamp, die Sie jetzt dicht machen wollen, obwohl gerade 11 Millionen Euro in sie investiert wurden und sie energiewirtschaftlich auf dem besten ökologischen Stand und barrierefrei ist. Wenn das nicht verpulvertes Steuergeld ist? Ich frage mich, wer da eigentlich wie gearbeitet hat.

(Beifall bei der GAL)

Leider bestätigt sich das, was wir seit drei Jahren kennen: In der Schulbehörde weiß die linke Hand nicht, was die rechte macht, und umgekehrt, es wird nämlich erst gehandelt und dann nachgedacht.

Das Leitbild stimmt nicht mit dem Gesamtleitbild überein. Deshalb wird eine Grundschule dichtgemacht, obwohl zum Beispiel über 90 Prozent der Schüler zu Fuß kommen. Vor vier Wochen wurde diese Schule in Iserbrook von Senator Freytag als "tolle" Schule ausgezeichnet und jetzt wollen Sie wieder das "Mama-Taxi" und diese Schule zumachen. Mit wem haben Sie da eigentlich kommuniziert, frage ich mich hier.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Sie sagten, Standort und Qualität gehörten nicht zusammen. Auch das ist eine irrwitzige Widersprüchlichkeit: Sie ließen vor vier Wochen durch eine Jury Schulen aussuchen, Frau Senatorin, sich beim Wettbewerb Club of Rome zu bewerben. Vier Wochen später heißt es, diese Schule solle zugemacht werden. Herr Heinemann sagte, man wollte erst wissen, wie der Schulentwicklungsplan aussähe und dann die Ganztagsschulen verteilen. Sie haben aber bestehende Ganztagsschulen mit Mittagstisch ausgebaut und mit Angeboten versehen – beispielsweise eine Stadtteilschule, die von der ZEIT-Stiftung gefördert wird – und wollen sie zumachen. Das verstehe ich nicht. Sie haben kein Gesamtleitbild, wie die GAL es vorgelegt hat.

(Lachen bei Robert Heinemann CDU)

Wir haben ein Leitbild.

Ich will ganz kurz etwas zu den Oberstufen sagen. Herr Heinemann, Sie haben es immer noch nicht begriffen, ich

habe ausführlich erläutert, dass wir entscheiden müssen. Sie haben sich ja heute entschieden, wie man dem "Hamburger Abendblatt" entnehmen kann, Sie wollen die gymnasialen Oberstufen wieder in die Sechzigerjahre zurückführen und Klassenlehrerverbände einrichten. Na schön, das ist eine moderne Schulentwicklung.

Es gibt zwar die Möglichkeit, die kleinen Gymnasien bestehen zu lassen. Sie können dann aber keine eigene Oberstufe bilden, das wissen Sie genauso wie ich. Die Otto-Hahn-Schule haben wir als Beispiel aufgeführt, weil es eine einzügige Schule ist, die keine Oberstufe bilden kann. Das haben wir deutlich gesagt. Man könnte aber prüfen, ob sie eine Profiloberstufe macht, aber nicht das ganze Drumherum, was eine gymnasiale Oberstufe eigentlich braucht.

Das ist immer noch nicht begriffen worden. Wir leisten uns in Hamburg den Luxus, 86 gymnasiale Oberstufen zu haben, von denen 52 zu klein sind. Da muss zusammengelegt werden. Sie würden dabei mehr sparen, als wenn Sie die kleinen Grundschulen schließen, was letztendlich wieder gefährlichere Wege für die Kinder bedeutet.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Noch ein Wort zum Verfahren. Sie hinken immer hinterher und jetzt fahren Sie überall herum und versuchen zu erläutern, warum die oder die Schule geschlossen werden soll. Angeblich haben Sie hier das beste Verfahren der Welt gewählt. Nein, das haben Sie nicht. Sie haben es im Grunde genommen so wie immer gemacht: Die Schulbehörde macht einen Vorschlag, alle dürfen sich äußern. Dann habe Sie ein zweites Verfahren einbezogen und sonst hat sich nichts geändert. Die GAL hat ein moderiertes Verfahren vorgeschlagen, indem erst die Leute einbezogen und beteiligt werden, und dann wird entschieden und nicht umgekehrt. So haben Sie die ganze Gemeinde vor den Kopf gestoßen, anstatt vernünftig mit Beteiligung ein Konzept vorzulegen. Insofern ist es für die Eltern überhaupt nicht verständlich.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Glocke)

Ich komme zum Schluss.

Frau Senatorin hat gestern auch noch gesagt, die Lehrer könne man umsetzen, aber die Gebäude nicht. Eine Schulentwicklungsplanung haben Sie, Frau Senatorin, anscheinend noch nie persönlich mitgemacht.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn Sie davon Ahnung hätten, dann wüssten Sie, dass eine Schule eine lernende Organisation ist.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist weit überschritten.

Da kann man nicht einfach sagen, die Idee wird weitergetragen. So geht das nicht. Da sollten Sie sich besser beraten lassen oder vielleicht auch einmal vor Ort sein. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senatorin Dinges-Dierig.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Opposition kritisiert wieder mit groben Rundumschlägen und ohne leider konkrete themenbezogene Argumentation.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Wenn Sie gelangweilt sind, wenn Sie keine Lust haben!)

Dabei wissen Sie, wie wir alle hier im Hause, dass ein Schulentwicklungsplan im Sinne einer Schulstandortplanung schlankere Strukturen, pädagogisch und ökonomisch effizientere Einheiten schaffen muss. Das war auch Ihre Ansage.

Ich bin Ihnen dankbar dafür, Herr Heinemann, dass Sie den Beweis für die unehrliche Argumentation der Opposition anhand von SPD-Papieren und der Aussagen des gestrigen Abends deutlich gezeigt haben.

(Beifall bei der CDU und Bravo-Rufe und Zurufe von Thomas Böwer SPD)

Wenn wir schon von Schulprofilen und Schulformprofilen reden und diese auch verwirklichen wollen, Frau Goetsch, dann verstehe ich nun wirklich nicht, warum Sie mit einer Schließung von dutzenden von Gymnasien und durch Zerstörung gerade des gymnasialen Profils – das nämlich von 5 bis 12 oder 5 bis 13 läuft – Rumpfgymnasien und übergroße Oberstufenzentren plus Ihrer Einheitsschule schaffen wollen. Das kann es nicht sein im Sinne von Schulformprofilierung.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben uns in der Bildungsbehörde, so denke ich, im Großen und Ganzen an den Geist und die Buchstaben des Beschlusses der Bürgerschaft zur Schulentwicklungsplanung gehalten.

Falls es in Vergessenheit geraten sollte, dieser Beschluss ist mit Zustimmung der SPD und Ihrer Enthaltung zustande gekommen. Das heißt, wir haben ein zweistufiges Verfahren und in der ersten Stufe wurden alle Beteiligten gehört. Wir haben dazu 450 Rückmeldungen bekommen, die auch ausgewertet und berücksichtigt wurden. Wir haben bei der Auswahl, was den Geist der Schulentwicklungsplanung angeht, keine bildungspolitischen Scheuklappen von gestern ausgepackt,

(Manuel Sarrazin GAL: Nein, von heute!)

indem wir die Bildungsstrukturkämpfe wieder haben aufleben lassen. Wir haben stattdessen versucht, uns an sachgerechten Maximen zu orientieren: Mindestgrößen, Mindestzügigkeiten, pädagogisch und ökonomische Entscheidungen. Sie wissen selber, wären wir rein nach ökonomischen Kriterien vorgegangen, dann wäre ein Vielfaches von Schulstandorten geschlossen worden.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist beruhigend, Frau Senatorin!)

Die Anzahl zeigt genau, dass abgewogen wurde.

(Beifall bei der CDU)