Protokoll der Sitzung vom 13.12.2004

(Frank-Thorsten Schira CDU: Wie viele Hambur- ger!)

Sie jedoch, Herr von Beust, schlagen Zufluchtsuchenden und Kindern die Tür der Frauenhäuser vor der Nase zu. Frauen, die von ihren Männern geprügelt und vergewaltigt werden. Das ist Unverständnis und vor allen Dingen ist es Unverständnis, dazu zu schweigen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel nennen, was sehr tief blicken lässt. Ihre Sozialsenatorin oder, wie Sie immer gern sagen, die Zweite Bürgermeisterin, gewährt den Blinden am kommenden Donnerstag, einen Tag nach dem Beschluss des Haushaltes, eine Audienz über die Kürzungen des Blindengeldes. Wenn es eine Demütigung über den Terminkalender gibt, dann ist es dieses Verhalten von Frau Schnieber-Jastram.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ihr Umgang mit Hilfsbedürftigen entlarvt den schön klingenden Satz "Wer unsere Hilfe braucht, wird sie bekommen" zu blanker Heuchelei.

Hier ergibt sich auch ein Widerspruch, der viel über Ihre Politik der letzten drei Jahre sagt. Wenn es um das Dressur-Derby geht, um das Tennis am Rothenbaum oder darum, dass Sie sich mit Promis beim Bambi im Scheinwerferlicht sonnen, dann finden Sie trotz Sparen, Überrollen, Länderfinanzausgleich, Jesteburg I, II und III immer Mittel und Wege im Haushalt. Dann werden Reserven, die dieser Haushalt immer noch hat, mobilisiert. Dann ist Geld vorhanden.

Unsere Haushaltsanträge zeigen, dass man so nicht nur so genannte Events, sondern auch Besucherprogramme für vom NS-Regime Verfolgte oder die Hilfe für traumatisierte Flüchtlinge retten kann, wenn man das will. Sie wollen das aber nicht. Sie machen eben keine Klientelpolitik und die, die wirklich Hilfe nötig haben, sind Ihnen egal.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Einstellung und das Verhalten sowohl des Senates als auch der CDU-Fraktion gegenüber den Menschen in dieser Stadt und ihren Anliegen wird besonders am Umgang mit Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden deutlich. Und dass der Bürgermeister öffentlich im "Hamburger Abendblatt" zugibt, dass er eigentlich gar nicht so genau wisse, was gerade wie verändert werden solle, spricht auch Bände. Sie argumentieren mit Datenschutz, für den Sie sich plötzlich begeistern. Sie reden von Vereinfachung des Verfahrens und natürlich, wie immer, von Konsolidierung und wieder geht es in Wirklichkeit um Ideologie. Sie machen eine schlechte Politik und wollen, dass den Menschen in Hamburg die Möglichkeit genommen wird, sich gegen diese schlechte Politik zur Wehr zu setzen. Darum geht es und um nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt der GAL)

Was Sie wollen, ist durchsichtig. Nicht nur die Opposition, auch das Volk soll der CDU, Ihrem Senat und insbesondere dem Bürgermeister nicht reinreden und schon gar nicht reinregieren.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Huldigen!)

Deshalb haben sich CDU und Bürgermeister nicht an das eindeutige, wenn auch – das wird das Gericht entscheiden – unter Umständen nicht verfassungsrechtlich bindende Votum gegen den LBK-Verkauf, gehalten. Bisher konnte die Stadt die Sicherung der Krankenhausversorgung durch den LBK mit seinem Marktanteil von über 40 Prozent garantieren. Nun geben Senat und CDUMehrheit diese Garantie aus der Hand. Ein privater Anbieter wird in Hamburg marktbeherrschend und seine Leistung wird sich natürlich an der Ertragslage ausrichten. Aber den Argumenten Gesundheit und Volkswillen – das haben die vielen Debatten in diesem Hause schon gezeigt – sind Sie nicht zugänglich. Deshalb will ich es einmal mit Ihrer Denkkategorie versuchen, dem Geld.

Der Kaufpreis von 318 Millionen Euro ist eine Fiktion. Asklepios zahlt wahrscheinlich überhaupt kein Geld an die Stadt. Stattdessen wird der Kaufpreis über neue Bankschulden und den geplanten Börsengang durch die Krankenhäuser selbst finanziert. Zudem kann Asklepios den Preis nachträglich um weitere 75 Millionen Euro

senken. Hamburg verzichtet für 60 Jahre auf rund 190 Millionen Euro Erbpachtzins. Vermutlich ist das eine verdeckte Beihilfe an Asklepios und wird damit als Verstoß gegen EU-Recht zu werten sein; trotzdem wird verkauft. Hamburg zahlt auch nach dem geplanten Verkauf der Krankenhäuser für die Pensionslasten und die Altschulden des LBK. Die Erträge des "LBK Immobilien" werden dafür nicht ausreichen und letztlich wird die Stadt dafür geradezustehen haben; dennoch wird verkauft. Die Patienten profitieren also nicht davon, die Krankenhäuser profitieren nicht, die Besitzanstalt profitiert nicht, der Haushalt profitiert nicht. Wer, außer Herrn Broermann, profitiert eigentlich von diesem Deal, einem Deal, den Herr Peiner für seinen alten Bekannten eingefädelt hat?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der Verkauf hat höchstens einen, aus Ihrer Sicht, abstrakten ordnungspolitischen Nutzen. Man kann auch sagen, Sie als Senat und CDU sind den LBK schlichtweg los. Aber auch die Hamburger sind den LBK los und das macht den Menschen Angst.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Die Angst machen Sie!)

Deshalb haben die Hamburger mit einer Dreiviertelmehrheit gesagt, dass Sie die Hamburger Krankenhäuser nicht verkaufen dürfen.

Einmal haben Sie Klugheit bewiesen, zugegebenermaßen nur für kurze Zeit, aber immerhin. Sie haben einem Gesetz zugestimmt, das von uns kam,

(Wolfgang Drews CDU: Arroganter Kerl!)

und so haben wir gemeinsam das fortschrittlichste Kinderbetreuungsgesetz Deutschlands beschlossen, rückblickend, das muss ich auch selbstkritisch sagen, wohl nur, um durch Trickserei die nächste Pleite bei einem Volksentscheid zu vermeiden.

Jetzt senken Sie jedoch durch die Hintertür die Standards. Sie erpressen die Träger der Kitas, aber schlimmer noch, Sie hoffen auf möglichst wenige Kinder und verkaufen das im Zweifelsfall auch noch als Beitrag zur wachsenden Stadt. Nicht 18 000 Kinder, nicht 5000 Kinder, nein, es sollen gerade einmal 1500 Kinder mehr sein, die betreut werden. Dass dies der Bedarf dieser Stadt, vor allem der berufstätigen und arbeitssuchenden Eltern sein soll, glaubt außer dem Bürgermeister und Frau Schnieber-Jastram vermutlich niemand in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Wolfgang Drews CDU: Frechheit!)

Und der jetzt nicht gerade kreativ aus dem Hut gezauberte Finanzierungsvorschlag zur Erhöhung der Grundsteuer um weitere 14 Millionen Euro und die Erhöhung der Elternbeiträge um 7 Millionen Euro machen deutlich, dass Sie eben nicht die Mittel aus Hartz IV verwenden wollen, die die Bundesregierung dafür vorgesehen hat, sondern dass die Menschen erneut zur Kasse gebeten werden.

Wir stimmen dieser erneuten Steuererhöhung nicht zu. Wir haben bereits einmal einer Steuererhöhung zugestimmt, die dann aber nicht dauerhaft bei unseren Kindern geblieben und ihnen zugute gekommen ist. Sie haben dieses Geld im bildlichen Sinne bereits einmal unterschlagen.

Umso wichtiger ist es, rückblickend gesehen, dass wir einen unumstößlichen Rechtsanspruch verankert haben, auch wenn Sie nun durch geringe Mittelzuweisung, grö

ßere Kindergruppen und höhere Elternbeiträge versuchen, die zusätzliche Nachfrage, die es unzweifelhaft gibt, abzuschrecken. Ich sage Ihnen aber auch, dass die Eltern, die Menschen unserer Stadt sich nicht von Ihrer Politik abschrecken lassen werden. Es werden 2005 mehr als die heute zusätzlichen 1500 Kinder sein, die zu betreuen sind, und 2006 sind es noch mehr. Sie fahren den Kita-Haushalt und die Kinderbetreuung in Hamburg sehenden Auges in ein erneutes Chaos und ich bin sicher, dass wir dies mit einer Nachtragsdrucksache für einen Ergänzungshaushalt spätestens in zwölf Monaten wieder hier debattieren werden.

(Beifall bei der SPD und bei Jörg Lühmann GAL)

Sie mögen mir noch einmal verzeihen, wenn ich auch aus eigener Betroffenheit berichte, Herr Schira.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Ach, das ist ja fürch- terlich!)

Sie sehen vor, dreizehneinhalb Kinder in einer Krippe unterzubringen, das heißt, eine Betreuerin für dreizehneinhalb Kinder. Diese Betreuerin muss dreizehneinhalb Kindern mittags Essen geben und muss wahrscheinlich nach ungefähr einer Stunde dreizehneinhalb Windeln wechseln. Wie stellen Sie sich eigentlich vor, wie das laufen soll? Das letzte Kind ist noch gar nicht gefüttert, dann sind die ersten Windeln schon voll. Glauben Sie allen Ernstes, dass Eltern guten Gewissens ihr Kind in einer Einrichtung lassen, in der ihre Kinder mehrere Stunden mit vollen Windeln liegen gelassen werden?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Allein die Zahl von dreizehneinhalb Kindern zeigt, wie weit Sie sich vom Leben entfernt haben. Nicht Ihre Kürzungen bei Frauenhäusern, Schulschwimmen oder Kinderkuren sanieren den Haushalt, diese Einsparungen finanzieren vielmehr an anderer Stelle Mehrausgaben, zum Beispiel ein Sonderinvestitionsprogramm, bei dem es in erster Linie nicht um zusätzliche Zukunftsinvestitionen, sondern um die Präsentation einer runden Summe geht, bei der am Ende wenig Zusätzliches bleibt. Dieses wenig Zusätzliche soll finanziert werden, indem vermeintlich sozialdemokratisch geprägter Schnickschnack gestrichen wird, denn so sieht die CDU noch immer soziale Projekte für die Menschen in unserer Stadt.

Nochmals: Beste Kinderbetreuung, Hilfe für Frauen und Kinder sind keine Hamburgensien, kein Schnickschnack und auch nicht, wie es der frühere Steigbügelhalter des Hamburger Bürgermeisters ausgedrückt hat, Sozialklimbim.

(Michael Fuchs CDU: Wer war denn das?)

Haben Sie das schon vergessen, haben Sie Schill schon vergessen? Ist die CDU so vergesslich?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Frau Schnieber-Jastram spricht immer wieder gern davon – sie hat es bei der letzten Debatte von diesem Platz aus getan –, dass die Zeiten des sozialpolitischen Füllhorns vorbei seien.

(Wolfgang Drews CDU: Da hat sie doch Recht!)

Da ist sie offensichtlich die Einzige im Senat, denn der Senat insgesamt plant, in den nächsten zwei Jahren 100 Millionen Euro mehr auszugeben, ein Senat, der im Übrigen bereit war, 1,1 Milliarden Euro für Beiersdorf

Aktien auszugeben, die heute gerade noch einmal 700 Millionen Euro wert sind, und der für jedes Jahr rund 50 Millionen Euro Zinsen zahlt. Allein für diese Zinszahlungen hätten Sie 25 Prozent der Phoenix-Aktien kaufen können und damit wären über 700 Arbeitsplätze in Harburg erhalten geblieben. Erklären Sie das den PhoenixMitarbeitern.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Doch zurück zum Sonderinvestitionsprogramm von 1 Milliarde Euro bis 2010. Herr Maier hat das schon mal nachgerechnet, es ist noch nicht einmal 1 Milliarde, es ist noch nicht einmal eine runde Summe geworden.

(Dr. Willfried Maier GAL: Mehr! 1075!)

Genau, 1,075 Milliarden. – Das heißt also, 170 Millionen Euro pro Jahr. Davon ist aber die Hälfte nicht zusätzlich, sondern die Belegung von Resten und Reserven mit mehr oder minder unausgegorenen Projekten. Am Ende bleiben theoretisch etwa 80 Millionen Euro pro Jahr an zusätzlichen Mitteln, bei denen jedoch völlig unklar ist, woher sie überhaupt kommen sollen. Am Anfang stand offensichtlich die Zahl 1 Milliarde. Also gab es Anfang September eine Pressekonferenz des Bürgermeisters und Finanzsenators, in der die Zahl sehr abstrakt mit den schon bekannten Projekten und weiteren Wolkenkuckucksheimen belegt wurde. Dann brauchte der Senat noch weitere zwei Monate, um die entsprechende Pressemitteilung zu einer Bürgerschaftsdrucksache umzudichten, in der die Kosten- und Zeitplanung, die Finanzierung und die Bennennung der Folgekosten fehlen. Herr Peiner, der das im Gegensatz zu Ihnen und zur Mittelstandsvereinigung der CDU begriffen hat, hat selbst im Haushaltsausschuss gesagt, mit dieser Drucksache könne die Bürgerschaft de facto nichts anfangen; ich zitiere nur Ihren Finanzsenator.

(Petra Brinkmann SPD: Sie haben es immer noch nicht begriffen! Sie sollten mal am Rechnungsprü- fungsausschuss teilnehmen!)

Auf die Frage, woher denn die zusätzlichen 500 Millionen Euro kommen sollen, fallen dem Senat – es ist schon fast ein Reflex – immer wieder die Worte Vermögensverkauf und Public-private-partnership ein.