Protokoll der Sitzung vom 26.05.2005

(Beifall bei der CDU – Viviane Spethmann CDU: Genau!)

Es ist nett, dass Sie mich auf einen weiteren Teil meiner Rede hinweisen, der sich gleich anschließen wird. Vielleicht können Sie sich noch eine halbe Minute gedulden.

Ich möchte nur die Folgen dieses Gesetzgebungsvorschlags abarbeiten. Was bedeutet das im Einzelfall? Was bedeutet das für Kontrolle in Sachen Filz? Auch die CDU müsste Interesse an Transparenz haben, dass sie Filz auch in Zeiten, in denen sie vielleicht nicht mehr regiert und in der Opposition ist – das wird auch irgendwann kommen –, verhindern kann. Darum geht es doch.

(Beifall bei der GAL – Frank-Thorsten Schira CDU: Wir haben keinen Filz!)

Vor dem Hintergrund dieses Untersuchungsausschusses, den ich eben dargestellt habe, ist es überhaupt erst nachvollziehbar, warum der Senat den Deputationen das Akteneinsichtsrecht beschränken will. Gerade wenn es um Personalentscheidungen geht, dann sind es die Feinheiten und dann muss es für Deputierte möglich sein, in die Akten Einsicht zu nehmen. Das ist doch der Punkt und Sie wollen, dass das in Zukunft nicht mehr möglich ist. Ihnen geht es darum, Ihren schwarzen Filz weiterzutreiben.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD)

Frau Spethmann, Sie hatten die kritischen Töne der SPD aus der Vergangenheit zitiert. Vielleicht sollte es Sie ein bisschen skeptisch stimmen, dass immer die Parteien, die regieren, diejenigen sind, die den Deputationen skeptisch gegenüber stehen. Überlegen Sie sich einmal, wie die Situation vielleicht in zwei, drei Legislaturperioden sein wird.

(Gesine Dräger SPD: In einer! – Gegenruf von Karen Koop CDU: Zwei, drei ist gut!)

Gut, in zwei, drei Jahren.

Jetzt komme ich zu Herrn Hamann. Er hatte angesprochen, dass wir uns die Abschaffung der Deputationen vorstellen können. Aber, was wir ablehnen, ist eine Minderung von Transparenz, wir stehen vielmehr für eine Ausweitung von Transparenz durch Informationsfreiheitsgesetze und durch Ausweitung von Kontrollmöglichkeiten. Deswegen brauchen wir endlich auch ein allgemeines Akteneinsichtsrecht für alle Bürgerinnen und Bürger.

Wenn man die jetzigen Akteneinsichtsrechte der Deputierten auf die Bürgerschaftsabgeordneten übertragen würde, dann wären wir – das ist unser Beschluss – auch für eine Abschaffung der Deputationen. Aber was eben nicht geht, ist ein ersatzloses Streichen der Rechte der Deputierten, ohne einen vergleichbaren, einen äquivalenten Ersatz hierfür zu schaffen, denn das wäre genau ein

Schritt zurück in Richtung Amtsgeheimnis, ein Schritt zurück in Richtung Verwaltungsverständnis der Fünfzigerjahre. Das ist etwas, was sich eine moderne Großstadtfraktion nicht leisten könnte, Frau Spethmann.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zum dritten Punkt will ich nicht viel sagen. Die Ermöglichung der Leitung der Deputation durch einen Staatsrat zeigt für mich – das hatte Frau Dräger bereits gesagt –, dass den Senatoren die Deputationen nur lästig sind und sie meinen, das solle irgendjemand anders machen, dann müssten sie sich nicht weiter darum kümmern.

Auffällig ist, dass die Schwächung der Deputationen, die jetzt gewollt wird, mit der faktischen Abschaffung der Volksgesetzgebung in einer Reihe steht, die Sie parallel betreiben.

Mitbestimmung und Kontrolle sind diesem Senat lästig.

(Beifall bei der GAL und vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sie sollten sich wirklich einmal Gedanken machen, ob Sie damit nicht zur Verstärkung der Politikverdrossenheit beitragen. Auf mich wirkt es ein wenig sonderbar, wenn ich mir betrachte, dass die CDU die Deputationen 44 Jahre lang – gelinde gesagt – mit nicht besonders großem Eifer, aber immerhin doch für ihre bescheidene Oppositionsarbeit genutzt hat. Nun sind Sie knapp drei Jahre an der Macht und schon sind Sie offenbar von den Futtertrögen der Macht und von der eigenen Machtfülle so berauscht, dass Ihnen jetzt auf einmal die Instrumente der Opposition und der Kontrolle zuwider sind. Aber das ist kurzsichtig, arrogant und auch geschichtslos. Ich muss noch einmal auf die Geschichte zurückkehren, Frau Spethmann, der Sie Ihre Rede gewidmet haben.

Die Wurzeln der Deputationen reichen sogar noch ein bisschen zurück, ins Jahr 1270, zumindest liegt da der Grundstein für die Mitbestimmung der Bürger in den Behörden. Klaus David hat vor einigen Jahren geschrieben:

"Die Mitwirkung des Volkes entstand aus dem Bestreben, dem selbstherrlichen Regiment des Rates, dem Vorläufer des Senats, Grenzen zu setzen."

Was das selbstherrliche Regiment angeht, knüpft dieser Senat nahtlos an das Jahr 1270 an.

(Bernd Reinert CDU: Dieser Senat ist nur herrlich!)

Konservatismus in allen Ehren, aber das führt doch ein bisschen weit zurück in die Geschichte.

(Beifall bei der GAL und vereinzelter Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete der CDU, ich möchte Sie bitten, nicht die gleiche Hybris an den Tag zu legen, wie sie der Senat mit diesem Gesetzentwurf gezeigt hat. Wenn das Parlament weiter die Mitbestimmungs- und Kontrollmöglichkeiten des Volkes und auch der Opposition beschneidet, dann mag das Ihrem Senat vielleicht für die nächsten drei Jahre nutzen. Aber nehmen Sie Gift darauf,

(Viviane Spethmann CDU: Bestimmt nicht!)

es wird der Tag kommen, an dem Sie wieder auf den harten Bänken der Opposition Platz nehmen müssen. Sie sollten nichts tun, was Sie dann bitter bereuen werden.

(Beifall bei der GAL und vereinzelter Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Senator Peiner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Debatte wurde eben auf zwei Ebenen geführt. Die eine Ebene war – sozusagen die Metaebene –, dass das Deputationsänderungsgesetz grundsätzlich ein Anschlag auf Freiheit und Demokratie sein soll, und die zweite war ganz konkret zu dem einzelnen Thema.

(Uwe Grund SPD: Das ist der schwarze Faden in dieser Regierung!)

Frau Dräger, Sie haben eine wunderbare Rede gehalten, aber, ich glaube, sie kam zum falschen Thema. Das hier ist eine pragmatische Anpassung an die Arbeitsweise der Deputationen, wie wir sie schon seit eh und je praktizieren. Sie können davon ausgehen, die CDU, der Senat und wir alle gemeinsam stehen zu der Deputation, wollen sie erhalten und denken nicht über eine Abschaffung nach, weil wir sie für einen wichtigen Bestandteil unserer parlamentarischen Arbeitsweise halten.

(Beifall bei der CDU – Rolf-Dieter Klooß SPD: Das möchten Sie so haben!)

Den Vorwurf, wir seien nicht bereit, mehr Demokratie zu wagen, halte ich für absurd.

(Lachen bei der GAL)

Auch dieses Thema ist in ein Gesamtpaket von Vorschlägen eingebunden, die wir dieses Jahr noch unterbreiten, zum Beispiel zum Bereich der Verwaltungsreform.

In der Verwaltungsreform werden wir sehen, dass wir zum ersten Mal Gesetze vorschlagen, die den Bezirksversammlungen Rechte geben, beispielsweise Haushaltsrechte, Entscheidungskompetenzen, die also Kompetenz auf den Bürger vor Ort verlagern. Das nenne ich gelebte Demokratie

(Dr. Willfried Maier GAL: Ich nicht!)

und das ist ein Vorschlag, der kommt von uns, von der CDU. Der ist seit 40 Jahren weder von der SPD, noch ist er von den Grünen gekommen. Da wird sich zeigen, wie wir mit Bürgern und mit demokratischen Rechten der Bürger umgehen.

(Beifall bei der CDU – Christa Goetsch GAL: Was hat denn das mit dem Thema zu tun?)

Insofern sollten Sie wirklich die Kirche im Dorf lassen. Ich bin jemand, der die Arbeit aus der Finanzdeputation als Deputierter kennt, ich kenne die Arbeit der Finanzbereiche auch aus Sicht des Haushaltsausschusses und jetzt als Senator. Ich habe also über die eigene Entwicklung durchaus Vergleichsmöglichkeiten. Dann kann man schon sagen, wo die Rechte der Bürger ausgeweitet werden können, aber wo man möglicherweise auch die Rechte von Gremien anpassen muss. Was wir hier tun wollen und nur das tun wollen, ist eine Anpassung an die praktische Arbeit und die Realität. Dass man sich gelegentlich über Gremien ärgert, Frau Dräger, ist absolut richtig. Sie haben ein durchaus lebensnahes Bild gezeigt, das ist gar keine Frage.

(Heiterkeit bei der GAL)

Aber, ich glaube, dass uns unsere Gesamtverantwortung als Senat, aber auch Ihnen als Bürgerschaft ganz klar sagt: Deputationen sind nicht nur historisch bedeutende Einrichtungen, sondern auch in der praktischen Zusammenarbeit ein wichtiges Instrument, aber dass sie natürlich gelegentlich überprüft werden müssen in ihren Einzelregelungen auf die praktische Arbeit. Deswegen will ich jetzt nicht so sehr in die Historie eingehen, sondern nur auf die einzelnen Punkte. Welche Punkte sind das?

Das sind einmal, Herr Maaß, Sie haben es gesagt, die erweiterten Inkompatibilitätsregelungen bei der Besetzung der Deputationen. Ich freue mich, dass wir uns in einigen Bereichen einig sind, dass nämlich frühere Senatoren und – nach einem gewissen Abstand – frühere leitende Mitarbeiter unter die künftige Inkompatibilität fallen. Es ist in der Tat ein Unding, dass Senatoren, wenn sie ausscheiden, sofort in die Deputation gehen. Ich würde das Gleiche auch für die leitenden Mitarbeiter sagen. Das entspricht auch ganz klar der aktuellen Corporate- Governance-Diskussion.

Nun haben Sie auch die Frage angesprochen, warum das nicht für den einfachen Mitarbeiter gilt. Ich will Ihnen sagen, warum das nach unserer Auffassung nicht geht. Man kann über alles diskutieren. Es ist im Grunde genommen eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen Gedanken der bürgerlichen Mitwirkung an der Verwaltung, bürgerliches Engagement und Bürgernähe. Das Oberverwaltungsgericht hat 1986 Folgendes zur Deputation festgestellt:

"Es soll ein Element in der Verwaltung getragen werden, das unmittelbar mit der Bevölkerung in Berührung steht, das von außen auf die Verwaltung sieht und also sieht, wie die Verwaltung auf diejenigen wirkt, die regiert werden."

Das ist für uns der entscheidende Ansatz. Wenn jemand 20 Jahre Mitarbeiter der Innenbehörde war, wenn jemand 20 Jahre Mitarbeiter der Finanzbehörde war, dann ist er zumindest nicht im Sinne des Oberverwaltungsgerichts der, der wirklich außen steht und wirklich nur einen Blick darauf hat, wie die Verwaltung auf diejenigen wirkt, die regiert werden.

(Beifall bei der CDU und bei Hans-Christoff Dees SPD)

Das ist ein typisches Beispiel. Wir wollen mehr Bürgerengagement, wir wollen, dass Bürger, die von außen auf die Verwaltung blicken, Mitglieder der Deputationen sind. Deswegen dieser Vorschlag zur Inkompatibilität.

Wenn Sie wirklich darüber nachdenken, Herr Maaß, dann werden Sie feststellen, dass das durchaus Sinn macht.

Warum nun der zweite Bereich Akteneinsicht? Auch hier ist im Grunde gar nichts Neues. Das ist eine Präzisierung mit dem Ziel der Konfliktvermeidung, um sicherzustellen, dass Akteneinsicht nur für die Bereiche gewährt wird, in denen die Deputation auch Mitwirkungsrechte besitzt. Es ist logisch, dass man sagt, der Deputierte hat dort ein Akteneinsichtsrecht, wo er auch mitwirken kann, und nicht darüber hinaus. Das erspart ihm Interessenkonflikte, das erspart der beteiligten Behörde Interessenkonflikte und ist ein in sich geschlossener und plausibler Vorgang.