Protokoll der Sitzung vom 08.06.2005

Das liegt daran – das wissen Sie auch –, dass sich zurzeit das Bundesverfassungsgericht mit der niedersächsischen Regelung beschäftigt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das wussten Sie doch schon vorher!)

Ich sage es aber hier und heute noch einmal ganz deutlich: Angesichts der neuen Formen der Bedrohung halte ich die präventive Telefonüberwachung nach wie vor für ein dringendes und notwendiges polizeiliches Mittel.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden die Entscheidung des Gerichts abwarten, uns das Urteil sorgfältig anschauen und dann entscheiden, ob und wie wir die präventive TKÜ regeln können.

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz.)

Zum vierten und letzten Stichwort, nämlich zu den neuen Kontrollmöglichkeiten im öffentlichen Raum, und zwar insbesondere zur so genannten lageabhängigen Kontrolle – Frau Möller, ich lege Wert auf das Wort lageabhängig – und zur Videoüberwachung.

Zunächst zur lageabhängigen Kontrolle. Die Hamburger Polizei soll künftig die Möglichkeit erhalten, bei bestimmten Lageerkenntnissen solche Personen anzuhalten, die in das Lagebild passen, um ihre Identität feststellen zu können. Nicht mehr und nicht weniger. Was bedeutet dies in der Praxis? Wie sehen solche Lageerkenntnisse aus?

Dabei kann es sich beispielsweise um Einbrüche in einem bestimmten Gebiet, um eine Häufung von Gewaltdelikten zum Beispiel auf St. Pauli oder um Revierstreitigkeiten von Jugendgruppen handeln. Die lageabhängige Kontrolle ist für die Polizei das geeignete Instrument und sicherlich besser geeignet als populistische Messerstiche, Herr Dr. Dressel, mit praxisuntauglichen Regelungen und Verordnungen, die keiner kontrollieren kann.

(Beifall bei der CDU)

Zurück zur lageabhängigen Kontrolle. Nur bei bestimmten polizeilichen Lagen greift also die lageabhängige Kontrolle. Daher möchte ich an dieser Stelle auch noch ein Wort zu den dann und wann, einseitig und zum Teil bewusst irreführenden Darstellungen der letzten Zeit sagen.

Es geht eben nicht darum, dass jeder Bürger jederzeit an jedem Ort beliebig angehalten und zur Wache mitgenommen werden kann. Das verstößt gegen das Grundgesetz. Mit solchen Darstellungen werden bewusst Ängste geschürt, die jeder Grundlage entbehren. Wer wider besseres Wissen behauptet, in Hamburg gäbe es bald verdachtsunabhängige Kontrollen – Frau Möller, das haben Sie heute mehrfach gesagt

(Dr. Till Steffen GAL: Ich erkläre Ihnen gleich mal, wie das geht!)

und auch vor kurzem über Pressemitteilungen verbreiten lassen –, der handelt verantwortungslos. Jeder weiß, dass solche Kontrollen verfassungswidrig sind.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist doch auch unstrittig!)

Kommen Sie doch endlich einmal in der Realität an. In manchen Bereichen ist Ihnen das doch schon gelungen.

Letzter Punkt: Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Auch dazu wurde mancher Unsinn erzählt. Worum geht es wirklich? Wir wollen dort eine Videoüberwachung zum Schutz der Bevölkerung einsetzen, wo wiederholt Straftaten aufgetreten sind und mit weiteren Straftaten zu rechnen ist. Es geht um den Schutz der Bevölkerung, es geht uns nicht um Big Brother. Das wissen Sie auch, meine Damen und Herren von der Opposition.

In zahlreichen deutschen Städten hat sich diese Art der Videoüberwachung als hervorragendes polizeiliches Hilfsmittel bei der Bekämpfung und Verhütung von Straftaten erwiesen. Bekanntermaßen gibt es an solchen Orten einen Sicherheitsgewinn für die Bürger. Ich frage Sie: Warum sollte Hamburg auf diesen Sicherheitsgewinn verzichten? Wollen Sie mehr Sicherheit und dadurch auch mehr Freiheit für die Bürger oder wollen Sie sie nicht? Wer hier von flächendeckender Überwachung der ganzen Stadt spricht, kann oder will nicht verstehen; wahrscheinlich Letzteres.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Schreiben Sie das doch ins Gesetz rein, Herr Nagel!)

Eine solche flächendeckende Überwachung lässt das Gesetz doch gar nicht zu. Außerdem ist es polizeilich gar nicht gewollt, geschweige denn zu finanzieren. Also lassen Sie doch diese absurden Behauptungen, die uns nicht weiterbringen.

(Beifall bei der CDU)

Ich diskutiere gerne fachlich mit Ihnen, warum das eine oder andere polizeilich angebracht ist, aber Übertreibungen, Verzerrungen und Falschdarstellungen – so wie in der letzten Zeit geschehen – sollten nicht unser Niveau werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte mich zum Schluss noch einmal bei denjenigen bedanken, die in irgendeiner Form dazu beigetragen haben, dass Hamburg ein modernes Polizeirecht bekommen wird. Ich werbe an dieser Stelle im ganzen Haus ausdrücklich für unser neues, modernes Polizeigesetz. Wir wollen, dass die Menschen in dieser Stadt sicher sind und sich auch sicher fühlen.

Die Kriminalitätsentwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass wir dabei auf einem guten Weg sind. Es war und ist der CDU-geführte Senat, der die Personalverstärkung bei der Hamburger Polizei veranlasst hat. Und es ist dieser Senat, der Hamburg endlich ein modernes Polizeirecht gibt, das einen wichtigen Beitrag für noch mehr Sicherheit für Hamburgs Bürger leisten wird, durch die Freiheit erst möglich wird. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält jetzt Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Nur wer sicher ist, ist auch frei. Jetzt weiß ich auch, warum die SPD in den verschiedenen Jahren ihrer Regierungszeit das SOG nie so richtig überarbeitet hat. Wenn man sich Ihren vorgelegten Entwurf ansieht, so wird deutlich, dass Sie keinen Mut hatten zu richtigen Reformen.

(Beifall bei der CDU)

Aber wie wollen Sie sich jemals durchsetzen, wenn Sie wieder mit Ihrem Lieblingskoalitionspartner – der GAL – zusammenkommen? Dann bekommen Sie beim Thema Innere Sicherheit sowieso nichts auf die Reihe.

(Gesine Dräger SPD: Fragen Sie mal die FDP da- nach!)

Ich kann Sie beruhigen. Diese Landesregierung ist gut und dieser Gesetzentwurf ist auch gut.

(Beifall bei der CDU)

Die Anhörungen haben deutlich gezeigt, dass sich dieser Gesetzentwurf auf der verfassungsgemäßen Seite bewegt. Wir schöpfen die Grenzen aus, aber die Verfassung wird gewahrt. Das ist das Entscheidende, dafür waren die Anhörungen da.

Ihre hier vorgetragenen Bedenken wurden dort nicht geteilt. Es gab aber einen von der Oppositionspartei benannten Sachverständigen, Herr Narr, von dem einige Bedenken geäußert wurden. Aber diese hat wirklich keiner mehr von Ihnen geteilt.

Herr Dressel, Sie und die SPD suchen sich doch nur die kleinsten Bedenken heraus, um nicht öffentlich zugeben zu müssen, dass Sie es trotz aller Kehrtwende in der Inneren Sicherheit bis heute nicht geschafft haben, glaubwürdig zu sein. Sie zögern bis zum Ende. Ich kann nur eines sagen: Springen Sie auch über das letzte Stöckchen

(Dr. Andreas Dressel SPD: Belegen Sie das doch mal!)

und stimmen Sie gleich unserem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der CDU)

Die Polizei wartet auf dieses Gesetz. Was ist daran schlecht, wenn wir die Handlungsmöglichkeiten der Polizei in unserer Stadt ein Stück weit verbessern wollen? Die Polizei braucht dieses Gesetz und wir schaffen es.

Ich möchte einige Anmerkungen zu den einzelnen Punkten machen, die ich für wichtig halte. Im Bereich der technischen Wohnraum- und Telefonüberwachung gibt es Einschränkungen durch das Bundesverfassungsgericht, über die wir ausführlich im Ausschuss beraten haben. Ich will die Allgemeinheit des Hauses nicht mit juristischen Feinheiten nerven. Nichtsdestotrotz muss man festhalten, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich eine Entscheidung zur Strafverfolg regelt. Wir befinden uns hier im Bereich der Gefahrenabwehr. Wir können bei der Entscheidung nicht die Verhältnisse, die das Bundesverfassungsgericht als Maßstab angesetzt hat, 1 : 1 übertragen. Das hat der Senat in seinem Gesetzentwurf auch berücksichtigt. Die CDU-Fraktion will daran auch nichts ändern.

Bei der Gefahrenabwehr haben wir nämlich eine andere Situation. Wir begeben uns hier auf Neuland. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gesagt, dass Abhören grundsätzlich zulässig sei. Wir als Parlamentarier müssen nur beachten, dass im Kernbereich der privaten Lebensgestaltung kein Abhören stattfinden darf. Doch wie soll das gehen?

Wenn sich ein Täter mit seiner Frau unterhält, müsste die Abhörlage abgeschaltet werden. Wann muss die Polizei wieder anschalten? Das konnte uns leider kein Sachverständiger sagen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann haben sie bei der Anhörung nicht aufgepasst!)

Kann der Täter nur einen Satz mit seiner Frau wechseln und danach sofort weiter mit seinen Planungen fortfahren? Das kann für uns nicht hinnehmbar sein. Das mag im Bereich der Strafverfolgung hinnehmbar sein, weil dann die Tat schon geschehen ist.

Im Bereich der Vorbeugung stellt sich die praktische Frage, wann wieder angeschaltet oder ob nicht alles vernichtet werden muss, was zum privaten Bereich gehört, und ob dann weiter abzuhören ist. Hier kollidiert nämlich die Menschenwürde des Betroffenen mit den Rechten der Opfer. Für uns gilt hier der Maßstab: Wir wollen die Rechte der Opfer wahren und nicht die Rechte der Betroffenen in dem Maße, wie Sie das wollen.

Wir wollen, dass das präventive Abhören nur zur Abwehr von gegenwärtigen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit eines Menschen eingesetzt wird. Hierfür haben die Landesparlamente die Gesetzgebungskompetenz. Wir nutzen diese ausgiebig.

Ich möchte auch noch auf das Kennzeichenlesegerät kommen. Das ist eine vernünftige Technik, die eine große Ersparnis für die Polizei mit sich bringen wird. Es handelt sich dabei um einen Filter. Nur Fahrzeuge, die gesucht werden, werden gespeichert, jedoch keine anderen. Es werden keine Bewegungsprofile erstellt. Auch hier ist eine übertriebene Angst überflüssig.

Es gibt aber auch positive liberale Punkte, die Sie gar nicht erwähnen. Hier hat die SPD gar nicht gemerkt, dass wir auch einmal liberal sein können. Berufsgeheimnisträger schützen wir mehr als es die SPD in ihrem Entwurf vorsieht.