Die Freistellungsverordnung, die Sie verlängern wollen, was Sie heute beantragen, gilt noch bis zum 31. Dezember 2008, also noch dreieinhalb Jahre. Jetzt deren Verlängerung zu fordern, ist wirklich eine revolutionäre Tat. Herr Marx hatte gesagt, sie gelte seit 1997, sie solle auch weiter gelten. Das ist richtig und wichtig und dagegen hat auch von uns niemand etwas. Aber stellen Sie sich nicht hin und erzählen uns, es wäre familienfreundliche Politik, jetzt die Verlängerung einer Verordnung zu fordern, die noch dreieinhalb Jahre läuft. Das ist verschossenes Pulver, das bringt überhaupt nichts.
Sie sagen, man möge auf das Höchstpreisverfahren bei der Vergabe städtischer Eigenheimgrundstücke verzichten. Das wird dort nicht angewandt, Sie müssten doch so viel Sachverstand haben zu wissen, dass das nach dem Punktesystem erfolgt. Und das hat nichts mit Höchstpreisen zu tun, sondern da sind Kriterien wie Familiengröße, Einkommen, Wohnsitz in Hamburg et cetera relevant. Danach werden Eigenheimplätze vergeben und nicht im Höchstgebotsverfahren. Von daher braucht man davon nicht abzurücken, weil es nicht angewendet wird.
Vierter Punkt, die Studentenwohnungen. Ich sehe das etwas kritischer als Herr Marx, denn damit verschärfen Sie die Konkurrenz um günstigen Wohnraum in Wilhelmsburg. Sie subventionieren das Wohnen für Studenten in Wilhelmsburg mit 186 Euro pro Wohnung. Das ist ein konkurrenzlos günstiger Preis. Damit kann man Studenten nach Wilhelmsburg ziehen, aber Sie verschärfen den Druck im unteren Segment des Wohnungsmarkts und da ist der Druck bereits jetzt hoch. Das sollten Sie nicht tun, Sie sollten Studentenwohnungen bauen. Dafür hat das Wohnungsbauprogramm des Senats auch ein Segment: 80 Wohnungen pro Jahr. Im Jahre 2004 wur
den null neue Studentenwohnungen gebaut. Das kann so nicht sein, dass Sie den normalen Wohnraum verknappen, indem Sie Angebote für Studenten schaffen und keine neuen Studentenwohnungen bauen. Das ist eine wirklich fehlgeleitete Wohnungspolitik.
In der Summe können wir diesen Antrag nur freudig ablehnen und Sie sollten ihn schleunigst vergessen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will nur zwei kurze Punkte aufgreifen, einen eher formalen und einen inhaltlichen.
Um mit dem formalen Punkt anzufangen: Wenn Sie in Punkt sechs Ihres Antrags den Senat ersuchen, uns in Kenntnis zu setzen, und zwar ohne jeden Zeitraum zu nennen, bis zu dem der Senat berichten soll, dann können Sie auf diese Forderung auch gleich verzichten, denn wer keinen Zeitraum nennt, der verzichtet in Wirklichkeit auch auf das ob überhaupt. Also ein ganz klein bisschen mehr Mut, das tut im Übrigen auch gar nicht weh. Probieren Sie dem Senat gegenüber ein bisschen den aufrechten Gang und schreiben Sie in Zukunft in Ihre Anträge einen Zeitraum hinein oder lassen es völlig weg, dann wäre es ehrlicher.
Zum Inhalt: Eigentlich müsste über all diesen Anträgen folgende Zeile stehen: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Sonntagsreden sind wohlfeil, heute Nachmittag haben wir eine klassische gehört; Papier ist geduldig. Wenn man das, was Sie in Wilhelmsburg und auf der Veddel an konkreter Politik machen, einmal als Maßstab für den Begriff Familienfreundlichkeit nimmt, der in diesem Antrag benutzt wird, dann werden Sie ein Problem bekommen. Ein einziges Beispiel: Es gibt keinen Stadtteil in Hamburg, der in einem derart katastrophalen Ausmaß Betreuungskapazitäten im Bereich der Kindergärten und Kindertagesstätten verloren hat wie gerade die Veddel und Wilhelmsburg.
Das ist kein Zufall, das ist nicht das ungewollte Ergebnis einer Politik, sondern das haben Sie sehenden Auges herbeigeführt. Sie wussten, dass bei Ihrer Politik dieses Ergebnis herauskommen würde. Sie sind von uns in diesem Haus x-mal gewarnt worden, dass das die Konsequenz Ihrer Politik sein würde. Sämtliche Fachleute haben Sie vorher darauf hingewiesen. Sie haben Fachleute in der eigenen Fraktion, die Ihnen das bestätigen konnten. Es ist wunderbar, Prioritäten für die Verbindung von Beruf und Familie zu schaffen, aber ohne gleichzeitig den nötigen Ausbau zu schaffen, war das die Katastrophe. Wer das macht, lässt die sozialen Bedarfe hinten herunterfallen und das ist für Wilhelmsburg und die Veddel eine einzige Katastrophe und Sie wissen das. Jedes Kindertagesheim in Wilhelmsburg bestätigt Ihnen, was es bedeutet, wenn die Kinder, die es am dringendsten nötig haben, in die Schule kommen und kein Deutsch oder nur ganz schlecht Deutsch sprechen können. Das sind genau die Kinder, die in acht oder zehn Jahren in
unserem System gescheitert sein werden, und die produzieren Sie seit drei Jahren in Wilhelmsburg und auf der Veddel. Das ist eine Katastrophe für diesen Stadtteil und in dem Zusammenhang dann von Familienfreundlichkeit zu sprechen, ist ein Zynismus, der nicht mehr fassbar ist.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/2298 an den Stadtentwicklungsausschuss zu, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist abgelehnt.
Dann kommen wir in der Sache zur Abstimmung. Wer möchte den CDU-Antrag aus der Drucksache 18/2298 annehmen, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 19, Bericht des Rechtsausschusses zum Thema: Veränderungen im Bereich der sozialtherapeutischen Anstalten Altengamme, Bergedorf, Moritz-Liepmann-Haus.
[Bericht des Rechtsausschusses: Veränderungen im Bereich der sozialtherapeutischen Anstalten Altengamme, Bergedorf, Moritz-LiepmannHaus (Selbstbefassungsangelegenheit) – Drucksache 18/2280 –]
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Bericht des Rechtsausschusses, den wir jetzt noch zu später Stunde debattieren, zeigt einmal mehr, welchen Weg der Strafvollzug in Hamburg unter diesem Senat nehmen soll. Die Richtung ist klar, es geht weiter abwärts.
Wir haben uns in den letzten Wochen und Monaten ausgiebig mit den Haftanstalten befasst, in denen in Hamburg sozialtherapeutischer Vollzug geleistet wird.
Herr Klooß, bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung, aber, ich denke, wir alle sollten so kollegial sein, dass wir auch in der letzten Debatte noch mit Ruhe den Rednern zuhören.
Dabei durften wir feststellen, dass der sozialtherapeutische Vollzug in Hamburg als Vorreiter und beispielhaft in den anderen Bundesländern gilt, ja, man kann ohne Übertreibung sagen, dass uns andere um diese Vollzugsmöglichkeiten beneiden.
Dieser Vollzug ist unter anderem deshalb so vorbildlich, weil er in kleinen Einheiten, also in sehr spezialisierten Anstalten, vollzogen wird. Nur hier ist die Möglichkeit einer Individualisierung gegeben, das heißt, den Insassen wirklich zu kennen und ihn so zu therapieren. Dabei
kommt es auch darauf an, dass die durchaus sehr heterogenen Tätergruppen getrennt untergebracht sind. Dies kann in einer einzelnen Großanstalt nicht geleistet werden, weil der Einfluss der leider vollzugstypischen Subkulturen störend wirkt.
Im Übrigen schreibt das Strafvollzugsgesetz vor, dass sozialtherapeutischer Vollzug vom normalen Vollzug getrennt durchgeführt werden soll. Daran wie auch an eine Vielzahl anderer Vorschriften und Maßgaben halten Sie sich aber wieder einmal nicht.
Ohne Not und ohne überzeugende Gründe wird diese funktionierende Vollzugsstruktur nun von Ihnen, Herr Senator Dr. Kusch, zerstört. Durch die Umsiedlung des sozialtherapeutischen Vollzugs in die Anstalt Fuhlsbüttel, bei gleichzeitiger Schließung des Moritz-LiebmannHauses und der Anstalt Altengamme setzen Sie sich über die Erkenntnisse und Ratschläge der Experten hinweg und etablieren eine neue Art des Vollzugs, den wir hier schon oftmals und nachdrücklich als "Verwahrvollzug" bezeichnet haben.
Bezeichnend ist es da, dass Sie angekündigt haben, den sozialtherapeutischen Vollzug nun ausschließlich als geschlossenen Vollzug stattfinden lassen zu wollen.
Immerhin konnte gegen die Überzeugung des Justizsenators erreicht werden, den Strafvollzug auf dem Gelände der KZ Gedenkstätte Neuengamme zu beenden. Leider aber haben Sie unseren Argumenten für eine Aufrechterhaltung des sozialtherapeutischen Vollzugs in der bisherigen Form kein Gehör geschenkt und das, obwohl wir von allen Seiten in der öffentlichen Anhörung bestätigt worden sind.
Die Einsparungen, die Sie durch die Schließungen erreichen wollten, werden ein Nichts sein im Vergleich zu dem Schaden, den Sie durch diese Maßnahmen anrichten werden.
Es steht fest und soll hier ganz deutlich gesagt werden, dass die bisher so erfreulich niedrigen Rückfallquoten, die der Vollzug zum Beispiel in Altengamme erreicht, so nicht mehr gewährleistet sein werden. Die Rückfallquote ist aber der zentrale Sicherheitsindikator eines Strafvollzugskonzeptes. Sicherheit der Bevölkerung vor Straftätern wird vor allem dadurch erreicht, dass man eine Reintegration der Straffälligen in die Gesellschaft erreicht. Nur ein hieran ausgerichteter Vollzug, also ein Vollzug, der sich die Resozialisierung auf die Fahne geschrieben hat, kann wirklich Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger schaffen.
Alles andere, insbesondere ein Vollzug, der das bloße Wegsperren und Verwahren in den Mittelpunkt stellt, bedeutet, dass die Täter im Vollzug scharf gemacht werden.
Ein eklatantes Beispiel für misslungenen Vollzug haben wir jüngst zur Kenntnis nehmen müssen: Den Fall Christian L., der vor Jahren als Mörder des Lebensmittelhändlers Willy Dabelstein traurige Berühmtheit erlangte und nur wenige Tage nach seiner Haftentlassung im April
Am schlimmsten wiegt bei dieser ganzen Sache, dass Sie die Schließungen und Umstrukturierungen vorantreiben, ohne dass Sie bis heute ein auch nur ansatzweise tragfähiges Konzept vorgelegt haben, wie sozialtherapeutischer Vollzug in Hamburg weiter stattfinden soll.
Bis heute ist nicht klar, wie Sie die Binnendiversifikation in der Anstalt Fuhlsbüttel erreichen wollen, das heißt, wie Sie die notwendige Unterteilung nach einzelnen Tätergruppen gewährleisten wollen.
Auch die finanziellen Fragen sind bis heute nicht geklärt, genauso wenig haben wir ein Personalkonzept. Gerade deswegen herrscht eine große Verunsicherung unter den Bediensteten des Strafvollzugs, die – so steht zu befürchten – sich irgendwann negativ auf die Einstellung und damit auf die Qualität der Arbeit auswirken wird. Aber gerade im Strafvollzug steht und fällt die Güte der Arbeit mit der Motivation der Mitarbeiter. Dies hätten Sie, Herr Senator Dr. Kusch, bei all Ihren Hauruckaktionen bedenken müssen.