Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

(Barbara Ahrons CDU: Komisch, dass die Wirt- schaft dies anders sieht!)

Es setzt falsche Schwerpunkte in der Nutzung begrenzter Flächen in Hamburg, es gefährdet die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg durch eine ungebremste Ausweitung des Verkehrs und insbesondere ignoriert es die Bedürfnisse von gering qualifizierten Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Letztendlich ist das, was dieser Senat hier vorlegt, business as usual, das, was schon immer in dieser Stadt stattgefunden hat. Wenn der Umschlag im Hafen steigt, braucht man mehr Flächen. Schon heute gehen auch ohne dieses Logistikkonzept 68 Prozent aller Gewerbeflächen bereits an Logistikunternehmen.

Die einzige Antwort des Senats auf diese neuen Entwicklungen im Logistikbereich soll sein, zusätzliche Flächen bereitzustellen. Von den 14 800 Arbeitsplätzen, die sich der Senat davon verspricht – ich komme später noch darauf zurück, ob es denn wirklich realistisch ist, dass diese jemals auf Hamburger Gebiet realisiert werden können –, gehen allein 13 000 auf die Ausweitung der Flächenangebote für bestehende Logistikfirmen in Hamburg und für die Ansiedlung neuer zurück.

Die Bereiche, die allerdings sehr viel arbeitsplatzintensiver und auch wertschöpfungsintensiver in der Logistikkette sind, vernachlässigt das Senatskonzept in sträflicher Art und Weise. Es ist wahr, dass es dort eine Vernetzung der Akteure geben soll – dieses Logistikkontor –, aber aus der Drucksache und aus den Beratungen in den Ausschüssen wurde auch ganz deutlich, dass der Senat überhaupt keine Ahnung hat, wozu diese Vernetzung eigentlich dienen, in welche Richtung sich dort etwas entwickeln soll. Sie scheinen zu meinen, das kann erst entstehen werden, wenn sich die Leute zusammensetzen. Aber da kann man Ihnen ganz klar sagen: Von nichts kommt nichts. Wenn Sie sich erfolgreiche Vernetzungsinitiativen ansehen, wie zum Beispiel "media@ work" oder unter anderem auch – von Ihrem Senat vorgeschlagen – Ihr Nanotechnologie-Programm, so hat es dort ganz klare Schwerpunktsetzungen und Zielsetzungen gegeben. Dort ist ein Vergleich der Wettbewerbsposition der Hamburger Branchen international und national vorgenommen worden und entsprechende Schwerpunkte gesetzt. Solche Vernetzungen können dann auch erfolgreich sein. Aber im Logistikbereich ist es ganz deutlich, dass der Senat gar nicht weiß, was er tut und was passieren soll. Aber das kann keine private Public-privatepartnership, Ihr Zauberwort, irgendwie schon von alleine richten. So einfach, meine Damen und Herren, können Sie es sich in diesem Bereich nicht machen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nun hätten wir jetzt einfach nein sagen können, diese Vorlage ist nicht entscheidungsfähig, sie ist zu wenig konkretisiert. Aber dieses Konzept, auf Flächenwachstum des Verkehrsbereichs gegründet, wird gleichzeitig zwangsläufig zur Verschlechterung der Lebensbedingungen in Hamburg führen und unter anderem durchaus

auch die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg gefährden,

(Barbara Ahrons CDU: Das ist ja unglaublich, Herr Kerstan!)

sodass wir dieses Konzept so nicht stehen lassen können und dem deshalb ein eigenes Konzept entgegengesetzt haben. Wir glauben, dass es notwendig ist, dass sich diese Logistikinitiative auf die prozessorientierten Dienstleistungen konzentriert, in denen IT und Software und weitere Verfahren und Dienstleistungen entwickelt werden können, die dann auch exportiert werden können, denn diese Probleme, die wir hier haben, gibt es überall auf der Welt. Wir glauben in der Tat, dass man sich für die Flächenausweitung – es ist ja nicht so, dass wir sagen, wir wollen keine zusätzlichen Flächen –, sehr genau überlegen muss, wo man diese Flächen bereitstellt und dass man bei der Verteilung dieser Flächen dann natürlich auch Verkehrskonzepte berücksichtigen muss, die die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger durch LkwVerkehr, durch Lärm und Feinstaub, die direkt die Gesundheit betreffen, minimiert. Das sind alles Überlegungen, die in Ihrem Konzept überhaupt keine Rolle spielen. Für Sie ist Wachstum, Flächenverbrauch das einzige Kriterium. Mit allen anderen beschäftigen Sie sich gar nicht. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wir sind gar nicht so weit auseinander. Natürlich muss es in der Metropolregion weitere Flächen für den Logistikbereich geben. Aber wo siedelt man diese Flächen an? Im Kernbereich der Metropole, dort wo die meisten Menschen wohnen? Oder siedelt man die Nutzungen, die sehr flächenintensiv, aber sehr wenig arbeitsplatzintensiv und auch wenig wertschöpfungsorientiert sind, nicht eher in den Randbereichen der Metropole an und konzentriert sich im Kernbereich auf die wertschöpfungsreichen, arbeitsplatzarmen Dienstleistungsbereiche, die gar nicht so viele Flächen benötigen? Das wäre ein sinnvolles Konzept gewesen. Doch dafür müssen die notwendigen Arbeitsschritte erst noch geleistet werden. Wir fordern ein solches Konzept ein.

Dazu braucht man aber auch innovative Verkehrsprojekte und dazu reicht letztendlich dieses alte Denken nicht, das immer noch diesen Senat auszeichnet. Wir leben in einer globalisierten Wissensgesellschaft und die einzige Chance, die Hamburg und auch Deutschland als Hochlohnland haben, sind hoch produktive, hoch innovative, wissensintensive Arbeitsschritte. Mit Flächen und einfachen Tätigkeiten werden wir auf Dauer international nicht konkurrieren können. Darum muss in diesem Bereich auch mehr gemacht werden. Innovative Verkehrslösungen zu erarbeiten ist dann nicht nur für Hamburg notwendig, sondern diese wären natürlich auch exportfähig.

(Hartmut Engels CDU: Nennen Sie doch mal ein paar!)

Wenn es ein größeres Verkehrsaufkommen gibt, denken Sie nur daran – wie zum Beispiel mit der Hafenquerspange –, neue Autobahnen zu bauen. Sie ignorieren dabei, dass Sie damit Ihr Kernprojekt "Sprung über die Elbe" zerschneiden und praktisch unmöglich machen. Wir wollen viel mehr Transportaufkommen durch automatisierte Güterverkehre abwickeln, was es in dieser Art und Weise im Moment noch nicht gibt, aber was die Lebensqualität in dieser Stadt in Zukunft verbessert und zusätzliche Chancen im Export bei der Lösung dieser Probleme auch

in anderen Regionen leisten kann. Dafür braucht es allerdings auch Güterverteilzentren am Rande der Stadt, die auch wirklich Güterverkehrszentren sind. Das so genannte GVZ in Moorfleet hat noch nicht einmal einen Gleisanschluss. Insofern können Sie dort solche innovativen, automatisierten, gleisorientierten Verkehre gar nicht hinbringen, um dann von dort am Rande der Region die Güterverkehre per Lkw weiterzubringen. Für alle diese Bereiche brauchen wir zusätzliche Konzepte, meine Damen und Herren. So einfach wie dieser Senat es in seiner Drucksache macht, ist es nicht und wird nur zu weiterem Verkehr in der Kernstadt führen mit all den Gefahren, die wir für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auf der Straße und ihre Gesundheit durch Feinstaub und ähnliche Belastungen schon lange kennen.

Ich möchte zum letzten Punkt kommen. Das ist der Bereich, wie Sie Ihre Logistikinitiative finanzieren wollen. Sie nehmen es wieder aus den Töpfen, die für gering qualifizierte Arbeitslose zur Verfügung stehen und wollen dann aber hoch qualifizierte Arbeitsplätze schaffen. Sie sprechen sogar davon, dass dieses neue Kontor dann möglichst hoch qualifizierte Mitarbeiter bundesweit oder sogar international anwerben soll. Die Arbeitslosen in Hamburg mit geringer Qualifikation gehen bei Ihrem Konzept leer aus. Es werden ihnen keine neuen Chancen eröffnet und die bisherigen Chancen werden beschnitten. Das ist wirklich unverantwortlich. So können Sie es nicht machen, meine Damen und Herren. Deshalb haben wir in unserem Konzept auch mehrere Punkte vorgeschlagen, wie eine arbeitsmarktorientierte Clusterpolitik für den Logistikbereich aussehen muss, damit auch die Schwächsten auf dem Hamburger Arbeitsmarkt davon profitieren.

Meine Damen und Herren! Wir sehen Chancen im Logistikbereich. Wir möchten auch, dass Hamburg diese Chancen nutzt. Dafür braucht es noch viel Arbeit. Wir haben diesem Senat aufgezeigt, in welche Richtung er arbeiten muss. Wir wünschen uns, dass wir in diesem Bereich auch einmal über konkrete Arbeitsschritte diskutieren können und nicht nur über einfache Ankündigungen, denn eines ist ziemlich klar: Sie können in Ihrem Konzept die notwendigen Flächen nicht benennen. Es gibt einen ganz klaren Grund, warum Sie diese Flächen, die Sie für die Logistikinitiative benötigen, nicht benennen können. Sie haben doch unter anderem im Hafen die benötigten Flächen schon längst für die Ausweitung des Containerumschlags verwandt oder in anderen Bereichen der Stadt für Ihren Sprung über die Elbe oder für andere städtebauliche Schlüsselprojekte. Darum kann Ihr Senat im Moment, selbst auf hartnäckige Nachfragen, überhaupt keine Flächen nennen, auf denen diese 40 Hektar Logistikfläche pro Jahr, wovon 36 im Kerngebiet Hamburgs angesiedelt werden sollen, angesiedelt werden können. Deshalb werden Sie letztendlich, wenn Sie diesen Weg weitergehen, noch nicht einmal die 13 000 Arbeitsplätze bekommen, denn Sie haben schlicht und ergreifend diese Flächen nicht zur Verfügung. Wir hoffen, dass wir in Zukunft noch umsteuern können und wünschen uns, dass Sie auf der Grundlage unserer Anträge in diesen Bereichen tätig werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Uldall.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man einmal von der Würze in den Reden von Herrn Egloff und Herrn Kerstan absieht, dann waren das eigentlich zwei ganz gute Reden zum Logistikstandort in Hamburg.

(Michael Neumann SPD: Wie schön, dass Sie das zu beurteilen haben!)

Ich möchte nur eines sagen: Ich finde es nicht gut für Oppositionsparteien – ich bin lange genug selber Oppositionspolitiker gewesen –, wenn Sie alles, auch was Sie positiv finden, mit einem nörgelnden Unterton vortragen.

(Zurufe von der SPD – Dr. Mathias Petersen SPD: Sie haben doch gar nicht zugehört!)

Dann werden Sie bei der Bevölkerung nie den Beifall bekommen, den Sie sich wünschen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Gestern war es dasselbe. Da hatten wir eine tolle Entwicklung am Hamburger Flughafen aufzuführen und die ewige Forderung der Opposition, jetzt endlich einmal etwas für internationale Flugverbindungen zu tun, wurde erfüllt. Aber darüber wurde gar nicht gesprochen, sondern es wurden dann irgendwelche negativen Randaspekte gefunden, weil man schlichtweg aus seiner Nörgelposition nicht herausgekommen ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich wünschte mir eine Opposition, die uns wirklich konstruktiv begleitet.

(Ingo Egloff SPD: Gucken Sie sich unsere Anträge an, Herr Senator!)

Dieses wäre gut für Hamburg, aber auch gut für Sie selber. Deswegen sollten Sie sich das überlegen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, dass wir diese gute Initiative nicht zerreden sollten und möchte deswegen zu Beginn, bevor ich auf die Fragen, die angeschnitten wurden, eingehe, den größeren Zusammenhang darstellen, in dem die Logistikinitiative zu betrachten ist.

Wir müssen davon ausgehen, dass die Globalisierung auch in Zukunft zu Arbeitsplatzverlusten am Standort Deutschland führen wird. Das haben wir gerade sehr schmerzhaft bei den Hamburger Aluminiumwerken gespürt.

Wir müssen damit rechnen, dass die Liberalisierung und die neuen Technologien den Standort Deutschland weiterhin zu einem enormen Handlungsdruck verpflichten. Die Dimension der zu erwartenden Entwicklung des internationalen Warenaustausches zeigt die Umschlagprognose für den Hamburger Hafen. Bis zum Jahre 2015 soll allein der Containerumschlag von 7 Millionen TEU in den vergangenen Jahren auf 18 Millionen TEU steigen. Das ist eine gewaltige Steigerung, die wir bewältigen wollen und auch müssen.

Unsere zentrale wirtschaftspolitische Herausforderung der nächsten Jahre ist, solche Chancen zu nutzen, damit neue Arbeitsplätze bei uns in Hamburg entstehen und

das ausgeglichen wird, was durch Globalisierungstendenzen an Arbeitsplätzen verloren geht.

Nun möchte ich zu den Fragen Stellung nehmen, die Herr Egloff und Herr Kerstan aufgeworfen haben. Das sind wichtige Fragen und deswegen will ich sie auch gleich beantworten.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im Bereich Innovation – Sie meinten, es käme nichts Innovatives – eine ganze Reihe von wichtigen Vorhaben planen. Bei der Förderung von Forschung und Entwicklung der kleineren und mittleren Unternehmen soll zum Beispiel an einem faltbaren Container zur Verringerung der Leerfahrten gearbeitet werden. Das ist doch etwas, wobei uns Herr Kerstan als Vertreter der GAL-Fraktion begeistert sein und unterstützen müsste, weil die Containerfahrten auf dem Lkw dann so aussehen werden, dass nicht nur ein einzelner Container transportiert wird, sondern – wenn es gelingt, dieses so zu entwickeln, wie wir es planen – man könnte fünf Container auf einen Lkw transportieren.

(Bernd Reinert CDU: Das ist doch schön!)

Das ist wirklich ein Beitrag zur sauberen Umwelt und deswegen sollten wir dieses unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Wir arbeiten an einer optimierten Steuerung von Verkehren durch Sendungsverfolge, sodass die durch Staus entstehenden Probleme den Kunden rechtzeitig mitgeteilt werden können. Wir arbeiten am Diebstahlschutz für Waren durch eine höhere Fälschungssicherheit von Transportpapieren und, und, und. Wir wollen für den Aufbau einer Forschungsinitiative – zum Beispiel für die Forschung von Funktionsfähigkeiten – zur Erprobung neuer Technologien für Distributionszentren ein Futurewarehouse bauen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen daran, dass Logistik nicht eine alte Technologie ist, sondern sie ist eine hoch innovative, IT-orientierte Branche in Deutschland. Wer sagt, dass dieses etwas Veraltetes ist, liegt völlig daneben,

(Michael Neumann SPD: Wer sagt denn das?)

denn dieses Branche ist eine auf die Zukunft gerichtet.

Wir bauen an einem Forschungsinstitut für Logistik, weil wir eine Identifizierung von strategischem Wissensbedarf am Standort und die Umsetzung an einem neuen Institut vornehmen wollen. Wir arbeiten daran, ein spezialisiertes Schiedsgericht für Logistik am Standort Hamburg aufzubauen. Wir wollen unter dem Gesichtspunkt Qualifizierung "Logistik lernen" mit der Handelskammer Hamburg ein Internetportal für Aus- und Weiterbildung und ein Trainingszentrum für Lagerarbeiter einrichten. Wir werden in die Schulen gehen, um Schülerinnen und Schüler für Berufe in der Logistik zu begeistern. Dieser Bereich ist ein Wachstumszweig und ich kann vielen jungen Menschen nur empfehlen, diesen beruflichen Weg zu gehen. Dort wird man große Chancen für eine positive Entwicklung haben.

Wir werden beim Standortmarketing weiter sehr intensiv vorangehen und zum Beispiel die Messe der Transportlogistik in China oder die TransRussia mit Gemeinschaftsständen besuchen. Wir werden themenorientierte Arbeitskreise fortführen und so weiter. Das ist eine Viel