(Michael Neumann SPD: Nach 44 Jahren! – Bernd Reinert CDU: Wir wollen uns nicht dem Vorwurf der Übertreibung aussetzen!)
Dieser Senat und die CDU werden fortfahren im Bemühen, Hamburg zu einer der sichersten Großstädte zu machen. Dazu sind wir angetreten, dafür sind wir gewählt worden und dabei werden wir auch erfolgreich sein. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gerade eine ziemlich polemische Wahlkampfrede des CDULandesgeschäftsführers gehört.
Liebe Kollegen der CDU-Fraktion, dass Sie unsere Kritik heute hier und letzte Woche per Pressemitteilung kritisiert haben, zeigt vor allem eines: Wir haben bei Ihnen offenbar einen wunden Punkt getroffen.
Bei den bescheidenen Ergebnissen, die Sie in der Kriminalstatistik erzielt haben, haben Sie auch allen Grund, bei diesem Punkt empfindlich zu sein und ein Schönreden wird Ihnen überhaupt nichts nützen.
Auch Sätze wie der Ihres neuen CDU-Spezis und ExSenators Nockemann zu dieser Statistik, Prozentrechnereien seien nicht alles, sind schon bezeichnend und zeigen, dass Sie in Wahrheit mit den Ergebnissen Ihrer Kriminalitätsbekämpfung, Ihrer Statistik alles andere als zufrieden sind, auch wenn Sie uns hier heute etwas anderes weismachen wollen.
In der Tat genügt es, in diesen Tagen einmal die Zeitung aufzuschlagen und zu sehen, wie die Gewaltbereitschaft in dieser Stadt wächst. Wir haben Busse, die von Sicherheitsdiensten eskortiert werden müssen, zahlreiche Kriminalitätsschwerpunkte machen Schlagzeilen in dieser Stadt. Wo ist das sichere Hamburg, das Sie den Hamburgerinnen und Hamburgern versprochen haben?
Wir werden den Finger in die Wunde Ihrer offenen Wahlversprechen legen, da können Sie ganz sicher sein und da können Sie noch so sehr vergangenheitsbezogen argumentieren, wie Sie das eben gemacht haben. Wenn Sie schon das Ziel "Halbierung der Kriminalität in 100 Tagen" abgehakt haben, wie es in der letzten Wahlperiode hieß, so ist doch wohl das Ziel, Hamburg zu einer der sichersten Großstädte Deutschlands zu machen, immer noch aktuell, oder? Vor diesem Hintergrund ist die Kriminalstatistik 2003 für Sie alles andere als ein Ruhmesblatt.
Angesichts der Wachstumsraten bei einigen Delikten bekommt der Zusammenhang zwischen der Kriminalitätsbekämpfung und Ihrem Lieblingsprojekt, der "Wachsenden Stadt", den Sie, Herr Kollege Ahlhaus, letzte Woche in Ihrer Pressemitteilung und heute auch noch einmal hergestellt haben, allerdings eine ganz besondere Bedeutung: Wachsende Stadt, wachsende Deliktzahlen. Sie sehen, dieses Label "Wachsende Stadt" eignet sich wahrlich nicht für jedes Thema.
Sie haben uns letzte Woche politisch motivierten Erinnerungsschwund vorgeworfen, eine sehr schöne Wortkreation, die ich direkt an Sie zurückgeben kann. Ihr Erinnerungsschwund ist nämlich offenbar von besonderer Schnelligkeit. Die Kriminalstatistik 2003 ist nämlich zugleich eine Story von Pleiten, Pech und Pannen. Erinnern Sie sich, dass es gerade ein Dreivierteljahr her ist – der heutige Innensenator wird sich als seinerzeit polizeilich Verantwortlicher sicherlich noch sehr gut daran erinnern –, dass die erste Halbjahresstatistik 2003 sich als falsch herausgestellt hat. Sie musste zurückgezogen und korrigiert werden. Sie haben 7220 Delikte nicht erfasst und mussten eine korrigierte Vorlage vorlegen. Dieser Statistikskandal war und ist eine Niederlage für Sie, Herr Nagel, und ein Glaubwürdigkeitsdesaster für den gesamten Beust-Senat und das auf seinem Vorzeigepolitikfeld.
Dieses hier und heute unter den Teppich zu kehren, kann man nur – jetzt benutze ich noch einmal Ihre Worte – als politisch motivierten Erinnerungsschwund erklären. Sie haben zu dem Punkt nichts gesagt.
Nun möchte ich aber zu den Zahlen im Einzelnen doch etwas sagen. Der bundesweit dritte Platz unter den Großstädten bei der Häufigkeitszahl der Delikte pro 100 000 Einwohner heißt nur eines: Von Hamburg als sicherster deutscher Großstadt sind wir noch Lichtjahre entfernt. An Münchner Verhältnisse – Herr Ahlhaus, Sie haben eben noch einmal darauf Bezug genommen – sind wir bisher nur in der Leitung der Innenbehörde herangekommen, in weiteren Bereichen nicht.
Besonders Besorgnis erregend ist, dass die Gewaltkriminalität in Hamburg im Bundesvergleich überdurchschnittlich steigt. So haben wir zum Beispiel bei den gefährlichen und schweren Körperverletzungen Anstiege bis zu 11 Prozent. Der bundesweite Anstieg beträgt hier weniger als 5 Prozent. Bei Vergewaltigungen haben wir sogar eine Steigerungsrate von 23 Prozent. Das sind Ergebnisse, die Sie alarmieren müssten, Herr Senator. Für unsere Polizisten wird die Arbeit immer schwieriger und gefährlicher. So haben die Widerstandsdelikte in Hamburg um fast 20 Prozent zugenommen. Da sind Sie in Ihrer Fürsorgepflicht gefordert, Herr Senator.
Bei der Aufklärungsquote – sie liegt bei knapp 44 Prozent – gehört Hamburg hingegen weiterhin zu den Schlusslichtern in Deutschland.
Mehr Gewalt, wenig Aufklärung. Die Kriminalstatistik ist im Bundesvergleich damit ein Dokument des Versagens dieses Senats. Hamburg ist und bleibt gefährlich.
Und was bietet uns der Senat zu alledem an? – Dieses DIN-A3-Blättchen, das uns heute als Drucksache vorliegt, ist in Wahrheit null aussagekräftig. Es enthält weniger Informationen zu diesem Thema, als in der Pressemitteilung der Innenbehörde steht. Dass Sie diese Statistik jetzt nicht einmal an den Innenausschuss überweisen wollen, damit wir darüber detailliert weiterreden können, zeigt natürlich, dass Sie bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema da ein bisschen feige sind. Wir hatten da ganz andere Erwartungen an Sie, die ich Ihnen noch einmal genau sagen will.
Wir hatten gedacht, jetzt, wo wir eine CDU-Alleinregierung haben, würden Sie sich von der Faulheit von Ronald Schill, die dieser in dem Bereich an den Tag gelegt hat, absetzen. Mit der Vorlage dieser Drucksache und wie Sie heute damit umgehen, wurden wir da enttäuscht.
Deshalb wollen wir Ihnen mit dem Zusatzantrag, der Drucksache 18/221, heute Beine machen. Die Bürgerschaft hat nämlich einen Anspruch darauf, detailliert zu erfahren, wie der Senat die Kriminalitätsentwicklung bewertet und wie er Straftaten bekämpfen will. Diesen Antrag haben Sie zusammen mit Schill und der FDP
vor zwei Jahren abgelehnt. Heute wollen Sie es noch einmal machen. Herr Schill hat dann allerdings im Innenausschuss auch Fragen zur Kriminalstatistik abgelehnt und Sie, verehrte Kollegen von der CDUFraktion, haben damals tatenlos zugesehen. Hatte da etwa jemand etwas zu verbergen? Insofern haben Sie heute die Chance, auch einen anderen Umgang mit der Kriminalstatistik und den Folgerungen, die wir alle daraus gemeinsam ziehen müssen, an den Tag zu legen. Sie haben noch die Chance, auch diese Drucksache an den Ausschuss zu überweisen, sodass wir dann auch inhaltlich diskutieren können.
Aber es zeigt, dass Sie bei diesem Punkt weiter kneifen wollen und nicht die richtige fachlich-inhaltliche Auseinandersetzung führen.
Trotzdem möchte ich aus sozialdemokratischer Sicht noch drei Punkte nennen, und zwar hinsichtlich der Rückschlüsse, die daraus zu ziehen sind.
Sie lassen Beamte dreimal innerhalb eines Jahres die Dienststelle wechseln, die Dienststellen umziehen. Sie haben die Stellenzahl im Bereich der Vollzugsbeamten im Büro des Polizeipräsidenten binnen zwei Jahren von 26 auf 49 fast verdoppelt. Da braucht man sich über manche Kriminalitätsergebnisse wahrlich nicht zu wundern.
Und, meine Damen und Herren, wir brauchen eine polizeiliche Schwerpunktsetzung – das zeigen die Zahlen ganz eindeutig – bei der Betrugs- und Gewaltkriminalität. Die Reform der Verbrechensbekämpfung muss der Senat noch einmal überarbeiten und da insbesondere auch die Kritik der Fachleute bei dieser Bewertung mit einbeziehen. Wir brauchen eine echte Opferschutzpolitik. Sie haben hier nur geredet, real bewegt haben Sie in diesem Bereich nichts.
Schon in den Haushaltsberatungen werden wir jetzt sehen, welche Schlüsse Sie ziehen. Die Haushaltslage ist so – jedenfalls, wenn Sie denn alle Blitzampeln in dieser Stadt wieder angeknipst haben –, dass in Zukunft der Haushaltsschonbereich Polizei bald der Vergangenheit angehören wird. Was das für die Kriminalitätsbekämpfung in dieser Stadt bedeuten wird, kann sich dann jeder selbst ausmalen.
Wir sind jedenfalls auf die nächste Statistik gespannt und wir hoffen, ohne Statistiktricks und Rechenfehler. – Vielen Dank.