Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Wolfgang Beuß CDU: Das gab es doch zu Ihrer Zeit auch!)

Nur eine scheinbare Kehrtwendung machte die "Bild" dann gestern. Dort sagte Klaus Neuenhüsges, der Chef der Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten: Durchgedrehte nackt zu fesseln ist unser Alltag.

Damit nimmt diese Sache eine weit größere Dimension an. Dass diese unbekleideten Fesselungen alltäglich passieren, hatten wir zwar befürchtet, aber bis dahin weder gewusst noch behauptet. Diese schwerwiegende Verletzung der Menschenwürde ist – wenn man diesem Insider des Strafvollzugs glauben soll – in Hamburg an der Tagesordnung. Die zwangsweise Entkleidung ist immer eine Erniedrigung. Auch die Fesselung auf einem Fesselbett ist eine Erniedrigung.

Um es klarzustellen: Wir bezweifeln nicht, dass es Situationen gibt, in denen man Strafgefangene zu Durchsuchungszwecken entkleiden muss.

(Ah-Rufe bei der CDU)

Wir bezweifeln auch nicht, dass es notwendig ist, in bestimmten Situationen Strafgefangene zu fesseln.

(Ah-Rufe bei der CDU)

Es gibt aber keinen Grund, jemanden über Stunden nackt zu fesseln.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es gibt keinen Grund, weil die Durchsuchung nicht über Stunden andauert, sondern nach wenigen Minuten abgeschlossen ist, es gibt keinen Grund, weil ein gefesselter Gefangener nicht an gefährliche Gegenstände herankommen kann, egal wo er sie versteckt hat. Es gibt keinen Grund, weil es natürlich Möglichkeiten gibt, eine gefesselte Person zu bekleiden. Wenn also all diese Begründungen vorgebracht werden, die wir jetzt hören dürfen, dann zeugt das mindestens davon, dass die Menschenwürde der Gefangenen so gering geschätzt wird, dass nicht einmal nach geeigneten Verfahren für solche Extremsituationen gesucht wird.

Es ist deswegen auch nicht verwunderlich, wenn dieses Verfahren weitergehende Fragen aufwirft. Bei einer Besichtigung der Beruhigungszelle in Fuhlsbüttel sagte mir persönlich ein Bediensteter ganz locker: Die nackte Fesselung sei besonders praktisch bei moslemischen Gefangenen. Die geben dann schnell klein bei, weil ihnen diese Situation besonders unangenehm ist.

Ich frage mich angesichts der Begründung des Senators natürlich: Ist das jetzt die Sicht dieses einzelnen Bediensteten oder entspricht das einer allgemeinen Haltung im Strafvollzug?

(Klaus-Peter Hesse CDU: Was haben Sie denn danach gemacht?)

Es wäre besonders perfide, wenn das Schamgefühl der Gefangenen ausgenutzt würde, um sie gefügig zu machen.

(Beifall bei der GAL)

Das darf es in keinem Gefängnis dieser Welt und schon gar nicht in einem Rechtsstaat wie Deutschland geben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

In den Sechzigerjahren starb ein Gefangener, nachdem er in einer überheizten Beruhigungszelle allein gelassen wurde. Wichtigste Konsequenz war damals die Gründung der Justizbehörde. Sie sollte sicherstellen, dass auch im Strafvollzug Recht und Gesetz herrschen. So hielt es auch die Vorgängerin des jetzigen Amtsinhabers. Sie intervenierte

(Glocke)

ich komme zum letzten Satz –, als sie davon hörte. Der jetzige Senator interveniert nicht, er rechtfertigt diese entwürdigende Praxis. Garant für Recht und Gesetz

(Glocke)

das ist Kusch nicht einmal, wenn es um die Menschenrechte geht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Spethmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Steffen, Sie und Ihr Kollege aus der Deputation zeigten seit letztem Wochenende eine absurde, unwürdige Inszenierung gegen Justizsenator Kusch.

(Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Das glau- ben Sie doch in Wahrheit selber nicht!)

Schon seit 2001 versuchte die Opposition mehrfach, die gute Arbeit dieses Senators zu diskreditieren.

(Lachen bei der SPD und der GAL)

Doch jede dieser Inszenierungen scheiterte und musste abgesetzt werden, wenn man das kulturpolitisch sieht. So auch hier die Vorwürfe des letzten Wochenendes. Sie lassen immer mehr nach. Die ersten Vorwürfe klangen sehr schlimm. Wenn es denn so wäre, dass ein Gefangener tatsächlich aus entwürdigenden Gründen so behandelt wird, dann trifft das auch nicht die Zustimmung der CDU-Fraktion und auch nicht die des Senators.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage mich aber, warum ein Deputierter der GAL, Herr Medecke, gleichzeitig Strafverteidiger und nicht unerfahren, so lange schweigt? Sechs Monate schweigt er bei solchen Vorwürfen.

(Dr. Till Steffen GAL: Hat er doch gar nicht!)

Ich bin selber Anwältin. Wenn ich solche Vorwürfe höre, dann kläre ich sie. Wenn sie innerhalb einer Woche nicht geklärt werden, dann würde ich auch an die Öffentlichkeit gehen. Aber ich warte doch nicht sechs Monate. Das ist eine Inszenierung.

(Beifall bei der CDU)

In den Hamburger Justizvollzugsanstalten wird rechtmäßig auf Grundlage des Strafvollzugsgesetzes und der Untersuchungshaftvollzugsordnung gehandelt. Dies gilt auch für die Anwendung besonderer Sicherungsmaßnahmen. Die feinsinnige juristische Argumentation – da wundere ich mich bei manchen Juristen der Opposition. Boshafte Vergleiche mit Haftmethoden in anderen Ländern sind wohl nicht ganz angebracht. Wenn man nicht selbst in der Verantwortung steht, mag so etwas leicht gehen.

Die in den Anstalten hart geleistete Schwerstarbeit ist für billige Propagandazwecke missbraucht worden. Das muss man Ihnen hier vorwerfen.

(Beifall bei der CDU)

Das tun Sie nicht auf dem Rücken des Senators – der muss dafür notfalls politisch gerade stehen –, nein, Sie tun es auf dem Rücken der vielen Bediensteten, die einen sehr schweren Job tätigen.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss Ihnen jetzt folgenden Vorwurf machen, Herr Dr. Steffen: Wenn ein Mitarbeiter des Strafvollzugs Ihnen gegenüber solche Äußerungen gemacht hat, dann hätte ich sie an Ihrer Stelle sofort weitergereicht.

(Bernd Reinert CDU: Ja!)

Es ist verantwortungslos, hier nicht gehandelt zu haben, es ist unmöglich.

(Beifall bei der CDU)

Durch solch ein Wissen machen Sie sich zum Mittäter, wenn Sie da stillhalten.

(Farid Müller GAL: Jetzt hören Sie aber auf! – Bei- fall bei der CDU und Zurufe von der SPD und der GAL)

Die Fesselung von Gefangenen und auch die damit verbundene Entkleidung stehen als allerletztes Mittel zur

Wahl, wenn es, wie in diesen beschriebenen Fällen, keine Alternativen mehr gab. Es gibt eskalierte Situationen und nach der Beschreibung der Strafvollzugsbediensteten sind diese 20 Stunden notwendig gewesen, weil die betreffenden Gefangenen derart aufgebracht waren, dass eine Lösung der Fesseln vorher nicht möglich war.

Ich stelle fest: Es gibt keinen Fesselungsskandal in Hamburger Justizvollzugsanstalten. In den Anstalten wird streng nach gesetzlichen Bestimmungen gehandelt. Gleichwohl müssen diese Vorwürfe jetzt untersucht und es muss genau geprüft werden, was sich ereignet hat. Auch in anderen Bundesländern wird genau nach diesen Maßstäben gehandelt. Wenn wir gemeinsam feststellen, dass diese Maßstäbe nach heutiger Sicht anders als noch vor zehn Jahren zu beurteilen sind, dann muss auch dieses überdacht werden. Insoweit ist es gut, dass wir anfangen, darüber nachzudenken.

Ich möchte die gesamten Zahlen aus den letzten Jahren nennen: 1996 gab es 147 Fesselungen, 1997 158 Fesselungen, 1998 130 Fesselungen,