Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

(Beifall bei der SPD)

Das Ziel der heutigen Schulpolitik muss doch sein, Konsequenzen aus der PISA-Studie in der Beziehung zu ziehen, dass es einmal darum geht, langfristige Maßnahmen zu treffen.

(Robert Heinemann CDU: Genau!)

Dort, wo Sie diese Sachen machen, haben Sie auch unsere Unterstützung. Aber man muss eben auch kurzfristige Maßnahmen für die heute Zehnjährigen treffen, weil es darum gehen muss, die Qualität des jetzigen Unterrichtes zu verbessern. Der jetzige Unterricht ist das entscheidende Kriterium. Da brauche ich doch nur Herrn Engels anzuschauen. In dieser Beziehung wissen wir Lehrerinnen und Lehrer doch, wo es hapert. Dort müssen Sie die Antworten geben und diese sind Sie heute wieder schuldig geblieben. Da hilft auch kein Verweis – den ich nun erst gar nicht gemacht habe und der Ihnen interessanterweise auch nicht eingefallen ist – auf Ihren kommenden Schul-TÜV nichts, sondern die entscheidende Forderung der Stunde muss sein, die Lehrerinnen und Lehrer fortzubilden.

(Beifall bei der SPD – Robert Heinemann CDU: Haben wir auch eingeführt!)

Dazu haben Sie aber gerade nichts gesagt.

Das ist der entscheidende Weg, den wir beschreiten müssen. Wir haben es doch bei der Beratung im Ausschuss festgestellt: Dies gilt ganz besonders für die Weiterentwicklung des Mathematikunterrichtes. Bei den Ergebnissen, die dort erzielt worden sind, auch im Gymnasium – das ist doch ein Armutszeugnis –, können Sie doch nicht sagen, das sei wieder alles 44 Jahre SPD. Nein, Sie haben seit viereinhalb Jahren die entsprechende Mehrheit, hätten hier entsprechend reagieren können und hätten die ganzen Mathematiklehrer massiv in die Fortbildung schicken können, damit ein attraktiver und zielgerichteter Unterricht in diesem Fach hätte stattfinden können. Das ist Ihre Verantwortung und Ihr Versäumnis, Herr Heinemann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wir haben damals schon angefangen …

(Zurufe von der CDU)

So ist das aber eben.

(Hartmut Engels CDU: Sie haben 40 Jahre nur Mist gebaut!)

Ja, ja, das meinen Sie eben. Sie haben doch damals in der 15. und 16. Legislaturperiode auch nichts Konstruktives in dieser Beziehung nach vorn gebracht. Nichts, Herr Engels.

Nun können Sie nach vorn kommen.

(Hartmut Engels CDU: Das ist in Ihrer eigenen Verantwortung!)

Sie können das gern noch einmal darstellen, welche hervorragenden Alternativen zur SPD-Schulpolitik Sie damals in den jeweiligen Legislaturperioden hier immer formuliert haben.

Ich will gar nicht bei dieser Diskussion bleiben und darauf eingehen. Das ist nicht meine Kragenweite.

Wir halten für uns fest, dass damals schon auf LAU 5 von uns reagiert worden ist. Wir haben damals unter anderem die Maßnahme PLUS eingeführt, was genau dazu geführt hat, wie man in diesen Untersuchungen sehen konnte – das hat Herr Heinemann selbst aufgeführt –, dass durch das hervorragende Engagement, durch diese entsprechend zielgerichtete Maßnahme die Lesekompetenz der Migrantenkinder zum Beispiel gefördert worden ist, denn der Rang 4 ist doch ein hervorragendes Abschneiden Hamburgs mit dieser entsprechenden Einschränkung. Genauso umgekehrt, bei den Nicht-Migrantenkindern, ein Rang 5. Das heißt doch, dass das, was in den letzten Jahren getan worden ist, eine gute, zielgerichtete Maßnahme gewesen ist. Aber da wir die Risikoschülerinnen und -schüler nicht zusammenbekommen haben, ist es insgesamt so ausgefallen, wie es ist. Aber daran kommen Sie nicht vorbei, dass es solche Ergebnisse gegeben hat.

(Beifall bei der SPD)

Das Problem der Risikoschülerinnen und -schüler, Herr Engels, bleibt also Ihr Problem. Da kommen Sie nicht heraus.

(Zurufe von der CDU)

Und was macht die CDU? Sie kürzt am Programm PLUS und an den DaZ-Stunden, die nun gerade dieser Schülergruppe entsprechend weiterhelfen würden. Das ist die vollkommen falsche Weichenstellung als Konsequenz aus PISA 2003.

(Beifall bei der SPD)

Eine zweite Maßnahme, die wir damals ergriffen haben, war die Einführung von echten Ganztagsschulen in den Problemstadtteilen wie zum Beispiel Mümmelmannsberg.

Ihre Reaktion ist jetzt, dass Sie die entsprechenden Ausstattungsmittel gerade in Schulen, die in diesem Stadtteil so wichtig sind, weil sie dazu beitragen, dass der Anteil der Risikoschülerinnen und -schüler in diesen Stadtteilen nicht weiter wächst, um 60 Prozent kürzen – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, um unter anderem die Schulzeitverkürzung der Gymnasien mit irgendwelchen Suppenküchen und halbherzigen Ganztagsmaßnahmen zu unterfüttern. Das ist ein echter bildungspolitischer Skandal, Herr Heinemann.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Damit komme ich zur zweiten entscheidenden Forderung. Sie müssten endlich dafür sorgen, dass jede Region

daran werden wir Sie am Ende der Anmelderunde für die Ganztagsschulen messen – endlich mit einer echten Ganztagsschule ausgestattet ist,

(Robert Heinemann CDU: In jeder oder nur in so- zial schwierigen Regionen?)

die besonders den Grundschulbereich berücksichtigt. Deswegen stelle ich Folgendes fest:

Erstens: Wir sagen, der Unterricht muss jetzt und unmittelbar besser werden. Das kann man nur über eine Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer erreichen.

Das zweite Gebot der Stunde ist der Ausbau von echten Ganztagsangeboten in allen Regionen, vor allen Dingen an den Grundschulen.

Daran werden Sie gemessen, Herr Heinemann, und nicht an Ihrer Polemik auf dem Niveau von Gemeinschaftskunde-Klassenkampfreden. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich versuche, von der Polemik weg auf die alarmierenden Ergebnisse der PISA-E-Studie 2003 einzugehen. Man kann es auch gar nicht schönreden, fast 30 Prozent der in PISA getesteten Fünfzehnjährigen bleibt in den Kompetenzbereichen Mathematik, Leseverständnis und Naturwissenschaften auf oder unter der Kompetenzstufe 1. Man kann es nicht leugnen, sie werden es schwer haben werden, überhaupt eine berufliche Ausbildung zu absolvieren. Sie werden es überhaupt schwer haben, vernünftig durch das Leben zu kommen. Deshalb nennen die PISA-Forscher diese Schülerinnen auch Risikoschülerinnen. Hamburg hat nach Bremen die meisten dieser Jugendlichen in seinen Schulen und es kommt nicht von ungefähr, in keinem Bundesland – auch nicht in Bremen oder in Berlin, geschweige denn in Bayern – gibt es so viele Schülerinnen, die als Ausgangslage – Zitat – "geringe sozio-ökonomische und kulturelle Ressourcen" aus dem Elternhaus mitbringen. Das heißt also, Herr Heinemann, Ihr Vergleich mit Sachsen und Bayern hinkt an dieser Stelle ganz gewaltig.

(Beifall bei Gerhard Lein, Wilfried Buss und Thomas Böwer, alle SPD)

Hamburg, die reichste Stadt in Deutschland, hat ein Armutsproblem. Sie hat die meisten armen Schülerinnen, in keinem anderen Bundesland sind so viele Jugendliche arm, in keinem anderen Bundesland ist das Auseinanderklaffen zwischen einer großen Gruppe von Reichen und Armen so groß.

(Zuruf von Christoph Ahlhaus CDU)

Dieses Armutsproblem, Herr Ahlhaus, finden Sie in bestimmten Schulformen wieder, ebenso in bestimmten Schulen in bestimmten Stadtteilen. Die Kinder armer Eltern landen vor allem in den Hauptschulen. 75 Prozent der Jugendlichen in den Hauptschulen sind Risikoschülerinnen und sie konzentrieren sich auch dort in bestimmten Stadtteilen.

Genau hier liegt die Aufgabe der Enquete-Kommission. Sie muss nach der Schule und auch nach der Schulstruk

turreform nach einer Schulform suchen, die aus Risikokindern Kinder mit neuen Chancen macht.

Lassen Sie mich an dieser Stelle, Herr Heinemann, ein Wort zur Enquete-Kommission sagen. Ich freue mich, dass Sie und die CDU sich, nachdem Sie diese Kommission bekämpft haben – ich erinnere noch an Ihren Auftritt in diesem Hause –, um ihre Zukunft sorgen.

(Robert Heinemann CDU: Ja, weil Sie an anderen Gesprächen nicht teilnehmen!)

Vorgestern Abend ließen Sie in der Pressemitteilung wissen, dass die Enquete-Kommission wieder eine Zukunft hätte, weil jetzt andere SPD-Kollegen zu schulpolitischen Sprechern gewählt wurden. Vielleicht ist das auch gar nicht so schwierig. Aber dass Sie der Kommission nur eine Zukunft geben, wenn dort SPD-Vertreter sitzen, mit denen Sie sich schnell auf ein Zwei-Säulen-System einigen können, ist wirklich komisch. Da werden die fachlichen Analysen zur reinen Staffage und die Experten zu Statisten. Ich hoffe nicht, dass das Ihr Anliegen ist, Herr Heinemann.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Hamburg hat zu viele Risikoschüler. Um diese Feststellung kommen wir gar nicht herum. Die Frage ist, ob Hamburgs Schulen wirklich so schlecht sind. Man muss auch die andere Richtung angucken. In der PISA-Studie heißt es, dass Hamburg nach Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen mit fast 10 Prozent die größte Spitzengruppe hat, Herr Heinemann. Auch da liegen Sie falsch. Wenn Sie sich die Perzentilbänder anschauen – das sind die Auswertungen der PISA-Forschung –, stellt man fest, dass sich die Spitzengruppe in Hamburg – die Spitzenschüler in der Kompetenzstufe 5 – mit der Spitzengruppe in Bayern deckt, dass es aber die Risikoschüler in Bayern und in Sachsen gar nicht gibt und insofern auch diese Problematik gar nicht zu bearbeiten ist.

Von Herrn Buss wurde schon angemerkt, dass wir eine relativ hohe Anzahl von Schülerinnen mit Migrationshintergrund haben – Herr Heinemann sagte es richtig – und die Problemlösekompetenz erreichen. Das heißt, wir versäumen es in Hamburg, diese Potenziale, diese Talente, die es auch gibt, mitzunehmen.

Wir haben im Vergleich zu den Flächenländern – auch da hinkt Ihr Vergleich wieder – viel mehr arme Schüler und mehr Kinder mit Migrationshintergrund. Dummerweise wurden die Großstädte nicht mit in den Vergleich aufgenommen. Auch das haben wir im Schulausschuss hören müssen. Schön wäre es, wenn wir einmal einen Vergleich mit München oder mit Frankfurt hätten. Hamburg hat mit circa 35 Prozent die größte Gruppe von Migrantenkindern. Man kann es also nicht mit Sachsen und Bayern vergleichen, wo es 20 Prozent sind.

Deshalb ist die zweite große Aufgabe der EnqueteKommission, nach der Schulformstruktur zu suchen, die aus benachteiligten Migrantenkindern Kinder mit neuen Chancen macht.

(Lars Dietrich CDU: Sagen Sie doch mal etwas zu Finnland!)