Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wenn vor dem Hintergrund jetzt sogar das Grundgesetz geändert werden soll, um dann in Hamburg ein Strafvollzugsgesetz erlassen zu können, das die Politik dieses Senators decken würde, dann ist das doch ein sehr sonderbares Programm zur Rückführung von Justizsenator Kusch in die Legalität.

(Heiterkeit bei Christian Maaß GAL)

Ich will aber auch einen Satz zur SPD sagen. Die SPD hat einen Antrag vorgelegt, der sehr gleichlautend wie unser Antrag ist und dem wir deswegen auch zustimmen werden. Aber was macht die Hamburger SPD – und das frage ich ausdrücklich so, weil ich das nicht nur auf die Bürgerschaftsfraktion beschränke –, was machen eigentlich die Hamburger SPD-Abgeordneten zu diesem Thema? Werden die Hamburger SPD-Abgeordneten diese Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz verhindern oder ist das hier nur wohlfeil, dass sich die SPD-Bürgerschaftsfraktion jetzt auch gegen Justizsenator Kusch stellt. Ich denke, diese schwerwiegenden Vorgänge, die wir hier sehen können, die wir fortlaufend beobachten, verdienen einen ernsthaften Widerstand, auch von der Hamburger SPD.

(Beifall bei der GAL und bei Günter Frank und Rolf-Dieter Klooß, beide SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Angesichts des anstehenden Fußballspiels will ich es nicht allzu lang machen.

(Christa Goetsch GAL: Mein Gott, was sind das für Prioritäten!)

Die Unruhe ist durchaus zu spüren.

Grundsätzlich, Herr Dr. Steffen, wird der Strafvollzug in Hamburg rechtmäßig durchgeführt. Das, was Sie hier suggeriert haben …

(Zurufe von der GAL)

Nein, das sind Einzelentscheidungen gewesen, aber der Strafvollzug wird in Gänze rechtmäßig durchgeführt.

(Beifall bei der CDU – Olaf Ohlsen CDU: Bravo!)

Der GAL-Antrag ist legitim. Aus Ihrer Sicht kann ich es durchaus verstehen, dass Sie eine derartige Verlagerung verhindern wollen.

Was mich viel mehr interessiert, war tatsächlich der SPDAntrag und den finde ich insoweit lächerlich, weil SPD und CDU auf Bundesebene in der großen Koalition sind. Wir sind gebunden und da sind wir Landtage eben nicht mehr gefordert,

(Michael Neumann SPD: Das stimmt doch nicht!)

sondern letztendlich hat die große Koalition in einer kleinen Runde beschlossen, dass dieses so geschehen soll, und zwar als Gesamtpaket und an diesem können wir Landtage im Moment nichts ändern. Insofern werden wir uns Ihren beiden Anträgen nicht anschließen.

Nichtsdestotrotz würden wir die Gesetzgebungskompetenz auf der Bundeseben durchaus für richtig erachten und insoweit keine Verlagerung unterstützen. Aber wir sehen letztendlich, dass wir im Moment keine Einflussmöglichkeit haben und werden deswegen Ihre Anträge formal ablehnen. – Danke.

(Beifall bei der CDU – Dr. Willfried Maier GAL: Ja- wohl! Sie sind doch an der Regierung! Den Ein- fluss haben Sie wohl!)

Jetzt hat Herr Klooß das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion und ich halten den Ansatz, das Strafvollzugsrecht in die Verantwortung der Länder zu geben, für falsch und plädieren dafür, die Zuständigkeit beim Bund zu belassen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Es ist nicht verwunderlich, dass einem als Landespolitiker in Hamburg besondere Bedenken kommen, wenn man daran denkt, dass bald Herr Justizsenator Dr. Kusch über die gesetzliche Ausgestaltung des Strafvollzuges in Hamburg zu entscheiden hätte.

(Harald Krüger CDU: Und täglich grüßt das Mur- meltier!)

Das heute geltende Strafvollzugsgesetz hat nichts mit – ich zitiere – "Segnungen der Siebzigerjahre zu tun", wie der Senator sich hat zitieren lassen, sondern entspringt der Erkenntnis, dass selbst ultimative Strafen nicht abschrecken und dass die Rückfallquoten dort niedriger sind,

(Harald Krüger CDU: Das ist eine recycelte Rede! Die kennen wir schon!)

wo ein resozialisierender Vollzug stattfindet. Der von Senator Kusch immer wieder ins Spiel gebrachte Gegensatz Resozialisierung und Sicherheit ist eben kein Gegensatzpaar. Vielmehr bedingt das eine das andere. Nur die erfolgreiche Resozialisierung eines Straftäters im Strafvollzug kann sicherstellen, dass dieser nach seiner Entlassung nicht erneut straffällig wird.

(Doris Mandel SPD: Das ist Opferschutz!)

Die Forderung, die Sicherheit der Bevölkerung als vorrangigstes Ziel in ein neues hamburgisches Strafvollzugsgesetz zu schreiben, ist unsachlich und unwissenschaftlich. Nur ein resozialisierender Strafvollzug ist ein sicherer Vollzug.

(Beifall bei der SPD)

Die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz wird in Fachkreisen parteiübergreifend abgelehnt, denn hier wird ein Kernbereich staatlicher Tätigkeit berührt, der besonders intensive Eingriffe in die Grundrechte legitimiert. Es wäre ein Verstoß gegen das Gebot gleicher Lebensverhältnisse in den Ländern, wenn derart erhebliche Grundrechtsbeschränkungen unterschiedlich ausgestaltet würden. Bliebe es nicht bei einer bundeseinheitlichen Regelung, würden wir alsbald 16 verschiedene Landesgesetze haben mit der Folge, dass die über 100 Jahre lang als Ziel angestrebte Einheit des Strafvollzugsrechts aufgelöst wäre. Die Folge wäre eine Rechtszersplitterung. Gerade

das Strafvollzugsgesetz bildet aber eine Einheit mit dem Strafgesetzbuch und dem Strafprozessrecht. Es wäre eine seltsame Vorstellung, wenn das Recht, nach dem ein Straftäter sich schuldig gemacht und nach dem er verurteilt wird, einheitlich wäre und nur das Recht, nach dem die Strafe vollstreckt zu werden hat, von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich wäre.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Qualität des deutschen Strafvollzuges ist bei allen Schwächen, die es im Einzelnen gibt und bei allen Mängeln, die immer wieder auftauchen, gut. Dies hat nicht zuletzt mit den gesetzlichen Regelungen zu tun, nach denen Strafvollzug in Deutschland stattfindet.

Nicht umsonst nehmen sich die jungen Demokratien in Osteuropa die deutschen Regelungen in diesem Bereich zum Vorbild. Es steht zu befürchten, dass eine Zersplitterung dieser Vorschriften in 16 Einzelgesetze zu erheblichen Qualitätsverlusten und Rückschlägen im Strafvollzug insgesamt führen werden, denn einher geht nicht gerade ein Mehr, sondern ein Weniger an Sicherheit. Die Zusammenarbeit der Länder würde überdies erschwert werden, wenn es zum Beispiel um die Verlegung von Gefangenen oder die Bildung von Vollzugsgemeinschaften geht.

Aus diesen Gründen appellieren wir an die Entscheidungsträger im Bund und in den Ländern – und dazu gehören, Frau Spethmann, natürlich auch die Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten und die SPD-Minister in Berlin, ich selbst habe mit der Justizministerin in Bonn darüber gesprochen –: Belassen Sie es bei den bisherigen Regelungen. Der Strafvollzug in Deutschland muss seinen einheitlichen hohen Standard halten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Zum Schluss noch Folgendes: Es sind hin und wieder Bedenken geäußert worden, das ganze Vorhaben der Föderalismusreform könne platzen, wenn man das Paket aufschnürt. Meine Damen und Herren, die bundesweite Diskussion – gerade in der letzten Zeit – hat gezeigt, dass es nicht nur bei unserem heutigen Thema, das manche vielleicht für ein Nischenthema halten – sicher zu Unrecht –, Änderungsbedarf gibt. Auch andere Komplexe der Föderalismusreform, zum Beispiel bei der Bildung oder im Umweltbereich, sind berechtigterweise massiv in die Kritik geraten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Da das parteiübergreifend geschieht, sollten die Verantwortlichen den Mut und die Kraft haben, die notwendigen Nachbesserungen gemeinsam zu lösen, ohne das große Ganze, das wir auch wollen, zu gefährden. Es ist noch nicht zu spät. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Dr. Steffen hat das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will es auch nicht zu lang machen.

(Michael Neumann SPD: Ich finde Fußball auch langweilig!)

Herr Neumann findet Fußball langweilig, ich auch, aber ich bin ein sozialer Mensch und deswegen will ich es nicht so lang machen.

Ich will nur zwei Bemerkungen machen. Was Herr Klooß gesagt hat, ist sicherlich richtig. Dieses Totschlagargument, man darf dieses Paket nicht aufschnüren, ist nicht richtig. Vor allem steht es uns als Landesparlamentariern gut an zu sagen, wo wir keinen sinnvollen Kompetenzzuwachs für uns sehen. Es wäre falsch, wenn Landtagsabgeordnete sagen, wir raffen möglichst alle Kompetenzen zusammen, egal, ob wir da eine sinnvolle Aufgabe zu erledigen haben oder nicht. Ich finde es sehr gut, wenn es in diesen Bereichen, die auch Herr Klooß angesprochen hat, über Parteigrenzen und Länder hinweg einen Konsens und eine Meinungsbildung gibt, die möglicherweise noch einmal ein Nachdenken anstoßen kann. Ich finde es deswegen auch sehr schade – das ist meine zweite Bemerkung – und das ist die erstaunlichste Aussage, Frau Spethmann hat auch ausdrücklich gesagt, wir unterstützen die Verlagerung dieser Kompetenz nicht, aber wir wollen sie jetzt auch nicht aufhalten wegen des Gesamtpakets. Deswegen finde ich es sehr schade, dass Sie auch nicht den Versuch unternehmen, weil wir diesen Konsens in der Sache erreichen könnten. Ich denke, mit anderen Landesparlamenten zusammen könnten wir auch eine hörbare Stimme sein, um noch einmal darüber nachzudenken. Ich denke, an der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug scheitert die Föderalismusreform nicht.

Aber sehr interessant an dieser Aussage, gerade angesichts dessen, wie stark sich der Senat schon in die Kurve gelegt und profiliert hat mit seinen Reformvorstellungen, was er im Strafvollzugsgesetz alles abschaffen will, deutlicher hätte die Distanzierung der CDU-Fraktion von diesem Senator nicht ausfallen können und das relativiert manches, was wir gestern gehört hatten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte den SPD-Antrag aus der Drucksache 18/3770 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Nun zum GAL-Antrag aus der Drucksache 18/3711. Wer möchte diesem zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.