Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Uldall, ich fühle mich sehr gut und wohl in meiner Haut, denn wenn ich die Politik, die ich und auch andere in der Umweltbewegung in Bezug auf Kernkraftwerke seit meinem 16. Lebensjahr verfolgt habe, ansehe, dann muss ich sagen, dass ich im Gegensatz zu Ihnen nicht alles streichen muss, was ich vor fünf oder zehn Jahren gesagt habe, sondern wir haben da eine kontinuierliche Politik betrieben.
In den meisten Kritikpunkten haben wir Recht bekommen und das ist das Schlimme. Als wir angefangen haben, gegen die Atomkraftwerke zu demonstrieren und zu sagen, das ist eine Technik, die nicht verantwortbar ist, hat es Tschernobyl noch nicht gegeben. Es hat seitdem auch Störfälle in Deutschland gegeben, wo wir um Haaresbreite einer Kernschmelze entgangen sind und dazu gehört Brunsbüttel an vorderster Front.
Wenn Sie immer sagen, deutsche Kernkraftwerke seien die sichersten auf der Welt, dann möchte ich einmal wissen, wie Sie das belegen wollen. Wenn Sie sich einmal die internationale Debatte anhören, dann gibt es eigentlich kein Land in dieser Welt, in dem Kernkraftwerke betrieben werden, das nicht von seinen eigenen Kernkraftwerken sagt, unsere sind die sichersten, aber die unsicheren, das sind die anderen. Das haben auch die Russen einmal gesagt. Das glaubt ihnen nur keiner mehr, seitdem ihnen Tschernobyl um die Ohren geflogen ist. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie sich die Pannenstatistik deutscher Kernkraftwerke und die aller anderen auf der Welt ansehen, dann werden Sie feststellen, dass sie um keinen Deut besser als alle anderen sind.
Auch in Deutschland sind, wie überall auf der Welt, schwere Vorfälle passiert. Bisher haben wir Glück gehabt, aber auf Glück allein kann man sich nicht verlassen und es bleibt dabei, dass diese Technik nicht verantwortbar ist.
Ich muss ehrlich sagen, Herr Uldall, dass Sie hier ohne rot zu werden vom Klimawandel reden, bedient wirklich das Klischee der Politiker, die sich nicht um das scheren, was sie gestern gesagt und getan haben, deren Reden und Handeln nicht zusammenpassen.
Denn die Union und Sie reden nur bei zwei Punkten von Ökologie und Klimawandel. Einmal, wenn es darum geht, Atomkraftwerke länger laufen zu lassen und dann – wie Herr Hesse es heute wieder vorgeführt hat –, um zu argumentieren, warum in Städten Autos schneller durch die Stadt fahren können. Aber wenn es darum geht sich anzugucken, wo die Treiber der klimarelevanten Gase in Deutschland sind, dann ist es der Verkehr an vorderster Front, dessen Klimagase ungebremst steigen. Sie wehren sich mit Händen und Füßen gegen jede einzelne Maßnahme, die auch nur ansatzweise diesen Anstieg verhindert und dämpfen sollte. Dann stellen Sie sich hier hin und werden nicht rot dabei zu sagen, aber wegen des Klimawandels müssen wir die Atomkraftwerke länger laufen lassen, da haben wir keine Alternative. Da sollten Sie sich wirklich schämen, Herr Uldall.
Es ist ja keinesfalls so wie Sie tun, als würden morgen alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Alle eineinhalb Jahre wird ein Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. Erst im Jahr 2023 – wir sind jetzt im Jahr 2006 –
wird das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet werden, meine Damen und Herren. Wenn Sie sich ansehen, wie der Aufbau der erneuerbaren Energien bis dahin sein wird, dann werden Sie feststellen, dass es diese Lücke nicht mehr gibt, weil wir im Jahr 2023 mehr Strom durch erneuerbare Energien produzieren werden als wir das heute mit Atomkraft tun, meine Damen und Herren,
aber mit einer Ausnahme: Das wird nicht der Fall sein, wenn Sie heute die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern lassen, weil dann alle innovativen Maßnahmen, die dazu führen, dass wir in Zukunft eine dezentrale, eine energieeffiziente, eine energieeinsparende und vor allem eine moderne Kraftwerkstruktur haben, verhindert werden. Das ist doch auch ganz logisch. Sie wissen doch selber, dass von alleine nichts passiert. Sie müssen Veränderungsdruck in den Markt geben. Wenn alles so bleibt wie es jetzt ist, dann wird auch niemand etwas verändern und ohne den Atomausstieg kommen wir dort nicht weiter.
Gerade in Bezug auf diesen Punkt will ich Ihnen Folgendes sagen. Als wir 1998 über das EEG gesprochen haben – Herr Engels, hören Sie genau zu –, haben wir gesagt, dass wir im Jahr 2010 12 Prozent durch erneuerbare Energien erwirtschaften werden. Da haben Sie gesagt: Sie sind ein Traumtänzer, Herr Kerstan. Genau wie Sie
es heute wieder tun. Wissen Sie, wo wir heute, im Jahr 2006 – es sind noch vier Jahre bis 2010 –, stehen? Da sind wir bei 10 Prozent erneuerbarem Energieanteil und wenn der Aufbau so weiter geht wie in den letzten Jahren – und es spricht wirklich überhaupt nichts dafür, dass sich das abbremst –, dann werden wir im Jahr 2010 deutlich mehr als 15 Prozent haben und das können Sie nicht leugnen.
Das müssen Sie sich hier wirklich fragen, denn um den Klimawechsel zu bewältigen, brauchen wir nicht nur Maßnahmen im Strombereich, sondern auch im Verkehr und bei der Wärmedämmung in Wohnungen. Wir brauchen im Strombereich eine Energiestruktur, die sicher ist, die unseren Bedarf abdeckt, die dezentral ist und bei der man nicht an zehn, zwölf Standorten in Deutschland große Kraftwerke, sondern dezentrale viele kleine Anlagen hat, die vernetzt sind, die modern sind und die unsere Energieversorgung sicherstellen.
Dann wird es allerdings für große im Verbund Kernkraft betreibende Energieunternehmen keinen Platz mehr geben. Darum wehrt sich diese Industrie mit Händen und Füßen gegen das, was modern und was auch wirtschaftlich ist, meine Damen und Herren.
Wenn Sie hier sagen, die Strompreise seien zu hoch, dann müssten Sie erklären, Herr Uldall, warum Sie die einzigen sind, die die Interessen der großen Stromkonzerne verteidigen, die die Bürger durch lokale Monopole wie moderne Raubritter abkassieren, und andererseits den modernen wirtschaftlichen Einsatz von erneuerbaren Energien benachteiligen wollen.
Ich dachte eigentlich, die Union sei eine marktwirtschaftliche Partei. Da habe ich mich aber wohl geirrt, denn Sie kämpfen hier für Monopole und wir für den Wettbewerb und für Innovationen. Sie kämpfen für veraltete und gefährliche Technologie.
Herr Uldall, Sie reden von internationalen Bedingungen. In Hamburg tun Sie gar nicht und gucken auf die Weltpolitik. Aber dann schauen Sie sich einmal an, was wir Grünen zusammen mit Rotgrün und den Umweltverbänden in den letzten zehn/zwanzig Jahren geschaffen haben: Neue Branchen für Windenergie, Solarenergie und im Moment auch für Biomasse. Herr Uldall hat einige Beispiele genannt. Es gibt Unternehmen, die jedes Jahr um 20 bis 30 Prozent wachsen.
Es handelt sich um Branchen, die einen Exportanteil von 80 Prozent haben. Da sind wir beim Weltmarkt, Herr Uldall. Was tun Sie? Sie möchten, dass Atomkraftwerke länger laufen. Dadurch würden auf einen Schlag sämtliche andere Kraftwerke unrentabel werden, die neuen
Energien hätten auf dem Markt überhaupt keine Chancen und auch andere Kraftwerke könnten nicht weiter rentabel betrieben werden. Dann reden Sie davon, wir hätten die internationalen Märkte nicht im Blick? Nein, meine Damen und Herren, Sie werfen uns genau das vor, was Sie seit Jahrzehnten machen: Eine schlechte Politik für große Monopole, die Innovationen in Wirtschaft und Arbeitsplätze in Deutschland verhindert.
Wenn man dieses Dreieck wirklich ernst meint – sichere Energieversorgung, Klimaschutz sowie Wirtschaft und Arbeitsplätze in Deutschland –, dann kommt man um den eingeschrittenen Weg nicht herum. Dass Ihre Argumente nicht tragen und Sie hier Schönwetterreden halten,
sieht man auch an der Ökosteuer. Das möchte ich Ihnen noch einmal sagen. Was haben Sie, als Sie in der Opposition waren, gegeifert und gesagt, wenn wir an der Regierung sind, dann ist die Ökosteuer weg. Sie regieren jetzt schon eine ganze Weile, Herr Uldall, auch in Berlin. Was ist denn jetzt mit der Ökosteuer? Die haben Sie nicht abgeschafft. Wissen Sie auch, warum? Weil Sie nicht wissen, woher die 1,2 Prozentpunkt kommen sollen, mit denen die Rentenversicherungsbeiträge gesenkt wurden. Da ist dann auch der zweite Punkt der Ökosteuer – eine wirksame Maßnahme in den Bereichen in Deutschland gegen den Klimawandel, in denen im Moment die meisten klimarelevanten Gase entstehen –, nämlich der Verkehr. Einerseits sind sie durch die Ökosteuer gebremst worden und andererseits sind in dem Bereich Arbeitsplätze entstanden.
Ihre Prognosen sind alle nicht eingetreten, denn das, was Sie heute sagen, haben Sie bereits vor fünf und auch schon vor zehn Jahren erzählt. Zum Glück ist in Deutschland niemand Ihren Prognosen gefolgt, Herr Uldall, sondern wir sind den Weg der erneuerbaren Energien gegangen. Dieser Weg ist die eine Seite der Medaille, die andere ist der Atomausstieg. Nur wenn wir diesen Weg weitergehen, wird es auch in diesem Bereich vorangehen.
Ich finde es bedenklich, dass sich dieser Senat bei dem lokalen Monopolisten unterhakt. Das ist wirklich ein Trauerspiel, denn es ist ja so, dass der Vertrag zum Energiebezug der Stadt nicht ausgeschrieben wird.
Herr Uldall, Sie haben gerade gesagt, durch Ausschreibungen könnte man den Strompreisbezug für öffentliche Gebäude in Hamburg nicht reduzieren, Ihre Berater hätten das bewiesen. Damit stellen Sie sich als CDUWirtschaftssenator ein sehr schlechtes Zeugnis aus, denn gucken Sie einmal nach Berlin. Da ist der Wirtschaftssenator von der PDS und die schreiben alle zwei Jahre den Energiebezug für ihre Gebäude aus. Siehe da, bei jeder Ausschreibung müssen sie weniger zahlen. Zuerst hat das Hamburger Unternehmen Lichtblick den Zuschlag bekommen und jetzt hat Lichtblick den Zuschlag gegen
Vattenfall verloren. Erklären Sie mir bitte, Herr Uldall, warum ein PDS-Wirtschaftssenator in Berlin durch Ausschreibung des Energiebezugs für öffentliche Gebäude Geld einspart und Sie als der große CDU-Marktwirtschaftler das nicht können.
Nein, meine Damen und Herren, diesem Senat und dieser CDU kann man in Bezug auf Klimaschutz, sichere Energien, erneuerbare Energien und Innovationen nicht trauen. Der eingeschrittene Weg muss fortgeführt werden und darum, meine Damen und Herren, hoffe ich, dass Sie dazu lernen. Vielleicht werden auch Sie die Gunst der Stunde nutzen und ein Konzept vorlegen, in dem die Arbeitsplätze für erneuerbare Energien nicht irgendwo sonst in der Republik entstehen, sondern in Hamburg. Den Siegeszug der erneuerbaren Energien können Sie nicht stoppen. Sie könnten aber endlich etwas dafür tun, dass die Arbeitsplätze dafür in Hamburg und nicht sonst wo entstehen. – Vielen Dank.