Protokoll der Sitzung vom 31.05.2006

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Jäger.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt mir schwer, inhaltlich zur Änderung des Wahlrechtes noch etwas Neues zu sagen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Michael Neumann SPD: Das kann ich mir vorstellen!)

Herr Voet van Vormizeele hat bereits alles gesagt.

Dennoch möchte ich Ihr Augenmerk auf zwei Aspekte richten, die bisher etwas untergegangen sind.

(Werner Dobritz SPD: Sie sollen frei reden!)

Zunächst möchte ich mit der Legende aufräumen, die CDU verändere die bestehenden Spielregeln oder setze die erforderlichen Änderungen quasi im Alleingang durch. Richtig ist vielmehr, dass ganz zu Beginn der Diskussion den Oppositionsparteien ein Gesprächsangebot der CDU-Fraktion zur Zusammenarbeit abgegeben wurde. Dieses Angebot ist von Ihnen brüsk abgelehnt worden. Dann aber beschweren Sie sich hinterher nicht, dass die CDU die erforderlichen Anpassungen ohne Sie vornimmt.

(Beifall bei der CDU)

Die Ablehnung durch die GAL-Fraktion kann ich dabei noch verstehen. Ich halte sie sogar für konsequent,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie wollen uns zu Mit- tätern machen!)

hat doch die GAL nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie auch inhaltlich hinter dem durch Volksentscheid beschlossenen Wahlrecht steht. Unverständlich ist mir jedoch die kategorische Ablehnung durch die SPD. Inhaltlich lehnen Sie das neue Wahlrecht doch auch ab. Sie haben doch mit uns gemeinsam für ein mit dem Bundestagswahlrecht vergleichbares Wahlrecht gekämpft. Hinter vorgehaltener Hand versichern Sie uns doch auch immer wieder, wie unzufrieden Sie mit dem Wahlrecht sind.

(Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Das ist ge- logen!)

Dann aber, meine lieben Abgeordneten der SPD, hätten Sie sich konsequenterweise auch Ihrer Verantwortung stellen müssen. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, mit uns gemeinsam zu einer maßvollen Überarbeitung des Wahlrechts zu kommen. Das Angebot der CDU war ernst gemeint. Wir wären in dieser Frage auch zu Kompromissen mit Ihnen bereit gewesen.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Das ist unmoralisch!)

Sie aber haben sich für die Totalverweigerung entschieden. Ich bedaure es ausdrücklich, dass sich in Ihrer Partei nicht die besonnenen Kräfte durchsetzen konnten, die es im Kreisverband Mitte gegeben hat.

(Beifall bei der CDU)

Im Ergebnis muss ich feststellen, dass es der SPD wieder einmal nicht gelungen ist, bei einem wichtigen Thema Verantwortung zu übernehmen und zu dieser zu stehen.

(Beifall bei der CDU)

Weiter möchte ich auf einen zweiten Punkt eingehen, der weniger mit dem Inhalt des heute zu debattierenden Themas zu tun hat, von Herrn Voet van Vormizeele jedoch schon angesprochen wurde. Unabhängigkeit von allem Streit in der Sache glaube ich, dass wir gerade bei diesem Thema dabei sind, zu einem Stil der Debatten zu kommen, der uns nicht gefallen kann und der – das bekenne ich offen – mir auch nicht gefällt.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Dann tun Sie doch etwas dagegen!)

Wenn ich den Verlauf der heutigen Debatte, aber auch die Debatte zu diesem Thema in der Aktuellen Stunde der letzten Bürgerschaftssitzung Revue passieren lasse, muss ich feststellen, dass es hier zu etlichen Entgleisungen in der Wortwahl gekommen ist. Ich will mich persönlich von dieser Kritik gar nicht ausnehmen. Auch ich greife gern zu überspitzenden, manchmal auch zu polemischen Formulierungen.

(Michael Neumann SPD: Oh, ein Schelm!)

Was sich aber hier die Redner der Opposition, insbesondere diejenigen der GAL geleistet haben, geht zu weit.

(Beifall bei der CDU)

Von "legitimem Putsch" oder, noch schlimmer, von der "Machtergreifung" zu sprechen, empfinde ich als unangemessen.

(Christiane Blömeke GAL: Das haben Sie alles schon einmal gesagt!)

Es zeigt aber auch, dass Sie überhaupt kein Geschichtsverständnis haben.

(Beifall bei der CDU)

Aber auch die SPD vergaloppiert sich bisweilen bei diesem Thema. Wenn ich in der Presse lesen muss, dass Herr Dressel davon spreche, dass man nun zur Schlussschlacht rüste, fällt mir auch dazu nichts mehr ein.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten bei allen Unterschieden in der Sache gerade bei diesem Thema ein bisschen mehr Zurückhaltung in der Wortwahl üben. Einige Formulierungen sollten wir zunächst auf die eigene Goldwaage legen und prüfen, ob sie wirklich für eine Debatte hier geeignet seien. Ich bin dazu bereit und ich hoffe, dass wir dann wieder zu einer sachlicheren Diskussion und, wenn auch nicht gerade bei diesem Thema, wieder zu einer besseren Zusammenarbeit und zu Gemeinsamkeiten kommen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Duden.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Jäger, man kann sich natürlich in dieser Debatte als Getriebener fühlen und dann hier vorn stehen und zu einer Wortwahl kommen, die man sonst nicht gebraucht hätte. Als Abgeordneter hat man bei einer

Debatte, die manchmal sehr lebhaft war, vielleicht Vergleiche benutzt, die man hinterher bedauert. Ich sage das in Richtung GAL. Jeder Redner ist jedoch für sich verantwortlich. Keiner ist getrieben, den anderen an Spitzen oder parlamentarischen Ungereimtheiten zu übertreffen. Das ist mir insbesondere nach der Aktuellen Stunde aufgefallen. Dass es heute in Ihrer Rede noch einmal deutlich geworden ist, zeigt, dass der Lernprozess, wenn der denn bei Ihnen eingesetzt hat – auch bei Ihnen in der Fraktion –, irgendwann in den Kinderschuhen stecken geblieben ist.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GAL)

Deshalb bin ich auch der festen Überzeugung, dass es jedem mittelprächtig begnadeten Redner in dieser Bürgerschaft gelingen kann, Argumente, die tief treffen, in einer Form vorzutragen, dass die anderen in der Lage sind, zuzuhören und auf diesem Niveau auch zu antworten.

Herr Voet van Vormizeele und Herr Dr. Jäger haben zwei Begriffe in dieser Debatte gebraucht, die beide für sich genommen so etwas wie Achtung deutlich machen. Immer wieder haben Sie von Respekt und von Verantwortung gesprochen. Aber wenn man diese beiden Begriffe in der Form auseinander nimmt, in der sie heute gebraucht wurden, sind sie sehr entlarvend: Es wurde gesagt, die CDU-Fraktion müsse Verantwortung für diese Stadt übernehmen. Das ist deutlich zu hoch gegriffen. Die Verantwortung für diese Stadt nehmen Sie in dieser Frage ausdrücklich nicht wahr.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Bernd Reinert CDU: Im Gegenteil!)

In Wirklichkeit ist das, was Sie Verantwortung nennen, verantwortungsloses Handeln gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Man kann dem Senat, wie immer man zu ihm stehen mag, doch so viel Sensibilität zutrauen, dass er zu großen Teilen nicht anwesend ist, weil er sich diese Debatte nicht zumuten will.

(Bernd Reinert CDU: Wahlrecht ist Parlaments- recht, Frau Duden!)

Verantwortung brauchen Sie in dieser Frage, um Mehrheiten für Parteien zu sichern. Wenn Sie sich hier auf das Glatteis begeben und vorbringen, das Begehren, dieses Wahlrecht haben zu wollen, und das die Bürger entschieden haben, habe nicht die Mehrheit dieser Stadt hinter sich gehabt, müssen wir über Parteiendemokratie und die Zusammensetzung von Parlamenten reden und dann vielleicht in ferner Zukunft so klug und weise sein, dass wir über ein neues Wahlrecht gemeinsam entscheiden können. Aber in diesem Haus ist die Mehrheit dieser Stadt, nämlich die Nichtwähler, nicht vertreten. Von daher möchte ich mich auf die Rechenspiele nicht einlassen, die hier heute vorgebracht worden sind.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Deshalb sind es Krokodilstränen, die in dieser Frage geweint werden.

Respektvolles Handeln wäre gewesen, zu sagen, was ich auch in der Aktuellen Stunde gesagt habe: Das, was Sie machen, ist Sitzenbleiben vor der Einschulung. Wir alle miteinander hätten viel daraus gelernt, wenn wir wenigs

tens den Mut gehabt hätten, es einmal zu versuchen. Wir dürfen auch nicht so tun – dies ist besonders in der ersten Rede der CDU deutlich geworden –, als ob dieses Wahlrecht geändert werden müsse, weil man das Volk davor bewahren wolle, in der Wahl einen Fehler zu machen. Wer von diesem Aspekt ausgeht, hat viele Dinge nicht begriffen. Wir dürfen vor allen Dingen eins gemeinsam nicht hier heute als Motto hinaustragen, nämlich, dass wir – Sie – das Wahlrecht ändern müssten, weil wir glauben würden, dass die Wählerinnen und Wähler in dieser Stadt zu dumm seien.

(Beifall bei der SPD und der GAL)