Protokoll der Sitzung vom 23.08.2006

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Hamburger Bürger-Dialog – Bürgerbeteiligung an der Haushaltsplanung – Drucksache 18/4688 –]

Die SPD-Fraktion möchte diese Drucksache an den Haushaltsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? Herr Kruse, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist natürlich jetzt eine wunderbare Situation, zu einem Thema zu kommen, das von Übereinstimmung geprägt ist.

Wir haben in diesem Punkt in der Richtung eines internetgestützten Bürger-Dialoges … – Sie können jetzt ruhig alle einmal hinausgehen, ich werde auch nicht sofort eine Abstimmung herbeiführen. Ich kann das gut verstehen, wenn jetzt Leute hinausgehen möchten. – Es war nicht der erste Dialog, den wir internetgestützt gemacht haben, es war der dritte. Die ersten beiden waren zu Themen der Wachsenden Stadt und zur familienfreundlichen Stadt. Insofern war der Weg schon einmal gebahnt. Allerdings haben mir viele zum Thema Haushalt gesagt, also Haushalt ist nun wirklich nicht sexy. Da erreichst Du keinen, da macht keiner mit. Das ist viel zu komplex, gerade für ein Medium, das hauptsächlich zur Unterhaltung genutzt wird.

Nun gut, der Erfolg hat uns Recht gegeben. Die genannten ersten Dialoge haben jeweils um die 1000 registrierte Benutzer gehabt, ich rede nicht von den vielen Zigtausenden, die sich das einmal angesehen haben.

(Wolfhard Ploog CDU: Es ist zu unruhig hier!)

Wir können uns doch darauf verständigen, dass wir das gleich überweisen.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um mehr Ruhe für Herrn Kruse. Das ist der einzige, der hier im Plenarsaal derzeit sprechen sollte. – Bitte.

– Wahrscheinlich bin ich hier gleich der einzige.

(Wolfhard Ploog CDU: Wir halten Dir die Treue! – Bernd Reinert CDU: Die Präsidentin ist auch noch hier!)

Die ersten beiden genannten Dialoge haben um die 1000 registrierte Benutzer gehabt, der Bürger-Dialog Haushalt 3000. Von denen haben 2500 einen Haushalt aufgestellt. Das war der Clou dabei, dass man selber mit einem netten kleinen Schieberegler – das Internet braucht immer Gimmicks – entscheiden konnte, wo soll es ein bisschen mehr geben, wo will ich weniger geben. Erschwerende Bedingungen, Geld war nicht zu drucken, man konnte auch die Steuereinkünfte des Staates nicht erhöhen. Das heißt, wenn man zum Beispiel für Schulen mehr Geld ausgab, musste man es an einer anderen Seite wieder abziehen. Dieser Herausforderung haben sich rund 2500 Menschen gestellt und dieser Haushalt war nicht einmal so eben zu machen.

Corny Littmann hat das sehr schön gesagt, der war nämlich der erste, der so einen Haushalt aufgestellt und das dann auf der Pressekonferenz ein bisschen locker, wie er halt so ist, erklärt hat. Er sagte, erst einmal macht das Spaß, dann wird das anstrengend und am Schluss hat man Mitleid mit den Leuten, die das täglich und im wirklichen Leben tun müssen.

Mitleid war natürlich nicht das, was wir erwecken wollten, brauchen wir auch nicht. Verständnis wollten wir wecken.

Aber nicht Verständnis für unsere harte Arbeit bei einer Haushaltsberatung, wie wir sie jetzt haben, sondern Verständnis für das Thema Haushalt. Denn es ist wichtig, dass sich der Bürger in einer demokratischen Gesellschaft auch einmal intensiv damit beschäftigt, wie das mit dem Geld eigentlich läuft. – Ich habe das in der Schule nicht gelernt, wie öffentliche Haushalte funktionieren. Das ist sicherlich auch ein Bereich, in dem wir etwas tun müssen.

Hier war dann der Ansatz, wenn der Bürger selber einen Haushalt gestalten soll, dann muss er eigentlich nur über die gleichen Informationen verfügen, wie wir sie im Haushaltsausschuss, in den Fachausschüssen haben. Das war dann auch die Herausforderung an die Mitarbeiter von TuTech, die das mit großer Unterstützung der Finanzbehörde haben machen können.

Das war für mich der positivste Überraschungseffekt bei dieser Geschichte, dass sich die Finanzbehörde nicht hingesetzt und gesagt hat, alles Herrschaftswissen, das geben wir nicht her. Sie haben auch nicht gesagt, ist doch kein Problem, ihr könnt die Haushaltspläne haben, die Dinger, die zurzeit Ihr Fach blockieren. Das können sie natürlich keinem antun, dass sie dort PDFs hineinstellen und vorschlagen, man möge sich doch einmal die Einzelpläne herunterladen.

Es ist tatsächlich gelungen, dass wir eine Datenbank hinterlegt hatten, mit der man sich mit wenigen Mausklicks in die Produktinformationen hineinklicken konnte. Das ist intensiv gemacht worden und so sind sehr viele – 2500 – individuelle Haushalte aufgestellt worden.

Es gab eine Gemeinsamkeit bei diesen Haushalten. Ich hatte schon gesagt, niemand konnte mehr Geld ausgeben, als vorhanden ist. Es ist viel umgeschichtet worden, aber das Überwältigende war, dass weniger als möglich ausgegeben worden ist. Grundkonsens bei fast allen dieser Haushalte war, dass nicht 100 Prozent der veranschlagten Gelder ausgegeben wurden, sondern so um die 95 Prozent. Fünf Prozent weniger, das sind Einsparungsquoten, die würden wir hier niemandem zumuten wollen.

Die Bürger, die sich hier beteiligt haben, wollten das. Sie haben gesagt, die Konsolidierung des Haushaltes muss zügiger laufen. Es ist – so interpretiere ich das – ein übergeordnetes Ziel, die Finanzen dieser Stadt zügig wieder in Ordnung zu bringen, damit wir wieder zu einer Generationsgerechtigkeit kommen. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt, den wir für unsere zukünftigen Haushaltsberatungen mitnehmen sollten, dass der Konsolidierungsauftrag, das Vermeiden von Schulden, die Rückführung von Schulden, absolut im Interesse der Bürger ist.

Das ist das, was der Bürger selber in seinem Leben auch tun muss. Das mutet er auch uns zu. Gleichzeitig gibt er uns aber auch mit einem solchen Signal die Unterstützung dafür, klar zu formulieren, wo wir Ausgabenschwerpunkte setzen und wo wir dann Posterioritäten setzen. So war auch der Dialog betitelt, wir haben nicht gesagt, wir wollen mehr sparen, sondern wir haben gesagt, was wollen wir uns leisten? Das kann man unterschiedlich gewichten, da wird und muss es immer Streit zwischen den Fraktionen geben, aber es muss Einigkeit darüber geben, dass Haushaltskonsolidierung Vorrang vor allen anderen Dingen hat.

(Beifall bei der CDU – Barbara Ahrons CDU: Ja- wohl!)

Danke, Barbara.

Ich bin sehr froh, dass wir nicht den Weg gegangen sind, einfach zu sagen, Ersuchen an den Senat, nun mache einmal so einen Dialog. Dann wäre es relativ einfach gewesen, aber Haushalt ist Parlamentssache, da war es auch sehr wichtig, dass dieser Antrag von allen Fraktionen gestützt worden ist. Wir haben das einvernehmlich beschlossen, wir haben eine Arbeitsgruppe gebildet, in der Herr Dr. Maier und Herr Zuckerer und die Bürgerschaftskanzlei vertreten waren. In diesem Team haben wir mit der beauftragten TuTech diesen Dialog sehr zügig auf die Beine stellen können. Sie alle haben die 131 Seiten Bericht gelesen, insofern hat sich die Mühe gelohnt. Bundesweit wird dieses Projekt nachgefragt. Es ist ein sehr interessanter Ansatz, daher freue ich mich, dass wir diese Diskussion intensiv im Haushaltsausschuss fortsetzen können. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Herr Marx hat jetzt das Wort.

(Olaf Ohlsen CDU: Wo sind denn die ganzen Ge- nossen geblieben?)

– Die suchen den Bürgermeister.

(Wolfhard Ploog CDU: Die haben Sie verlassen! Der Marx wurde verlassen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Herr Ploog, keine Sorge, so verlassen bin ich nicht.

Wir wenden uns nun einem der Anträge zu, die der Finanzsenator der CDU-Fraktion erlaubt hat. Der Antrag ist ja auch einstimmig in der Bürgerschaft beschlossen worden. Hamburger Bürger-Dialog – Bürgerbeteiligung an der Haushaltsplanung, heißt es da so schön.

Man muss immer ein bisschen skeptisch sein, wenn in Hamburg die CDU der Bürgerbeteiligung das Wort redet und siehe da, auch hier durften die Bürger zwar viel sagen, aber trotzdem durften sie sich nicht so recht beteiligen. Die Bürger durften zwar Vorschläge für geänderte Ausgaben machen, aber sie durften nicht das machen, was der Senat ständig macht, nämlich Senatsmonopoly machen, um die Einnahmen dieser Stadt zu erhöhen. Die Bürgerinnen und Bürger durften nicht Geschäfte mit SAGA und GWG machen, die Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht die Hälfte der HHLA verkaufen wollen, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt dürfen nicht einfach alle Nicht-Wohngebäude verkaufen. Auch Steuererhöhungen waren Tabu.

Trotzdem, finde ich, war dieser Bürger-Dialog sehr interessant. Man konnte nämlich sehen, dass die Menschen in dieser Stadt eine Menschliche Metropole und eine kreative Stadt mit Schwerpunkten besonders bei Kita, Schule und Hochschule wollen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Es gab auch etwas bizarre Vorschläge, wie jener Transrapid, der sich in der Art eines Perpetuum mobile durch steigende Steuereinnahmen weitestgehend selbst finanzieren sollte. Es gab den Vorschlag, das Gästehaus der Bürgerschaft abzuschaffen, aber ich muss gestehen, selbst nach zehn Jahren Bürgerschaftszugehörigkeit

habe ich eben dieses Gästehaus nie kennen lernen dürfen. Dazu kann man nur feststellen, Parlamentarismus kostet Geld und ist daher nicht bei allen und jederzeit beliebt. Trotzdem, denke ich, muss uns das lehren, dass wir über unsere Arbeit und über das, was wir haben, und das, was wir nicht haben, besser informieren sollten.

Wir konnten auch lesen, dass Rüdiger Kruse als Initiator dieses Antrags mehr Geld für den Umweltschutz haben möchte. Allerdings ist Herr Kruse Haushaltssprecher einer alleinigen Regierungsfraktion. Da wundert es mich schon, dass der Haushaltssprecher sich nicht in der eigenen Fraktion und gegenüber seinem eigenen Senat durchsetzen kann und dem Haushaltsplan des Senats vermutlich am Ende dieses Jahres trotzdem zustimmen wird.

(Dr. Willfried Maier GAL: Das ist bei uns ähnlich!)

Allerdings ist ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald mitsamt Geschäftsführer auch zum Umweltbereich gehört.

Interessant ist dann noch eine Betrachtung der Produktbereiche. Die Lieblingssparmaßnahme war eine Absenkung des Managements des öffentlichen Grundvermögens. Da geht es um die wenig öffentlichkeitswirksame Liegenschaftsverwaltung und alles was daran hängt. Im Schnitt wollten die Menschen in dieser Stadt, die an diesem Projekt teilgenommen haben, dort 21 Prozent einsparen. Auch die Theater und die Musik sollten 17 Prozent absenken. Das wird sicherlich bei Herrn Dr. Maier Sorgenfalten auslösen.

(Dr. Willfried Maier GAL: Ja!)

Außerdem soll das Landesamt für Verfassungsschutz 18 Prozent einsparen, das würden die hamburgischen Onlinebürger jetzt zurzeit vielleicht anders betrachten.

Kindertagesstätten, Schule und Hochschulen hatten mit elf, zehn und sieben Prozent die deutlichsten vorgeschlagenen Zuwächse.

Da ich als Sozialdemokrat ein hoffnungsvoller Mensch bin, gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass die CDU die Ergebnisse dieses Dialogs ernst nimmt. Auch wenn es entgegen dem verlockenden Titel des Projekts keine echte Bürgerbeteiligung war, in Wahrheit könnte es trotzdem ein bisschen Bürgerbeteiligung geben, indem die CDU als Mehrheitsfraktion die Ansinnen der Bürger ernst nimmt und zu den Haushaltsberatungen verarbeitet. Daher hoffe ich, dass die CDU für eine Menschliche Metropole und eine kreative Stadt Schwerpunkte bei Kita, Schule und Hochschule nicht nur durch das Einführen ständig neuer Gebühren setzt.

Trotz meiner Kritik danke ich an dieser Stelle ausdrücklich Rolf Lührs und seinem Team von der TuTech für die Durchführung dieses Projektes und freue mich auf eine spannende Debatte dazu im Haushaltsausschuss.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Dr. Maier hat das Wort.