Protokoll der Sitzung vom 24.08.2006

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir haben aber auch in anderen Bereichen unglaubliche Problemlagen, die uns ganz direkt angehen. Es gibt in China ungefähr 100 Millionen Wanderarbeiter, die ohne jegliche Rechte zum Arbeiten zwar nicht gezwungen werden, aber bei der Arbeit ausgebeutet werden. Es gibt keine Möglichkeit, freie Gewerkschaften zu gründen oder in Betrieben zu erklären, dass man seine Interessen gegenüber dem Staat selber vertreten möchte. Menschen, die das versucht haben, sind zum Teil ebenfalls in Gefängnissen gelandet.

Wir haben heute erlebt – ich war leider nicht dabei –, dass der Bürgermeister, der inzwischen nicht mehr an

wesend ist, einen Drachen aufgestellt hat. Der Bürgermeister lächelt, wenn es darum geht, dass die ChinaTime hier stattfinden soll. Der Bürgermeister lächelt, wenn es darum geht, dass wieder neue Firmen aus China nach Hamburg kommen. Darüber soll er auch lächeln. Aber ich frage mich, warum Ihr Bürgermeister schweigt, wenn es um die Menschenrechtsproblematik in China geht. Warum hört man in dieser Beziehung nichts von Hamburg?

(Beifall bei der GAL und der SPD – Karen Koop CDU: Aus dem gleichen Grund, aus dem Herr Schröder geschwiegen hat!)

Hier möchte ich klar zum Ausdruck bringen, dass ich von der CDU-Fraktion und von diesem CDU-geführten Senat bei der China-Time 2006 den Beweis erwarte, dass ihm die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte mehr wert ist, als bloße Wirtschaftsinteressen für die Hansestadt Hamburg.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nutzen Sie die Gelegenheit, diese Themen, die wir heute hier diskutieren, auch dann zu besprechen, wenn Herr Wen Jiabao in Hamburg ist. Sie haben das Plenum für den Besuch verlegen müssen. Also haben Sie beim Bankett genügend Zeit, diese Themen mit ihm ausgiebig zu diskutieren.

(Olaf Böttger CDU: Kennen Sie eigentlich das Pro- gramm?)

Zum Programm können wir später auch noch gern etwas sagen.

(Zurufe von der CDU – Glocke)

Wir sind in dieser Debatte nicht zum Zwiegespräch angetreten und ich bitte Sie, sich in der Wortwahl ein bisschen zu mäßigen.

Herr Böttger, Sie können entweder das gleich hier darstellen oder wir können uns gern auch verabreden. Ich bin froh, wenn Sie sagen, dass Sie auf meine Anregungen eingehen wollen. Aber ich möchte Ihnen gern erklären, warum Sie heute diesem Antrag, den wir vorgelegt haben, zustimmen sollen.

Die so genannten Laogai, Zwangsarbeitslager, die in China existieren, sind nicht nur ein Thema für uns, weil dort Unglaubliches passiert, sondern weil sie auch einen wesentlichen Teil des politischen Unterdrückungsapparates darstellen, der in der Volksrepublik existiert.

Es gibt in diesen Lagern massive Menschenrechtsverletzungen und wir möchten, dass zu diesen konkreten Fällen, die dort bekannt sind, deutlich Stellung bezogen wird. Die Laogai sind ausdrücklich dazu da, Menschen zu erziehen, das heißt, den so genannten "neuen sozialistischen Menschen" aus den dortigen Insassen zu schaffen. Sie sind also ein aktiver Teil des Unterdrückungssystems, auch für die Politik, die dort ausgeführt wird.

Das Wort Laogai ist im Übrigen zu übersetzen in der Ableitung durch Reform und Arbeit. Ich möchte Ihnen hierzu ein Zitat vorlesen:

"Die Palette an Menschenrechtsverletzungen ist lang und reicht von Zwangsarbeit über Folterungen bis hin zu willkürlichen Erschießungen. Besonders erschüttert

waren die Berichte über Erschießungen nur zum Zweck der Organentnahme. Dabei sind auch gezielte Selektionen, ausgerichtet an der Eignung für eine Organtransplantation, an der Tagesordnung."

Das ist ein Zitat aus der Pressemitteilung der CDU/CSUBundestagsfraktion vom 17. März, die Laogai, die Zwangsarbeitslager, betreffend. Ich möchte, dass Sie sich das zu Herzen nehmen und aufschreiben.

Ich möchte aber auch appellieren, dass Herr von Beust die Forderung, die Frau Steinbach, die mir ansonsten politisch wirklich nicht nahe steht, im Bundestag an Frau Merkel gestellt hat, für die Gespräche mit Wen Jiabao in Hamburg aufnimmt. Sie hat gesagt, ich zitiere:

"Es muss der Staatsführung in Peking verdeutlicht werden, dass die Laogai-Lager in keiner Weise rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechen und damit inakzeptabel sind".

Ich erwarte vom Senat eine klare Aussage zu diesem Thema.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Aber es gibt auch einen Grund, warum wir als Hamburger ganz besonders diese Thematik diskutieren müssen und es nicht einfach gleichgültig ist, ob sich hier, im Bayerischen Landtag oder an anderer Stelle damit auseinandergesetzt wird. Es hat auch nicht nur damit zu tun, dass die China-Time hier stattfindet.

Einerseits haben wir in unserer Verfassung den Auftrag – das habe ich schon des Öfteren gesagt und wiederhole ich immer wieder gern –, im Geiste des Friedens als Mittler zwischen den Völkern zu wirken. Andererseits haben wir in Hamburg einen Wirtschaftssenator, der sich hierhin stellt und immer wieder voller Enthusiasmus von der Boomtown Hamburg spricht und dass es wirtschaftlich aufwärts gehen würde. Natürlich ist es richtig, dass Hamburg ein Gewinner der Globalisierung ist und davon profitiert, dass der Handel mit China wächst. Aber ich möchte, dass es nicht nur klar ist, dass wir uns freuen, dass es einen Boom gibt, sondern ich möchte auch, dass es deutlich ist, dass wir einen Boom für Hamburg wollen, der auf fairen Grundsätzen beruht und nicht dadurch zustande kommt, dass woanders die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir müssen auch verstehen, dass wir ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran haben, dass sich in den anderen Ländern der Welt, mit denen wir Handel treiben und ausbauen wollen, die beste Garantie für Stabilität, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie durchsetzt, damit wir auch wirklich gesichert den dortigen Wirtschaftshandel vorantreiben können und nicht in Fallen laufen, wenn es dort beispielsweise zu Problematiken in der politischen Stabilität kommt.

Was aber machen der Senat und die CDU? Der Senat verschiebt die Bürgerschaftssitzung, die am Tag des Besuches von Herrn Wen Jiabao hier stattfinden sollte.

(Bernd Reinert CDU: Nein!)

Entschuldigung, die Bürgerschaftsfraktion tut das, weil der Senat das möchte.

Die Senatskanzlei tut sich unglaublich schwer damit, zum Besuch eine Mahnwache von zivilgesellschaftlichen Or

ganisationen auf dem Rathausmarkt zu genehmigen. Ich frage mich, warum? Der Antrag liegt vor, aber es kommt seit Monaten einfach keine Antwort darauf. Es sind für mich kaum Anstrengungen des Senats erkennbar, sich offensiv der Thematik zu stellen, wozu ich gleich noch etwas ausführen werde.

Ich möchte Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, warum es uns alle angeht, was in den Laogai passiert. Im Jahre 2000 wurde festgestellt, dass ein Drittel der in den Vereinigten Staaten von Amerika verkauften Büroklammern allein aus der Produktion eines Laogai stammen. Das heißt, wir haben unglaublich viele Produkte bei uns in den Regalen stehen, unter anderem sicherlich auch als Bürobedarf – beispielsweise für Verwaltungsbüros –,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Bei Ihnen auch zu Hau- se!)

die aus diesen Laogai stammen. Daher müssen wir dafür sorgen, dass in Zukunft sichergestellt ist, dass solche Dinge hier nicht mehr eingekauft werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich habe das Gefühl, dass dem Senat zu diesem globalen Teil zu oft die Eurostücke auf den Augen liegen. Mein Eindruck ist, dass der Senat in der Zusammenarbeit mit China sehr einseitig ist und fast nur Wirtschaftsinteressen vertritt. Das muss sich ändern.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Aber ich habe auch etwas, was aus meiner Sicht tatsächlich einen Skandal darstellt. Ich habe gerade ausgeführt, dass die Laogai vor allem exportorientiert und oft profitable Unternehmen sind. Wir haben den Senat in einer Kleinen Anfrage gefragt, ob er sicherstellen kann, dass die Hamburger Verwaltung keine Produkte aus diesen Laogai einkauft. Der Senat hat in seiner Antwort auf eine andere Frage, die den fairen Handel betraf, geantwortet und hat mehr oder weniger deutlich erklärt, dass es juristisch schwierig oder gar nicht möglich sei, aufgrund vergaberechtlicher Bestimmungen einzukaufen. Der Senat hat hierbei nicht berücksichtigt, dass das falsch ist. Dieser Senat tut so, als wäre es juristisch schwierig, auszuschließen, dass wir aus den Laogai einkaufen. Das ist tatsächlich falsch und ich kann Ihnen das auch noch nachweisen.

Was Sie hier sehen, ist ein Auszug aus den GATT-Verträgen. In den GATT-Verträgen ist ganz deutlich in Artikel 20 Absatz E geregelt: Maßnahmen, die sich auf Waren beziehen, die in Gefängnissen hergestellt werden, können diskriminiert werden. Sie können in die Beschaffungsverträge hineinschreiben: Sie dürfen uns keine Angebote machen. Wir schließen keine Verträge mit Ihnen ab, wenn die Waren in Laogai hergestellt wurden.

Und der Senat antwortet hierauf, dass es juristische Schwierigkeiten gibt, was noch nicht einmal stimmt. Das halte ich tatsächlich für einen Skandal.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn Sie beim fairen Handel, wo es darum geht, soziale Mindeststandards und Umweltstandards bei der Beschaffung zu beachten, noch einen Hauch von Mut bräuchten, um sicherzustellen, dass zum Beispiel die Hamburger Verwaltung keine Produkte aus Kinderarbeit oder Ähnliches einkauft, dann brauchen Sie hier keinerlei Mut, sondern das Einzige, was der Senat braucht, um auf solche

Anfragen von Abgeordneten richtig zu reagieren, ist ein klein wenig mehr Anstand.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir fordern, in Zukunft in die Beschaffungsverträge aufzunehmen, dass Waren aus Zwangsarbeit nicht zugelassen und vom Hamburger Senat nicht eingekauft werden. Der Senat tut sonst schon nichts für den fairen Einkauf, geschweige denn für einen fairen Handel in Hamburg. Der entwicklungspolitische Beirat hat dazu konkrete Vorschläge gemacht. Als Reaktion darauf wurde er mehr oder weniger zur Auflösung getrieben.

Staatsrat Stuth hat auf der Nachhaltigkeitskonferenz 2004 Versprechungen gemacht und gesagt, wir wollen versuchen, die Kernarbeitsnorm der International Labour Organization durchzubringen. Aber im Senat gibt es anscheinend einen blockierenden Senator namens Freytag, der das nicht möchte. Ich kann einfach nicht verstehen, dass Sie noch nicht einmal ausschließen wollen, dass Hamburg keine Produkte aus Zwangsarbeitslagern einkauft, in denen massive Menschenrechtsverletzungen vorliegen. Da ist ein bisschen mehr Engagement von Ihnen wirklich angebracht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich möchte Sie bitten, das abzustellen. Noch eine Bemerkung zum Schluss: Der Senat ist auch noch naiv. Er hat Lieferanten angeschrieben und gefragt, ob sie denn tatsächlich die Arbeitsnorm einhalten. Auf meine Anfrage hin wurde geantwortet, ein Lieferant von Kleidung für den Justizvollzugsdienst habe zugesagt oder bestätigt, dass er die ILO-Kernarbeitsnorm einhalten würde. Haben Sie das eigentlich kontrolliert? Kennen Sie die Berichte von NGO, die besagen, dass man den Lieferantenangaben nicht vertrauen kann? Was hat der Senat gemacht? Ich weiß es nicht. Ich verstehe nicht, warum der Senat da nichts getan hat. Sie müssen nachweisen, dass Sie auch Kontrollinstanzen wahrnehmen, zum Beispiel den TÜV Rheinland in China beauftragen,