Protokoll der Sitzung vom 27.09.2006

Meine Damen und Herren, mir liegen jetzt die Wahlergebnisse vor. Bei der Wahl einer Deputierten der Justizbehörde sind 110 Stimmzettel abgegeben worden. Davon war ein Stimmzettel ungültig, also 109 Stimmzettel gültig. Frau Yvonne Dethgens-Janßen erhielt 98 Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und acht Enthaltungen. Damit ist Frau Dethgens-Janßen gewählt worden.

Wir kommen zu Punkt 12, Drucksache 18/4889, Bericht des Verfassungsausschusses: Wahlrecht zur Hamburgischen Bürgerschaft und zu den Bezirksversammlungen.

[Bericht des Verfassungsausschusses über die Drucksache 18/4339: Wahlrecht zur Hamburgischen Bürgerschaft und zu den Bezirksversammlungen (Antrag der CDU- Fraktion) – Drucksache 18/4889 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 18/5060 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der CDU zu Drucksache 18/4889: Wahlrecht zur Hamburgischen Bürgerschaft – Drucksache 18/5060 –]

Die GAL-Fraktion hat eine Rücküberweisung der Drucksache 18/4889 zusammen mit der Drucksache 18/5060 an den Verfassungsausschuss beantragt.

Wer wünscht das Wort? – Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Debatte diskutieren wir den Antrag der CDU-Fraktion, das bestehende Wahlrecht in einigen wenigen Teilen zu modifizieren.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie kurz unterbrechen. Es ist hier so unruhig und es gibt so viele Gespräche. – Vielen Dank, fahren Sie fort.

– Wir reden hier jetzt aber auch über keine wichtigen Themen. Den Eindruck kann man gelegentlich bekommen.

Ich kann noch einmal von vorne anfangen. Mit dem, was wir jetzt hier debattieren und gemeinsam besprechen und mit Sicherheit auch untereinander bestreiten werden, werden wir gegebenenfalls einige kleinere Teile des bestehenden Wahlrechtes ändern.

(Michael Neumann SPD: Klein? Eine Frechheit!)

Wird heute die Bürgerschaft den Bericht des Verfassungsausschusses annehmen, wird das Wahlrecht, das durch den Volksentscheid im Juni des Jahres 2004 in Hamburg geschaffen wurde, nicht etwa abgeschafft, wie man bei manchen Debatten in den letzten Wochen und Monaten glauben durfte, sondern in einigen wenigen Punkten geändert.

Dieses Haus hat vor gar nicht allzu langer Zeit mit gut achtzigprozentiger Mehrheit das jetzt geltende und in Kraft befindliche Wahlrecht abgelehnt. Lediglich die Kollegen der GAL-Fraktion waren für dieses bestehende Wahlrecht, dennoch hat die Hamburger Wahlbevölkerung mit einer Mehrheit von immerhin 21,1 Prozent der Stimmen dieses Wahlrecht beschlossen und es gilt seither. Die Frage, die sich jetzt jede Fraktion und auch dieses Haus insgesamt stellen muss, ist: Gibt es einen Bedarf, eine rechtliche und eine politische Möglichkeit, an diesem Volksentscheid Änderungen vorzunehmen?

Hinsichtlich der Frage des Bedarfes haben sich wahrscheinlich die Auffassungen in diesem Parlament zu dem geltenden Wahlrecht wenig bis gar nicht grundlegend verändert. Ich glaube immer noch, dass die meisten Kollegen in diesem Hause große inhaltliche Zweifel an dem jetzt geltenden Wahlrecht haben. Die erheblichen Zweifel, die wir gehabt haben, werden in beiden Fraktionen auch immer wieder klar betont.

Die andere Frage ist: Gibt es einen zulässigen rechtlichen Rahmen, um hier etwas zu tun? Die Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichtes ist unmissverständlich gewesen. Parlaments- und Volksgesetzgebung stehen parallel nebeneinander. Das wurde auch durch die Anhörung im Verfassungsausschuss zweifelsfrei bestätigt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Zweifelsfrei?)

Es bleibt die Frage: Ist es politisch angebracht, Änderungen am geltenden Wahlrecht vorzunehmen? Damit sind wir genau bei dem Kernbereich dessen, was wir hier heute und auch in den vergangenen Monaten diskutiert haben. Die Ausgangslagen in den Fraktionen sind durchaus sehr verschieden. Versuche, konsentierende Gespräche über notwendige Änderungen herbeizuführen, wurden von den Fraktionen der SPD und der GAL in der Regel schroff abgewiesen.

Damit bleiben aber für die Mehrheit in diesem Hause die Verantwortung und die Frage, ob sie unabänderliche Notwendigkeiten sieht, das geltende Wahlrecht zu ändern. Ich will gar nicht leugnen, dass wir uns mit dieser Frage lange herumgeschlagen haben.

(Antje Möller GAL: Sie sind geschlagen!)

Deutlich war für uns auch, dass eine Abschaffung und ein Zurück zum alten Wahlrecht, das früher gegolten hat, nicht infrage kommen. Auch ein Ersetzen des geltenden

Wahlrechtes durch den unterlegenen Bürgerschaftsentwurf kam nicht infrage. Der Parlamentsgesetzgeber hat im Rahmen der verfassungsrechtlichen Organtreue die Grundsätze des Volksgesetzgebers zu beachten. Dessen sind wir uns sehr bewusst. Aber auch durch die klare Feststellung des Verfassungsgerichtes, dass beide Gesetzgebungsinstanzen gleichrangig sind, ist deutlich geworden, dass wir als Parlament eine Verantwortung wahrnehmen müssen, wenn wir in der Volksgesetzgebung Elemente sehen, die das demokratische Gefüge in dieser Stadt gefährden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie gefährden das demokratische Gefüge!)

Dann stehen wir in der Verantwortung zu handeln und diese Verantwortung gilt übrigens nicht nur für die Mehrheitsfraktion in diesem Hause, sie gilt für das ganze Parlament.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir uns in dieser Frage einmal das Verhalten der SPD-Fraktion an. Die Kollegen der SPD werden nicht müde, hier im Plenum und erst Recht bei anderen Gelegenheiten Ihre Distanz zum geltenden Wahlrecht immer wieder deutlich zu bekunden. Sie sehen letztendlich die inhaltlichen Mängel ganz genauso wie wir, nicht zuletzt der durchaus einflussreiche Kreisvorsitzende der SPD Hamburg-Mitte, Herr Kahrs, allen voran.

(Gerhard Lein SPD: Exoten!)

Aber dann – Fehlanzeige. Statt sich zu der daraus folgenden Verantwortung zu bekennen, wird lieber die Variante gewählt, sich möglichst schnell in die Büsche zu schlagen und bei jedem lieb Kind zu machen. Wir sind zwar derselben Auffassung wie die CDU, aber das sagen wir lieber nicht. Lass die doch die Schmutzarbeit machen, es reicht schon, wenn wir wissen, dass die am Ende das beschließen, was wir auch wollen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Liebe Kollegen der SPD, das ist die Gnade des Wahlverlierers. Wer sich immer vor schwierigen Entscheidungen drückt, wird auch niemals in den Genuss kommen, in diesem Hause irgendwann wieder Verantwortung zu tragen.

(Beifall bei der CDU)

Wir als CDU haben uns diese Entscheidung sehr schwer gemacht, wir haben in Partei und Fraktion bis in diese Tage hinein darum gerungen, das ist keinem verborgen geblieben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, das finde ich gut so. Denn solche Entscheidungen muss man sich schwer machen. Auch da sei gefragt, was eigentlich von der SPD zu hören ist. Interessanterweise hören wir vieles von der SPD hinter verschlossenen Türen, offen nach außen kommt von Ihnen keine Debatte, keine Diskussion.

(Michael Neumann SPD: Ross und Reiter! Nennen Sie Namen!)

Da, liebe Kollegen von der SPD, ist mir meine Fraktion allemal lieber. Wir diskutieren, wir streiten, aber wir entscheiden uns auch für die Verantwortung, die Sie für sich verneinen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind der festen Überzeugung – das gilt übrigens für meine ganze Fraktion –, dass das geltende Wahlrecht

einige schwere, korrekturbedürftige Mängel aufweist. Das fängt bei der verfassungswidrigen Verlängerung der Wahlperioden der Bezirksversammlungen an,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Belegen Sie das doch einmal!)

geht weiter über die rechtswidrige Festlegung von Wahlkreisgrenzen durch Verwaltungsausschüsse und endet in der Gefahr, ein handlungsunfähiges Parlament zu bekommen.

(Uwe Grund SPD: So ein Quatsch!)

Das sind Punkte, die der Parlamentsgesetzgeber nicht ignorieren kann und vor allen Dingen auch nicht darf.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann hätte der Bürgermeister das Gesetz doch nicht verkünden dürfen!)

Weil das so ist, muss die Mehrheitsfraktion in einem Parlament dann die Verantwortung wahrnehmen, um gegebenenfalls unangenehme Entscheidungen zu fällen.

Wer dann in der Weltgeschichte herumläuft und von Schaden für die Demokratie spricht, muss sich schon fragen lassen, liebe Kollegen: Wer schadet eigentlich der Demokratie und dem Ansehen eines Parlamentes, derjenige, der notwendige Entscheidungen nicht trifft oder derjenige, der bereit ist, auch notwendige und unpopuläre Entscheidungen anzugehen? Wer das so tut wie Sie, verehrte Kollegen Neumann und Petersen, leistet Politikverdrossenheit in hohem Maße Vorschub.

(Beifall bei der CDU – Uwe Grund SPD: Das ist eine Verdrehung der Tatsachen!)

Wir bekennen uns zu unserer Meinung, wir ducken uns nicht weg. Sie sind diejenigen, die sich momentan als politische Trittbrettfahrer verdingen. Das ist eine wesentliche Ursache für die Politikverdrossenheit. Mangelnde Courage, zu dem zu stehen, was man eigentlich meint, gehört dazu.

(Beifall bei der CDU – Christian Maaß GAL: Un- verschämt ist das!)

Lieber Herr Maaß, ich weiß, das regt Sie auf. Aber Sie werden sich daran gewöhnen müssen, sich noch Einiges anzuhören.