Protokoll der Sitzung vom 11.12.2006

Es ist wirklich ein vielfältiges Bündel von Maßnahmen, welches wir eingeleitet haben, um die Stadt wieder und weiter voranzubringen. Wir sind auf einem guten Kurs, der eine Bestätigung braucht. Daher werden wir diesem Haushalt auf jeden Fall unsere Zustimmung geben.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU – Werner Dobritz SPD: Die klatschen ja bei jedem Mist!)

Das Wort bekommt Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Reinert, ich bin zutiefst beruhigt, dass Sie hier keine Regierungskrise auslösen und dem Haushalt zustimmen. Das freut mich zunächst einmal.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: Vielleicht stimmen Sie ja auch zu!)

Auf der anderen Seite, Herr Reinert, bin ich allerdings sehr beunruhigt welche Wirtschaftskompetenz Sie hier aufweisen, wenn Sie in dem Haushaltsantrag nicht unterscheiden können, was es heißt, Investitionen zu kürzen oder anders zu finanzieren. Hier sollten Sie sich noch ein bisschen Nachhilfe geben lassen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Aber, Herr Reinert, Ihre kleinteilige Bilanz in allen Ehren, so möchte ich doch an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt gerade zur letzten Haushaltsdebatte eine politische Bilanz ziehen, die vor allen Dingen einmal hinterfragt, ob dieser CDU-Senat wirklich die Antworten auf die Fragen der Zukunft gefunden hat, die wir hier für unsere Großstadt Hamburg stellen müssen.

Was hätte denn Hamburg wirklich gebraucht, um als moderne Metropole für die Zukunft fit zu sein? Welche Energieversorgung benötigen wir für unsere Stadt? Wie schaffen wir ein sauberes Klima und damit verbunden neue Arbeitsplätze? Wie erhalten wir die beste Bildung für unsere Kinder? Was brauchen wir, damit sich Familien nicht nur wohlfühlen, sondern auch Familie und Beruf verbinden können? Wie halten wir kreative Köpfe in unserer Stadt? Wie bewegen wir uns in der Stadt? Welchen Verkehr wollen wir fördern? Wie gelingt der soziale Zusammenhalt gegen die Spaltung? Wie kann in einer Einwandererstadt Integration gelingen? Und bei allen diesen Fragen noch eine ganz zentrale: Wie schaffen wir eine breite Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und wie leben wir unsere Demokratie?

Meine Damen und Herren von der CDU, das sind Fragen der Zukunft. Das sind die Themen, die einer Antwort bedürfen. Die richtigen Antworten lassen und ließen Sie in den letzten drei Jahren weiß Gott vermissen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Anscheinend wollen Sie die Antworten auch gar nicht hören. Sie ließen die Antworten nicht nur in den fachlichen Fragen vermissen, sondern hier fehlt leider auch ein demokratisches Grundverständnis. Das ist wohl eines der befremdlichsten Kennzeichen Ihrer Legislatur, nämlich Ihre wiederkehrende Verweigerung und Ignoranz gegenüber den demokratischen Spielregeln.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

In der ersten Phase Ihrer Legislatur ging es Ihnen zunächst richtig gut.

(Bernd Reinert CDU: Jetzt geht's uns besser!)

Hier war Durchregieren angesagt, Herr Reinert, nach der Devise: Herr von Beust, im Sinne des Sonnenkönigs, die Stadt bin ich! Hätten doch nur die Bürgerinnen und Bürger sich nicht immer so vehement gewehrt und Sie beim Regieren gestört, dann hätte es eine richtig schöne Zeit werden können.

Aber die Hamburgerinnen und Hamburger wollten von Anfang an mitbestimmen. Sie fanden Gefallen an Volksentscheiden. Sie wollten die Krankenhäuser nicht verkaufen. Sie wollten ein neues Wahlrecht. Die Bürgerinnen und Bürger waren Ihrer Politik gegenüber skeptisch sowie misstrauisch geworden und forderten mehr Mitspracherechte sowie Transparenz. Das war Ihnen nicht recht.

Sie haben den Hamburgerinnen und Hamburgern mehrfach gezeigt, was Sie davon halten, nämlich herzlich wenig. Sie haben sich über mehrere Volksentscheide hinweggesetzt und nun schreiben Sie sogar den Wählenden vor, wie sie zu wählen haben. Demokratie ist anscheinend zu anstrengend, wenn alle mitreden wollen. Aber genau das macht den Kern einer Demokratie aus. Wir wollen eine größtmögliche Beteiligung.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Genauso anstrengend kann Demokratie sein, wenn die Spielregeln demokratischer Gewaltenteilung einzuhalten sind, Herr von Beust. Auch hiermit nahmen Sie es in dieser Legislatur nicht allzu genau. Es wurden munter geheime Protokolle zwischen PUA-Arbeitsstab, Senatskanzlei und Sozialbehörde hin und her geschickt. Es wurden Unterlagen an die Presse weitergeleitet, um einen Abgeordneten zu denunzieren. Welches Gefühl das bei Ihnen auslöst, Herr von Beust, haben Sie freimütig zugegeben.

Herr von Beust, es gab einmal andere Zeiten, in denen Sie andere Maßstäbe angelegt haben. Es ist nicht lange her, dass Sie an dieser Stelle standen und die Messlatte für politisches Handeln hoch angelegt haben. Hierbei haben Sie sogar ein Versprechen abgegeben. Sie sagten seinerzeit und ich will Sie daran erinnern, ich zitiere:

"Jede Handhabung, die Schadenfreude und Überheblichkeit auf der einen Seite oder Vertuschen von Informationen und Mauern auf der anderen Seite beinhaltet, schadet der Demokratie insgesamt. Wir dürfen das nicht mitmachen. Die Hamburger CDU wird das nicht tun, das verspreche ich Ihnen."

Das war ein Zitat aus der Generaldebatte Haushalt 1999.

Herr von Beust, ich messe Sie an Ihren eigenen Worten. Dieses Versprechen haben Sie gebrochen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Sie hatten seinerzeit als Oppositionsführer wohl andere Maßstäbe angelegt, aber was interessiert Sie Ihr Geschwätz von gestern, da Sie nun die Stadt regieren.

Herr von Beust, das war nicht das einzige Versprechen, das Sie gebrochen haben. Im Bildungsbereich versprachen Sie, endlich richtig Ordnung hineinzubringen. Was Ihre Senatorin dann zustande brachte, sorgte in den Schulen größtenteils für Fassungslosigkeit. Ihre Streichliste im Schulbereich liest sich wie ein Gegenprogramm zu den Ergebnissen der Schulforschung. Weniger Lehrer, an den Grundschulen größere Klassen, bis zu 30 Schüler in der ersten Klasse. Herr Neumann hat das bereits erwähnt. Die Vorschule wurde kostenpflichtig, weniger Teilungsstunden und Förderunterricht, keine integrierten Haupt- und Realschulklassen mehr, Büchergeld und so weiter. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Aber das Verrückteste findet eigentlich zurzeit bei der Debatte um die Schulstruktur statt. Nachdem Sie noch am Anfang der Legislatur laut für die Stärkung der Hauptschulen geworben haben – das muss man sich einmal vorstellen –, sind Sie nun zum Teil lernfähig. Sie sprachen und sprechen nun doch schon mal von einem zweigliedrigem System Gymnasium und einer Stadtteilschule. Immerhin, aber das Verrückte hierbei ist, dass wir alle wissen, welche Schule eigentlich die beste wäre, nämlich eine Schule für alle Kinder.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wir von der GAL wissen das schon länger, nicht ganz so lange, wie die PISA-Sieger Finnland, Schweden und Kanada, aber immerhin seit vielen Jahren.

Die SPD bespricht das offen auf den Parteitagen und auch einige versierte Politiker von der CDU, beispielsweise Frau Süßmuth und Herr Späth, haben das mittlerweile begriffen. Lasst die Kinder zusammen lernen und sie werden dadurch alle klüger. Gucken Sie sich doch einmal in Ruhe unser Programm "Neun macht klug" an. Sprechen Sie einmal mit Frau Süßmuth und besuchen Sie innovative Schulen. Ich bin mir sicher, auch Sie können noch lernen.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich der Max-BrauerSchule gratulieren, die heute vom Bundespräsidenten Horst Köhler die Würdigung für den deutschen Schulpreis überreicht bekommen hat. Fünf Schulen sind ausgezeichnet worden, vier integrierte Gesamtschulen und eine Grundschule. Gratulation an diese Schulen und besonders an die Max-Brauer-Schule.

(Beifall bei der GAL, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Kommen wir zur nächsten Zukunftsfrage, dem Klimaschutz. Die Frage der zukünftigen Energieversorgung und des hiermit zusammenhängenden Klimaschutzes ist eine der wichtigsten Fragen für kommende Generationen. In diesem so wichtigen Bereich und in dieser globalen Frage macht Hamburg eine kurzsichtige Kirchturmpolitik.

Einerseits ist keine andere Großstadt in Deutschland unmittelbar so bedroht wie Hamburg. Hier müssen wir reagieren, aber Sie unternehmen nichts. Andererseits hat Hamburg ein riesiges Potenzial, zur Modellregion des Klimaschutzes zu werden und auch wirtschaftlich davon zu profitieren. Trotzdem gibt es keine systematische Klimaschutzpolitik. Das schadet Hamburg in doppelter Hinsicht, zum einen durch die Klimafolgen und zum anderen durch das verpasste wirtschaftliche Potenzial. Hier müssen nicht nur wir, sondern auch Sie aktiv werden.

Fakt ist, dass Hamburgs Energieverbrauch nach Aussagen der Energiebilanz des Senats seit Jahren auf hohem Niveau stagniert. Für den Klimaschutz wäre eine deutliche Reduzierung des Energieverbrauchs, des CO2-Ausstoßes, erforderlich. Schon mehrfach ist das hier angemahnt worden, doch in diesen Bereichen liegt Hamburg besonders schlecht im deutschen Durchschnitt. Sie unternehmen nichts und das ist unverantwortlich.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Hamburg hat immer noch kein Klimaschutzziel. Andere Städte, wie beispielsweise München, haben sich eine deutliche Reduzierung zum Ziel gesetzt. Das sollten Sie sich zum Vorbild nehmen.

Ich erwähnte bereits, Klimaschutz ist Wirtschaftsförderung. Schon heute hängen in Hamburg 3000 Jobs und mehr am Klimaschutz und an der regenerativen Energie. Aber das reicht nicht. Eine Verdopplung durch konsequente Klimaschutzpolitik wäre möglich und ist durch unsere Anträge zu realisieren.

Sie haben immer noch nicht begriffen, dass Umweltpolitik keine Luxuspolitik, sondern Standortpolitik ist. Es ist kein Luxusthema. Wenn man sich einmal den Monitor der wachsenden Stadt ansieht, stellt man eindeutig fest, dass

selbst nach eigener Einschätzung das Ziel verfehlt ist. Die Lebensqualität der Hamburgerinnen und Hamburger leidet unter der kurzsichtigen Senatspolitik. Lärm- und Feinstaubbelastung, Flächenraubbau, Vernachlässigung des Klimaschutzes und eine verfehlte Verkehrspolitik sind die Beispiele. Meine Damen und Herren von der CDU, Klimaschutz geht anders.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ein weiteres Zukunftsthema – ich nannte es soeben – ist die Verkehrspolitik. Wenn wir Hamburg fit für die Zukunft machen wollen, müssen wir uns die Frage stellen, wie der Verkehr von morgen aussehen soll. Wie wollen wir uns in der Stadt bewegen? Natürlich muss der Wirtschaftsverkehr fließen, Herr Hesse, aber die andere Frage ist: Wollen Sie gestresst im Auto oder entspannt mobil sein?

(Klaus-Peter Hesse CDU: Beides!)

Wir haben uns nicht nur in Hamburg daran gewöhnt, dass Autos sowohl gefahren als auch abgestellt den Großteil der Verkehrsfläche einnehmen. Senat und Verwaltung haben sich daran gewöhnt, dass Fußgänger und Radfahrer mit den Restflächen auszukommen haben. Ist das der Verkehr der Zukunft?

Unter den Aspekten von Lebensqualität, Sicherheit und Klimaschutz müssen wir uns die Frage stellen, ob wir weiterhin dem Auto die Dominanz zugestehen wollen, wie das in den letzten zehn Jahren der Fall war. Das ist nicht nur eine Verkehrsfrage oder irgendeine ideologische Frage, sondern das ist eine Standortfrage.

Wir wissen, dass die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum auch eine Rolle spielt, für welche Stadt sich kreative Köpfe entscheiden. Wer die freie Wahl zwischen mehreren Städten hat, fragt sich, wo er gut und entspannt leben kann. Stockholm, Amsterdam oder auch Paris haben das verstanden. Schauen Sie sich einmal das Programm "Paris atmet auf" an. Das ist hervorragend. Was hat der Senat hier verstanden? Nichts, aber auch gar nichts.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Allein ein Blick in die HafenCity ist doch aufschlussreich. Dort hätte man die einmalige Chance, in einem neuen Stadtviertel moderne Verkehrskonzepte zu etablieren. Was machen Sie? Sie planen kaum sichtbare Schmalspurfahrradwege, die so unsicher und unfallträchtig sind, dass sogar die Polizei sagt, dass sie hier die Benutzungspflicht aufheben wird. Sie planen zwei U-BahnStationen für viel Geld, das gereicht hätte, um den Einstieg in eine moderne Stadtbahn voranzutreiben.