Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

(Dirk Kienscherf SPD: Glaubt man gar nicht, dass Sie die haben!)

glaubten lange Zeit, durch Umverteilung von Wohlstand und Versorgung von Bedürftigen die sozialen Probleme der Menschen zu lösen. Seit Jahren erleben wir die Krise dieses Politikansatzes.

(Unruhe im Hause – Zuruf von Doris Mandel SPD – Glocke)

Frau Abgeordnete Mandel, Sie können sich auch gerne melden.

(Wolfhard Ploog CDU: Sie redet immer dazwi- schen!)

Fahren Sie bitte fort, Frau Senatorin.

(fortfahrend) : Die Aufwendungen steigen ins Unbezahl

bare und die Anzahl der Bedürftigen sinkt nicht, sondern wir erleben sogar, wie sich der Sozialleistungsbezug quasi vererbt, wenn mehrere Generationen schon gar nichts anderes mehr kennen. Deshalb muss moderne und starke Sozialpolitik umsteuern und neue Ansätze finden.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Dann bringen Sie doch mal die Ansätze!)

Erstens: Einkommensarmut ist nach wie vor in erster Linie die Folge von Arbeitslosigkeit. Gerade die Diskussion über die vielen Kinder, die von Transferleistungen leben, zeigt, dass Kinder doch praktisch nie ein eigenes Einkommen oder Vermögen haben. Es sind doch die Eltern, die hinter diesen Kindern stehen und kein oder kein ausreichendes Einkommen haben. Deshalb ist der schlichte Satz doch so richtig: Sozial ist, was Arbeit schafft,

(Beifall bei der CDU)

und da sind wir in Hamburg mit stabil steigenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und nun auch in Deutschland auf dem richtigen Weg.

(Michael Neumann SPD: Das hilft den Langzeit- arbeitslosen nicht!)

Zweitens: Wir brauchen auch in Zukunft eine sichere Versorgung Bedürftiger. Das heißt aber auch generationensicher, das heißt nachhaltig, bezahlbar, auch vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen. Deshalb sind soziale Transferleistungen unverzichtbar, genauso aber auch der wirtschaftliche und sparsame Umgang mit ihnen, der eben auch bedeutet, Missbrauch zu bekämpfen und zu verfolgen.

(Dirk Kienscherf SPD: Na, das ist ja Ihr Lieblings- thema, der Missbrauch!)

Drittens: Versorgung alleine reicht nicht. Eine starke Sozialpolitik muss die konkrete Lebenslage eines Menschen erfassen und ihn bei der Überwindung seiner Defizite und Schwierigkeiten ganz konkret unterstützen.

Ich will einige Beispiele unserer Sozialpolitik in den vergangenen, aber auch den kommenden Jahren nennen.

(Dirk Kienscherf SPD: Na, da bin ich aber ge- spannt!)

Als Erstes die Schuldner- und Insolvenzberatung. Mit 3,1 Millionen Euro fördern wir jährlich die Angebote aus dem damaligen qualitativ und quantitativ unzureichenden staatlichen Angebot. Bei Regierungsübernahme wurde die Schuldner- und Insolvenzberatung nach dreijähriger Umstrukturierung im Juli 2006 komplett an Freie Träger abgegeben. Der Erfolg für das neue System: Im Vergleich zu 2001 ist die Zahl der erfolgreich abgeschlossenen Verfahren in der Insolvenzberatung um 253 Prozent gestiegen,

(Michael Neumann SPD: Aber vorher war gar nichts!)

und die Abbrecherquote verringerte sich von 44 Prozent auf nunmehr 5 Prozent. Das entspricht einem Rückgang von insgesamt 73 Prozent.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich haben wir auch jetzt noch riesige Beratungsbedarfe angesichts vieler, übrigens häufig über die Jahre

angewachsener Überschuldungen. Bundesweit werden wir für die Beratungswartezeit in Hamburg von ungefähr vier bis sechs Monaten beneidet. Kein Wunder, denn dort müssen die Menschen im Schnitt ein bis zwei Jahre warten. Dazu haben wir mit den Trägern vereinbart, dass Notfallberatungen sofort erfolgen.

Zu einem zweiten Punkt, zur Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Menschen mit Behinderungen, Frau Gregersen, haben oft eine schicksalhafte Herausforderung für ihr Leben. Sie haben einen Anspruch für einen Nachteilsausgleich, den wir mit einem eigenen Gleichstellungsgesetz in Hamburg untermauert haben. Aber Hamburg wendet auch erhebliche Summen für Maßnahmen der Eingliederung auf. Die geplanten Ausgaben liegen in 2007 mit 296 Millionen Euro um rund 5 Millionen Euro höher als im Jahre 2006. Das ist nicht nur quantitativ eine erhebliche Anstrengung, sondern wir verwirklichen auch inhaltlich das Prinzip "ambulant vor stationär" bei der Hilfebewilligung.

(Dirk Kienscherf SPD: Machen Sie doch nicht!)

Der Anteil der ambulant betreuten Menschen ist im Vergleich zum Jahre 2005 von 41 Prozent auf fast 45 Prozent in 2006 gestiegen und bis 2008 wollen wir gerne knapp 49 Prozent erreichen. Ambulantisierung ist dabei ein Gewinn für die Menschen

(Dirk Kienscherf SPD: Sie setzen es ja nicht um!)

und bedeutet letztlich mehr Eigenständigkeit, mehr Teilhabe an der Gesellschaft.

Zur Obdachlosenhilfe. Mit der Umsetzung des Fachstellenkonzeptes haben wir in der Tat die Hilfe für Wohnungslose und für diejenigen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, erheblich verbessert,

(Dirk Kienscherf SPD: Ach!)

weil wir jetzt Hilfe vor Ort in allen Bezirken anbieten, nicht Wohnungslosigkeit verfestigen, sondern Anreize und konkrete Unterstützung schaffen, damit Wohnungslose den Weg in den eigenen Wohnraum, in ein selbstständiges Leben wieder finden. Erstmalig soll dabei strukturiert für die am schwersten betroffenen Menschen Träger gefunden werden, die selbst Wohnungen anmieten. In diesen Wohnungen werden die Obdachlosen dann so begleitet, dass sie sich überhaupt wieder an ein Leben in einer eigenen Wohnung und den damit verbundenen Aufgaben und Pflichten gewöhnen können. Das ist in der Tat revolutionär.

(Beifall bei der CDU)

Ein umfangreiches Winternotprogramm gibt es auch in diesem Jahr. Immer wieder wird in diesem Winternotprogramm versucht, auch hier die Chance des Übergangs in die eigene Wohnung zu nutzen.

(Martina Gregersen GAL: Und warum schlafen immer noch Obdachlose auf der Straße?)

Schließlich werden die bereitgestellten Hilfen auch zur Wohnungssicherung aus vielfältigen Gründen bedrohter Haushalte genutzt.

Noch ein paar Worte zur Neufassung der Gebührenordnung. Behauptungen, die in der letzten Woche immer wieder umgingen, diese Neufassung sei unsozial, sind ziemlicher Unsinn. Sie zeugen eher von der Unkenntnis derjenigen, die das behaupten. Die Wahrheit ist, dass alle

A C

B D

finanziell Armen die Gebühren über das Arbeitslosengeld II und die Grundsicherung erstattet bekommen. Man mag es kaum glauben, aber 10 Prozent der Bewohner in der öffentlichen Unterbringung sind materiell nicht arm. Sie tragen die Kosten als Selbstzahler. Diese Menschen wohnen hier, unterstützt vom Sozialstaat, billiger als in einer Mietwohnung und dazu wird der Kostendeckungsgrad der Gebühren von 49 Prozent auf 53 Prozent erhöht. Das heißt, die Wohnungsmiete steigt um 12 bis 24 Euro monatlich.

(Zuruf von Doris Mandel SPD – Glocke)

Frau Abgeordnete Mandel, ich rufe Sie jetzt wirklich zur Ordnung.

(fortfahrend) : Genau diese Personen mit einem eigenen Einkommen sollen motiviert werden, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Das ist alles andere als eine kaltherzige Sozialpolitik. Das ist verantwortliches Umgehen mit Steuergeldern und ausstiegsorientierte Aktivierung der Betroffenen, die diese Subventionen in Wirklichkeit gar nicht benötigen.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Das haben Sie jetzt aber toll vorgelesen!)

Sozialpolitik ist deshalb auch immer eine Politik für die Schwachen, insbesondere für diejenigen, die unverschuldet in Not gekommen sind. Das gilt ganz besonders für die Opfer von Gewalt und Verbrechen. Meine Behörde hat im vergangenen Jahr die Federführung für den Opferschutz übernommen und wir haben ein neues Referat Opferschutz eingerichtet, das wir auch mit personellen Ressourcen ausgestattet haben. Uns stehen ab 2007 mehr finanzielle Mittel für die Gestaltung des Opferschutzes zur Verfügung. Damit können wir Beratung und Betreuung von erwachsenen Opfern von Gewalt deutlich verbessern.

(Michael Neumann SPD: Zum Opferschutz sagen Sie, Sie haben mehr Personal, mehr Mittel! Was machen Sie denn da?)

Es stehen jährlich 375 000 Euro zur Verfügung.

Wir haben neu veranschlagt Mittel in Höhe von 90 000 Euro für Beratung von Migranten und vor allem Migrantinnen, die von Gewalt oder Zwangsheirat bedroht sind.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines ganz deutlich bekennen und aussprechen: Errungenschaften der Gleichberechtigung von Mann und Frau werden in einem Teil unserer Gesellschaft infrage gestellt und das können wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Was meinen Sie denn damit?)

Ich meine damit nicht nur manches Machogehabe, sondern zum Teil tief verwurzelte Traditionen.