Protokoll der Sitzung vom 12.12.2006

Vielleicht liegt es, dass wir zum Thema "seniorengerechte Stadt" in Ihrem Haushaltsplan nichts finden, auch einfach daran, dass Sie über Senioren relativ wenig wissen. Wir haben ein, zwei Anfragen – darunter eine Große Anfrage – gestellt, wie die Lebenslage und Einkommenssituation der Senioren in dieser Stadt aussehe. Auf keine Frage konnten Sie fundiert antworten. Auch das ist ein Beweis dafür, dass Sie es mit dem Thema "seniorengerechte Stadt" nicht ernst meinen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Was wir brauchen, ist, Senioren zu fördern und möglichst lange in Ihrem Umfeld zu belassen und Sie mit einzubinden. Wir brauchen generationsübergreifende Projekte. Das haben Sie auch einmal in Ihrem Regierungsprogramm geschrieben. Davon ist nie etwas umgesetzt worden. All dies brauchen wir. Was wir nicht brauchen, sind irgendwelche PR-Gags oder Schlagworte. Wir brauchen Inhalte.

(Beifall bei der SPD)

Und deswegen – und auch dies war ein großer Fehler in Ihrer Amtszeit – wollen wir neu über das Sozialticket nachdenken. Es kann aus unserer Sicht nicht angehen, dass wir sozial Schwache von Mobilität in dieser Stadt ausgrenzen. Wir wollen, dass alle Menschen in diesem schönen Hamburg unterwegs sein können, dass alle Menschen die Angebote unserer Stadt nutzen können, dass Menschen in unserer Stadt nicht ausgegrenzt werden. Deswegen müssen wir ein Sozialticket neu einführen und diese Mobilität ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ihrem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Reinert, ist gestern zum Thema Sozialpolitik relativ wenig eingefallen. Zwei Punkte hat er genannt: Einmal war es das Landesbehindertengleichstellungsgesetz – dazu sage ich gleich etwas – und das Zweite war Ihre Pflegeoffensive. Wo sich diese wieder gefunden hat, wissen wir bis heute nicht. Es gab einen Landesrahmenplan zur Pflege, das war eine IstAnalyse. Was wir aber festgestellt haben, ist, dass sich die Rahmenbedingungen für Pflege natürlich weiterhin verschlechtern werden. Zum einen haben Sie pflegen & wohnen verschachert, obwohl der Betrieb mittlerweile kostendeckend und gewinnbringend gearbeitet hat. Zum Zweiten haben Sie sich völlig aus der Finanzierung und Unterstützung von Pflegeheimen bei Sanierung und Neubau zurückgezogen. Das ist der falsche Weg. Wir wollen, dass es auch weiterhin einen städtischen Einfluss in diesem wichtigen Bereich gibt. Wir wollen, dass Pflege auch weiterhin bezahlbar bleibt, und zwar hoch qualitative Pflege.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Deswegen fordern wir – auch vor dem Hintergrund der veränderten demografischen Rahmenbedingungen –, dass wir uns mit dem Thema Pflege intensiv befassen, dass wir aber auch das Thema Dementenprogramm angehen und nicht wie Sie das Angebot konstant halten. Hier muss frühzeitig reagiert werden. Wir müssen heute bessere Bedingungen für morgen schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zum zweiten Punkt, den Ihr Fraktionsvorsitzender angesprochen hat. Das war gestern Abend ja auch so ein bisschen lustig. Er sagte, das Landesbehindertengleichstellungsgesetz sei der positive Punkt – da kommt er ja auch endlich.

(Bernd Reinert CDU: Ich stand schon die ganze Zeit dort hinten, aber Sie sind ja so kurzsichtig! – Gegenruf von Michael Neumann SPD: Mit dem Rücken an der Wand!)

Gut, dann sind Sie entschuldigt, Herr Reinert. Dann können Sie sich hinsetzen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Sie haben dies gestern als einen der großen Punkte Ihrer Sozialpolitik verkündigt. Wenn man sich genau daran erinnert, wie das ganze gekommen ist, weiß man, dass der Bundesgesetzgeber damals die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen hat – Rotgrün hat das Bundesgleichstellungsgesetz geschaffen – und danach viele andere Länder nachgezogen haben. Wer hat nicht nachgezogen? Das war Hamburg. Deswegen waren es wir Sozialdemokraten – ich will die Kollegen von der GAL nicht vergessen –, die mit Eckpunktepapieren diesen Gesetzgebungsprozess eingeleitet haben. Wir waren es, die dort ein wenig Druck gemacht haben und wir haben nachher etwas Vernünftiges herausbekommen. Das will ich gar nicht bestreiten. In diesem Punkt – das muss ich sagen – konnte man mit der Senatorin zusammenarbeiten. Aber letztendlich war dies nicht Ihr Projekt, sondern ein gemeinsames. Allein wären Sie dazu gar nicht in der Lage gewesen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wozu Sie allerdings allein verantwortlich sind, ist, wie es mit der Umsetzung dieses Gesetzes aussieht. Im März 2005 ist es in Kraft getreten. 18 Monate haben Sie gebraucht, um das Gremium einzusetzen, das die Umsetzung kontrollieren soll. Das ist erbärmlich. Dafür tragen Sie die Verantwortung, Herr Reinert.

(Beifall bei der SPD)

Täuschen und Tricksen gehört auch zu Ihrem Tagesgeschäft, Frau Senatorin.

(Unmutsäußerungen bei der CDU)

Sie können sich doch später zu Wort melden. Bleiben Sie ganz ruhig.

Wir sehen dies besonders beim Thema Ambulantisierung. Dort haben Sie der Stadt und uns allen gesagt, Sie hätten die Ambulantisierung vorangetrieben, die Umwandlung von stationären in ambulante Plätze. 800 Plätze seien dies, haben Sie mehrfach erwähnt. Ich habe heute noch einmal mit der evangelischen Stiftung Alsterdorf Rücksprache gehalten: Bis heute ist kein einziger Platz umgesetzt worden, da der Vertrag, der dazu geschlossen werden müsste, bis heute mit Ihrer Behörde

nicht geschlossen werden konnte. Das nenne ich Tricksen, das nenne ich Täuschen.

(Beifall bei der SPD und bei Martina Gregersen GAL)

Es gibt noch viel zu Ihrem Etat zu sagen. Insgesamt können wir festhalten, dass die letzen fünf Jahre keine guten für die Stadt und die sozial Schwachen in unserer Stadt waren. Wir Sozialdemokraten haben heute ein umfassendes Maßnahmenbündel vorgelegt. Wir wollen im Rahmen der menschlichen Metropole eine gerechte Stadt, die alle Menschen mitnimmt und die allen Menschen Perspektiven eröffnet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Schira.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es eines Beweises bedurfte, dass Haushaltsdebatten zu Ritualen verkommen können, hat Ihre Rede ihn geliefert, Herr Kienscherf.

(Beifall bei der CDU – Dr. Mathias Petersen SPD: Das macht sonst nur der Bürgermeister!)

Sie haben keine einzige Zahl genannt und keinen einzigen Deckungsvorschlag gemacht. Das war symptomatisch für Ihre Rede. So etwas kann man natürlich tun, aber es geht an der Sache vorbei.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von Manuel Sarrazin GAL)

Wer schreit da immer so? Kommen Sie doch einmal her, nach vorn, dann können Sie auch etwas zur Sache beitragen, Herr Sarrazin.

Wenn wir uns die Bilanz der letzten zwei Jahre ansehen, fällt als erstes unser jüngstes Baby auf. Das ist unser sozialpolitisches Konzept für Hamburg als lebenswerter Stadt. Wir sind überzeugt, dass Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum die besten Grundlagen für eine verbesserte Lebensqualität und mehr Lebenschancen sind. Wir haben uns als erstes sechs Stadtteile ausgesucht, in denen wir entsprechende Maßnahmen ergreifen, die die Eigeninitiative der dort lebenden Menschen fördern wollen. Noch einmal zur Erinnerung: Dies sind die Stadtteile Wilhelmsburg, Lohbrügge-Ost, Altona-Altstadt, Billstedt, Steilshoop, Barmbek-Süd, Parkquartier sowie Friedrichsberg.

Wir sind angetreten für eine optimierte Vernetzung der Behörden und eine bessere Kooperation der Einrichtungen vor Ort. Das führt zum Erfolg. Wenn wir alle Stärken vor Ort miteinander bündeln, können wir den Menschen vor Ort besser helfen.

(Beifall bei der CDU)

Ebenso muss die staatliche Unterstützung dort ansetzen, wo bürgerschaftliches Engagement allein nicht ausreicht. In den letzten Jahren stellen wir jährlich 20 Millionen Euro für unser Konzept der lebenswerten Stadt zur Verfügung. Bis 2011 werden dies bis zu 100 Millionen Euro sein. Mit diesen Projekten, die wir sorgfältig und solide finanziert haben, ohne den Haushalt zu erhöhen, sind wir in Deutschland Vorreiter. Auch die Projektverantwortlichkeit bei den Staatsräten ist mehr als vorbildlich.

(Beifall bei der CDU)

Sie werfen uns Tatenlosigkeit, Zynismus, Geiz gegenüber Armen und soziale Kälte vor.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das hat die Opposition, allen voran die SPD, der Sozialsenatorin in den letzten Monaten immer wieder vorgeworfen.

(Jörg Lühmann GAL: Und sie haben Recht damit!)

Die Fakten der vergangenen zwei Jahre sprechen eine andere Sprache.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

In der Behindertenpolitik zum Beispiel: Das Hamburgische Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen, eingeführt 2005, die Verordnung zur Verwendung von Gebärdensprachen und anderen Kommunikationshilfen, unmittelbare Kosten jährlich bis 50 000 Euro, die mittelbaren Mehrkosten würden für 2007 bei 60 000 Euro liegen, ab 2008 bei 70 000 Euro. Der Rahmenvertrag zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten: Hamburg zahlt hier jeweils jährlich mehr als 300 Millionen Euro an Vergütung. Kann man angesichts dieser Zahlen von Kälte sprechen? Wohl kaum.

Sie merken schon: Entscheidend für eine gelungene Sozialpolitik sind letzten Endes nicht die Höhe der Ausgaben, sondern ein für die Menschen sinnvolles Konzept und eine regelmäßige Erfolgskontrolle.

(Beifall bei der CDU)

Doch was machen Sie, Herr Kienscherf? Sie mosern und halten sich mit Wortbrücken auf. Der Lebenslagenbericht, sagen Sie, das Konzept gegen neue Armut, das wir aufgelegt haben, sei zu technokratisch. Wenn Sie über Pflege sprechen, kommen wir zur Rahmenplanung für die zeitgerechte Pflege. Wir haben eine Ausweitung des Angebotes der Tages- und der Kurzzeitpflege geschaffen. Ab 2007 werden zusätzlich 590 000 Euro, ab 2008 781 000 Euro zur Verfügung gestellt. Ab 2007 wird ein Zentrum für Hospizarbeit zur Verbesserung der Pflege schwerkranker und sterbender Menschen eingerichtet. Unser Programm, mit dem wir die alten Pflegeheime bei der Palliativpflege unterstützen, hat ein finanzielles Volumen von insgesamt 300 000 Euro. Dies sind die Fakten und nicht die Schauermärchen, die Sie uns hier erzählen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer Erfolg, den wir, die Sozialsenatorin und ihr Staatrat, Dietrich Wersich, für uns verbuchen können, ist die Privatisierung von pflegen & wohnen. Ich kann mich noch gut an die Worte des damaligen Haushaltsausschussvorsitzenden, Herrn Zuckerer, erinnern, der uns schon vor Jahren angesprochen und Zusammenarbeit angeboten hat, pflegen & wohnen sei ein Fass ohne Boden, wir müssten in irgendeiner Form anständig heraus.