Protokoll der Sitzung vom 16.06.2004

(Beifall bei der CDU)

Nun zu Hartz IV. Lieber Herr Neumann, ich bin im Vermittlungsausschuss, ich erlebe die Diskussionen. Ich kann nur sagen: Wir als Kommunen, und zwar alle Kommunen, verlangen, dass der Bundeskanzler und der Wirtschaftsminister ihre Zusage einhalten, die Kommunen mit 2,5 Milliarden Euro zu entlasten. Es kann im Moment überhaupt noch nicht Rede davon sein, dass hier ein verbindliches Angebot vorliegt. Der Wirtschaftsminister hat vor zwei Wochen einen ersten Versuch gemacht. Alle Kommunen sind sich einig, dass es noch nicht ausreicht. Ich hoffe, dass der Bundeswirtschaftsminister morgen in Berlin ein Angebot vorlegen wird, damit die Kommunen, wie vom Bundeskanzler und Wirtschaftsminister versprochen, auch wirklich entlastet werden. Wir werden den Gesetzesentwürfen der Bundesregierung nur folgen können, wenn auch die Bundesregierung ihr Wort hält. Davon sind wir im Moment noch weit entfernt, aber ich höre Ihre Botschaft wohl. Ich gehe davon aus, dass uns als Kommunen der Bundeskanzler und der Bundeswirtschaftsminister morgen durch Unterstützung der Sozialdemokraten in Hamburg ein Angebot vorlegen wird, das wir annehmen können, damit wir entsprechend entlastet werden. Das sollte im November, Dezember letzten Jahres für Hamburg 165 Millionen Euro bedeuten. Wir sind heute schon dankbar, wenn wir 80 Millionen Euro bekommen und das ist das Wort der Bundesregierung.

Wir werden auch weiterhin für unsere Interessen dort kämpfen

(Michael Neumann SPD: Für die Interessen Ham- burgs, nicht für Ihre!)

und werden uns auch dafür einsetzen. Wir erwarten aber auch, dass Sie das hier nicht bei den Wortbeiträgen lassen, sondern dass auch Sie den Bundeskanzler und den Wirtschaftsminister in Berlin daran erinnern, dass Hamburg Geld aus Hartz IV zu bekommen hat, das bis heute

viel versprochen wurde, aber das wir bis heute noch nicht bekommen haben.

Zum Thema Wachsende Stadt und Investitionen. Wir werden auch unsere Bildungsausgaben auf Dauer nicht finanzieren können, wenn wir nicht gleichzeitig eine gesunde Wirtschaftsstruktur haben. Das sind Prozesse, die gegenseitig verschränkt sind und wir müssen beides tun. Deswegen ist unser Schwerpunkt auch Universität und Bildung. Ich glaube, wer sich den Haushalt dann gründlich anguckt, wird feststellen, dass dort auch die entsprechenden Schwerpunkte sind.

Aber Investitionen des Staates machen es nicht alleine. Wir stärken unsere Investitionen. Wir haben ein Sonderinvestitionsprogramm, das wir Ihnen vorstellen werden. Wir haben unsere Investitionsquote auch erhöht. Aber wir stärken gleichzeitig die Investitionen der öffentlichen Unternehmen. Aber was vor allen Dingen wichtig ist: Wir sorgen dafür, dass private Unternehmen in dieser Stadt verstärkt investieren, ob das die Europa-Passage ist, ob das die HafenCity einschließlich U-Bahn ist, ob das der Domplatz ist. Hier kommen private Investitionen in die Stadt und nicht nur staatliche Investitionen. Ich glaube, da müssen Sie eines Tages auch einmal umdenken: Nur die privaten Investitionen sichern dauerhaft den Wirtschaftsstandort Hamburg.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen ist es auch nur logisch, dass Sie nicht wissen, Herr Neumann, dass wir die Erbbaurechte den Wohnungsbaugenossenschaften auch deswegen verkauft haben, damit sie in der Lage sind, stärker privatwirtschaftlich zu investieren. Es kommt – darauf wurde schon hingewiesen – nicht nur auf den staatlich geförderten Wohnungsbau an. Es kommt darauf an, dass private Bauherren hier in Hamburg verstärkt Wohnungsbau betreiben. Dafür werden wir die Grundstücke preiswerter anbieten, dafür werden wir die Erbbaurechte verkaufen, um hier eine Basis zu schaffen, dass sich private Investitionen in den Wohnungsbau auch wieder lohnen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Herr Neumann, Sie haben am Anfang Ihrer Rede sehr richtig gesagt, dass der Staat nur das ausgeben kann und darf, was ihm Bürger und Betriebe zur Verfügung stellen. Das ist meine Meinung, das ist unsere Meinung und das sollte auch unsere gemeinsame Meinung sein. Ich denke, es ist unsere gemeinsame Aufgabe, wieder einen Grundkonsens auch in der Bevölkerung zu schaffen, dass wir dauerhaft nicht über unsere Verhältnisse leben können, sondern dass wir dauerhaft dazu beitragen müssen, dass die Einnahmen und Ausgaben wieder in einen vernünftigen Ausgleich kommen.

(Volker Okun CDU: Richtig!)

Das ist auch das Ziel unserer Haushaltspolitik, wobei ich auch klar sage, dass es noch nicht einmal reichen wird, denn wir brauchen aus den Überschüssen des laufenden Haushaltes auch noch Mittel, um investieren zu können. Das ist das Ziel unserer Finanzpolitik: Wir steigern die Investitionen, wir senken die Nettokreditaufnahme, wir konsolidieren im Betriebshaushalt, um die Zukunft unserer Stadt finanziell abzusichern.

(Beifall bei der CDU)

A C

B D

Das Wort erhält Herr Zuckerer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Peiner, die CDU trägt die Verantwortung für die Haushalts- und Finanzpolitik seit dem Jahr 2001. Deshalb sehen wir uns einmal die Ergebnisse und die Bilanz seit dem Jahr 2001 an. Herr Dr. Peiner, es ist richtig, dass Sie den Haushalt 2002, der noch von Rotgrün beschlossen war, durchgefahren. Das Problem bestand darin, dass die Steuereinnahmen bereits im Herbst eingebrochen waren und

(Vizepräsidentin Dr. Verena Lappe übernimmt den Vorsitz.)

im Jahr 2002 erneut einbrachen. Der Vorwurf, der Ihnen zu machen war, ist, dass Sie auf diesen drastischen Einbruch nicht reagiert hatten. Sie haben die Dinge im ersten Jahr einfach laufen lassen, weil es einfacher war und weil Sie durchaus auch andere Dinge tun wollten, weil Sie Geschenke finanziert haben. Das ist damals der Fall gewesen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ein Sonderprogramm, von dem wir heute noch nicht wissen, was eigentlich aus ihm geworden ist. Das war Ihre erste Maßnahme.

Nun kommt Ihre zweite Maßnahme. Im Jahr 2003 begann dann in der Tat das strukturelle Sparen mit Jesteburg I. Darüber kann man streiten, aber selbst aus Ihrer Fraktion und selbst von Ihnen gibt es Äußerungen, dass Jesteburg I bis heute eigentlich noch nicht vollständig verwirklicht ist. Darauf will ich aber gar nicht hinaus. Ich gestehe Ihnen zu, dass es Schwierigkeiten gab. Es gibt etwas ganz anderes, was einen dabei bewegt, nämlich dass Sie im Jahr 2003 zwei fundamentale schwarze Löcher produziert haben. Das eine, dessen Umfang wir noch gar nicht genau kennen, das aber mindestens zwischen 40 Millionen Euro und 60 Millionen Euro liegt und das andere, das irgendwo im Schulinvestitionsbereich ein merkwürdiges Dasein in einem Bermudadreieck der Verwaltung fristet. Wenn man das zusammennimmt, was Sie 2003 produziert haben, dann haben Sie ungefähr die Hälfte des Geldes, das Sie vielleicht in Jesteburg I gespart haben, wieder versenkt und das ist Ihre Konsolidierungspolitik des Jahres 2003 gewesen. Da war im Prinzip nichts, außer jetzt einem großen Loch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das ist einfach die finanzpolitische Realität, aber es gibt auch darüber hinausgehend Politik.

Meine Damen und Herren! Wenn wir den Bürgern dieser Stadt erläutern, dass sie sparen müssen, dass sie Einschränkungen bei öffentlichen Dienstleistungen hinnehmen müssen, dass Zuwendungsträger akzeptieren müssen, dass bei ihnen gestrichen wird, dann ist das in vielen Bereichen auch notwendig. Aber man kann es niemand vermitteln, wenn man selbst eine unsolide Haushaltsführung oder eine Form von Misswirtschaft duldet, die in einem Bereich, ohne irgendetwas zu bewegen, 60 Millionen Euro Minimum im Kita-Bereich versenkt und im anderen Bereich offensichtlich Schulinvestitionsbau zum letzten Abenteuer dieser, unserer Welt erklärt. Das geht nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Da versteht keiner, warum er eigentlich Einschränkungen hinnehmen soll, wenn eine Verwaltung noch nicht einmal selbst in der Lage ist, angemessen und einfach solide zu wirtschaften. Das ist das erste politische Problem, das Sie produziert haben.

Nun kommen wir zu einem zweiten Problem. Sie haben jetzt Jesteburg III – was immer es ist, man kann auch sagen: Hammer eins – vorgelegt, Ihr zusätzliches Programm. Ich gehe jetzt gar nicht auf die einzelnen Maßnahmen ein, sondern nur auf eine ganz bestimmte Tatsache.

In diesem neuen Konzept werden oder sollen durch Effizienzsteigerungen und Modernisierungen insgesamt 14 Millionen Euro gespart werden, sozusagen strukturelle Gewinne durch bessere Verwaltungsführung oder auch Ausgliederung.

Diese 14 Millionen Euro sind 12 Prozent Ihres gesamten neuen Sparpakets und bezogen auf den Betriebshaushalt der Freien und Hansestadt liegt das im Promillebereich. Herr Dr. Peiner und Herr Bürgermeister, wollen Sie diesem Parlament ernsthaft erklären oder irgendwie deutlich machen, dass man im Bereich der Modernisierung und der Effizienzsteigerung der Verwaltung nur 14 Millionen Euro sparen kann und mehr in Zukunft nicht? Ist das alles für den Doppelhaushalt 2005/2006, sozusagen die Restrate? Das ist absoluter Unsinn.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Natürlich wurde auch schon vorher im Bereich der Verwaltung gespart. Das Problem besteht doch darin, dass wir, wenn wir moderne und effiziente Verwaltung haben wollen, sie auch herbeiführen müssen. Effizienzgewinne in einem Zweijahreshaushalt von 14 Millionen Euro sind ein Witz, wenn wir über eine zukunftsfähige Verwaltung reden. Sie sind auch aus anderen Gründen dann nicht vertretbar. Wenn wir den Bürger durch harte Eingriffe belasten müssen, dann müssen wir als erstes nachweisen, dass es keine Reserven mehr in der normalen Verwaltung gibt, und das weisen Sie nicht nach.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Deswegen haben wir Ihnen schon vor zwei Jahren gesagt, dass wir für den Staat Hamburg, für öffentliche Verwaltung in Hamburg, für einen modernen öffentlichen Dienst ein Zukunftskonzept brauchen. Dieses Zukunftskonzept gibt es nicht, weil Sie sich durchwursteln. Wenn man die Zahlen, die Sie zusammengeschrieben haben, nimmt – 12 Prozent Ihres gesamten Zukunftspakets sind dann Einsparungen bei der öffentlichen Verwaltung –, dann muss man eigentlich zu dem Ergebnis kommen, dass es aus Ihrer Sicht im Bereich der wirklichen Aufgabenkritik, im Bereich einer anderen Organisation keine Reserven mehr gibt. Es gibt also nur noch den Eingriff bei Zuwendungen und Subventionen. Sonst gibt es ganz offensichtlich in der Hamburger Verwaltung nichts. Das glaubt keiner, der hier sitzt.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu einem weiteren Punkt, der mir auch wichtig ist. Meine Damen und Herren, Haushalts- und Finanzpolitik ist trocken und sie ist auch schwierig. Jeder weiß, dass wir in einer besonders schwierigen Lage leben. Aber Haushalts- und Finanzpolitik ist immer auch Verteilungspolitik.

Wenn wir Ihre Sparpakete betrachten, dann müssen wir auch über Verteilungswirkungen reden. Sie werfen uns vor, dass die Methoden der Vergangenheit, das Quotensparen, nicht so besonders politisch war, was es übrigens doch war, denn die Quote war politisch, und was innerhalb der Quote erbracht wurde, musste politisch bewertet werden. Aber Ihre Methode ist, wie ich das verstanden habe, die superpolitische Methode. Jedes einzelne Projekt wird politisch bewertet.

(Dr. Willfried Maier GAL: Vom Gesamtsenat!)

Vom Gesamtsenat.

Dann sehen Sie sich an, was Sie bei den 110 Millionen Euro verbrochen haben. Ich gebe jetzt ein kleines Beispiel: Wenn man in schwierigen Zeiten Finanzpolitik macht oder der Gesamtsenat in Verantwortung Politik macht – Sie nennen das verantwortungsvolles Konsolidieren –, dann muss man auf eine Balance achten. Und was ist Ihre Balance? Ihre Balance ist: Geld für die Bambi-Verleihung, Geld für Women´s World Award, Geld für Men´s World Award. Diese Veranstaltungen kosten zusammen dreimal so viel wie die Geschichtswerkstätten im Jahr brauchen. Das ist Ihre Balance und das geht nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie zu harten Einschnitten kommen. Das müsste wohl jede Regierung. Ich werfe Ihnen aber diese Form der Ungleichgewichtigkeit vor, die in dieser Stadt weder sozial- noch zukunftsverträglich ist. Das ist der wesentliche Vorwurf.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn man das politisch unterm Strich bewertet, dann bleibt Folgendes übrig: Das, was Sie immer finanzieren würden und wo Sie nie einsparen, ist die Fassade dieser Stadt, das sind die imagebildenden Maßnahmen, das sind die Events. Da, wo Sie immer einsparen und wo Sie es für notwendig halten, weil es ja nicht anders geht, ist dort, wo eigentlich Probleme gelöst werden müssen. Die Bambi-Verleihung ist kein Problem, aber Frauenhäuser sind ein Problem. Da müssen Sie sich entscheiden, was Sie wollen – politisch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie haben sich auch entschieden, das müssen Sie sich abseits von Zahlen, abseits von sonstigen Beschönigungen und abseits von abstrakten finanzpolitischen Begriffen wie der verantwortlichen Konsolidierung vorhalten lassen. Sie haben sich entschieden zu investieren, das ist richtig. Sie haben sich aber auch entschieden, keine einzige Wirtschaftssubvention in dieser Stadt auf den Prüfstand zu stellen. Das ist falsch, wenn man es für den Bund selbst auch fordert.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie haben sich entschieden, die Arbeitsmarktmittel zu kürzen, und das ist eine politische Entscheidung. Davon kommen Sie nicht weg.

Sie haben sich im Prinzip entschieden, dass die Mehrheit der Bevölkerung dieser Stadt ihre Probleme in Zukunft ohne staatliche Hilfen bewältigen soll, es sei denn, sie hat einen gesetzlichen Anspruch darauf. Ansonsten finanzieren wir die glitzernde Zukunft dieser Stadt und Luxusprojekte wie eine U-Bahn, die keiner braucht. Das ist Ihre politische Linie für die nächsten drei Jahre.