Protokoll der Sitzung vom 31.01.2007

Geht der Senat davon aus, dass es nur eine "muslimische Seite" als Vertragspartner geben wird? – Antwort: Der Senat hat sich hiermit nicht befasst,

(Lachen bei der SPD und der GAL)

ist sich aber der Vielfalt auch unter den Muslimen selbstverständlich bewusst. Herzlichen Glückwunsch, das ist doch mal etwas.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sicherlich ist hinsichtlich der Vertretungen muslimischer Verbände weiterhin gefragt, diese sicherzustellen und auch transparent zu machen. Wir wollen niemanden aus der Verantwortung entlassen. Das ist gar keine Frage. Aber ich glaube, dass wir endlich damit aufhören müssen, aus der Luft Vergleichszahlen heranzuholen, indem wir alle Menschen oder deren Vorfahren, die irgendwie aus muslimischen Ländern stammen, erst einmal als Muslime zählen und dann schauen, wie viele von ihnen in den Verbänden sind.

Wir wissen alle, dass aus diesen Ländern Atheisten kommen und Aleviten, die sich unterschiedlich zum Islam verhalten sowie auch Christen. Wer wüsste das besser, als die CDU in Hamburg-Mitte?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Beim Thema Religionsunterricht haben Sie nach Angaben des Senats Gespräche mit der SCHURA, DITIB und den Aleviten geführt. Ich denke, dass die muslimischen Verbände heute eine höhere Erwartung haben.

Das geht mir auch nicht genügend aus dem grünen Antrag hervor, den wir selbstverständlich unterstützen. Aber ich bin der Meinung, dass die Verbände schon sehr viel weiter sind. Sie wollen nicht mehr nur einen runden Tisch, über den alle sechs Monate berichtet wird, auch wenn das Gespräch selbstverständlich gut wäre, weil das in dieser Form noch nicht existiert. Dass wir hier jetzt feststellen, dass Vertreter wichtig sind, ist gut und das werden wir auch unterstützen. Aber ich befürchte nur, das wird uns und auch die Verbände nicht wirklich weiterbringen.

(Christa Goetsch GAL: Ein Anfütterantrag!)

Ein Anfüttern, okay.

Zum einen hoffen wir, dass sich hinter dem CDU-Antrag mehr Ernsthaftigkeit verbirgt, als augenscheinlich ist. Zum anderen halten wir unter uns Parlamentariern auch das Gespräch für besonders wichtig, was in dem Zusatzantrag nochmals deutlich hervorgehoben wird. Daher plädieren wir in diesem Fall zunächst einmal für die Überweisung in den Sozialausschuss.

Ich komme zurück zu Ihrem Antrag. Ich möchte noch einmal an Ihr Petitum erinnern: Der Senat wird ersucht, mit autorisierten Vertretern der Muslime Gespräche aufzunehmen mit dem Ziel, ein verbindliches, schriftliches Abkommen über gegenseitige Rechte und Verpflichtungen in verschiedenen Lebensbereichen abzuschließen. Nennen Sie bitte Ross und Reiter und sagen Sie klipp und klar sowie hier und jetzt, worüber wir genau reden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Frau Goetsch hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Beuß, ein elftes Gebot würde vielleicht heißen: Du sollst nicht heucheln. In moderner Sprache ausgedrückt, bedeutet das: Du sollst deine Motive offenlegen.

(Wolfhard Ploog CDU: Das ist ja unglaublich!)

Sie haben hier wirklich eine Muskiste aufgemacht, indem Sie die Kopftücher mit dem 11. September zusammengeworfen haben sowie die Pariser Vorfälle und Proteste und haben dann erklärt, aber wir Christen reichen den Muslimen die Hand.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Ich möchte hinsichtlich der Ernsthaftigkeit, die Frau Özoguz angemahnt hat, noch einmal darauf zurückkommen, dass Sie in Ihrem Antrag letztendlich ein Problem zum Ausdruck bringen, das Sie selbst produziert haben.

Wir haben schon im letzten Sommer nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass der Senat Kirchen-Staatsverträge exklusiv mit der Nordelbischen Kirche und der Katholischen Kirche unterzeichnet hat und keine der anderen Glaubensrichtungen waren an den Verhandlungen beteiligt.

Wir haben seinerzeit mehrheitlich aus verschiedenen Gründen diesen Verträgen nicht zugestimmt, zum einen, weil diese Verträge den Kirchen im Wesentlichen Rechte zusichern, die ihnen durch das Grundgesetz sowieso garantiert sind, wie beispielsweise die Glaubensfreiheit und Selbstverwaltungsrecht. Eine erneute Zusicherung war also überflüssig. Zum anderen hatten wir kritisiert, dass bei den unterzeichneten Verträgen die Rechte bei den Kirchen liegen, während die Pflichten und Kosten hingegen die Stadt übernimmt, was bei gleichberechtigten Vertragspartnern nicht gerade üblich ist.

Unser Hauptkritikpunkt war allerdings, dass wir KirchenStaatsverträge zur Regelung der Belange zwischen Staat und Kirche für obsolet halten, weil diese Anforderungen nicht den Ansprüchen einer pluralistischen Gesellschaft gerecht werden. Wir brauchen eigentlich für alle Religionsgemeinschaften in Hamburg nur eine einheitliche, gesetzliche Regelung und keine Exklusivverträge.

Wir haben Ihnen seinerzeit schon erklärt, dass diese Vorzugsbehandlung der christlichen Kirchen ein Problem mit den anderen Glaubensgemeinschaften bringen wird, für die qua Verfassung dieselben Rechte gelten müssen. Sie haben trotzdem die Verträge abgeschlossen. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben sich hiermit ein Problem eingebrockt, für dessen Lösung Sie eine große Verantwortung tragen. Wir sind gespannt, wie Sie das bewerkstelligen wollen. In Ihrem Antrag ist das bei weitem nicht ausreichend dargestellt, wie schon von Frau Özoguz angemahnt.

Was Sie in Ihrem Antrag den Muslimen anbieten, ist ein, ich zitiere:

"verbindliches, schriftliches Abkommen."

Was ist denn ein verbindliches, schriftliches Abkommen? Etwas anderes ist nicht machbar, sagen Sie, Herr Beuß. Was soll denn das genau bedeuten? Hier ist keine Rede von einem Vertrag, geschweige von einem Staatsvertrag. Es geht hier offensichtlich um ein Abkommen erster und zweiter Klasse. Das heißt, Ihr Antrag ist kein Zeichen von Integration, sondern eher von Desintegration.

(Beifall bei der GAL)

Die Frage ist, wie wollen Sie mit den anderen Glaubensrichtungen neben den Muslimen verfahren? Wollen Sie beispielsweise einen Freundschaftsvertrag mit den Aleviten schließen oder vielleicht ein mündliches Abkommen mit der buddhistischen Gemeinde?

Sie zementieren hier eher die Ungleichbehandlung als die Gleichbehandlung. Das ist dann, meine Damen und Herren von der CDU, keine Verhandlung auf gleicher Augenhöhe, wie Sie sich ausgedrückt haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn Sie die Gleichbehandlung wollen, dann müssen Sie sich überlegen, wie gleiches Recht für alle Glaubensrichtungen gelten kann. Aber mit dieser Art von Abkommen werden Sie das nicht hinbekommen.

Wir finden es grundsätzlich positiv, dass Sie auf die Muslime beziehungsweise auf die muslimische Gemeinde zugehen wollen, aber Sie definieren gar nicht, wer das ist. Das ist sehr schwammig, aber wir unterstützen dieses Anliegen mit unserem Zusatzantrag.

Frau Özoguz, unser Zusatzantrag ist nicht die Ebene, indem wir fordern, dass auf gleicher Augenhöhe ein Vertragswerk oder ein Gesetzeswerk abgeschlossen wird. Unser Zusatzantrag symbolisiert nur, dass es eigentlich selbstverständlich ist, ohne irgendwelche Verträge etwas zu unternehmen. Das müsste eigentlich schon einmal Usus sein, um bestehende Benachteiligungen und Ausgrenzungen ganz allgemeiner Art überhaupt zu verhindern, und zwar ohne Verhandlungen.

Daher habe ich vorhin so salopp gesagt, dass unser Antrag eine Anfütterung ist. Nun höre ich aber von Herrn Beuß, dass diese Selbstverständlichkeiten um Gottes willen nicht vorgenommen werden können, bevor man nicht erst einmal Gespräche geführt hat.

Herr Beuß, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Laden Sie doch die Vertreterinnen der muslimischen Verbände und Organisationen zukünftig zu allen offiziellen Veranstaltungen und Festen ein, wie das für christliche Kirchen selbstverständlich ist. Organisieren Sie den Austausch, wie das bereits mit dem Treffen der Bischöfe der Fall ist.

Abgeordnete treffen Bischöfe, ist eine langjährige Tradition. Das könnte man doch auch mit Fraktionsvertreterinnen und den Muslimen alles ohne Vertrag durchführen.

Treten Sie in einen offiziellen Dialog zu politischen und gesellschaftlichen Fragen ein, dann werden Sie vielleicht einer Lösung zur Gleichbehandlung auf der gesetzlichen Ebene näherkommen. Das sind alles nur minimale Dinge, die Sie überhaupt erst einmal angehen müssen. Aber über die ganze Frage Gleichbehandlung, auf gleicher Augenhöhe, Vertrag oder gesetzliche Regelungen zu schließen, um die es geht, von den Regelungen über Bestattungen über alle anderen Fragen, die auch in anderen Verträgen mit den christlichen Kirchen geschlossen werden, ist recht wenig zu hören oder zu sehen. Deshalb: Legen Sie Ihre Motive offen, Herr Beuß. Da würde ich gern dieses elfte Gebot an Sie herantragen. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr Beuß hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Keine Angst, ich werde nicht den Ältestenrat einberufen, aber mir in diesem Zusammenhang das Wort heuchlerisch unterzuschieben, ist ziemlich starker Tobak.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und GAL! Auf die sogenannten Tränen, die Sie darüber weinen, dass wir es alles nicht ernst meinen und alles ohne Inhalt und Substanz ist, kann ich Ihnen wirklich nur entgegnen: Wo waren Sie in den letzten 15 bis 20 Jahren? Da gab es auch schon Migranten in dieser Stadt. Sie haben nicht den Kirchen Vertragsverhandlungen angeboten, geschweige denn den Muslimen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Özoguz, ich springe normalerweise nicht über jedes Stöckchen,

(Gerhard Lein SPD: Aber Jetzt! Kleines Stöck- chen, großer Sprung!)

das mir eine Sozialdemokratin hinhält, aber in Ihrem Fall tue ich es einmal.

Was kann Gegenstand von solchen Verhandlungen sein? Ich glaube, es geht insbesondere darum, dass wir – ähnlich wie wir es mit den Kirchen gemacht haben – gegenseitig Rechte und Pflichten miteinander klären. Dazu gehört die Frage des Moscheebaus, dazu gehören die Fragen des Bestattungswesens und auch der hier schon angesprochene Islamunterricht an staatlichen Schulen. Es geht um die zukünftige Betreuung älterer, muslimischer Menschen, zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen. Es geht um Gefängnisseelsorge und es kann auch um die Besetzung von Rundfunkräten gehen. Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere Seite der Medaille bedeutet Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, zur Rolle der Frauen sowie den Rechten und der Würde der Frauen. Es geht um eindeutige Ablehnung von terroristischer Gewalt. Wir wollen Achtung vor den Wertvorstellungen unserer westlichen Gesellschaft und die entsprechende Loyalität haben.