Aber Sie können doch nicht ernsthaft im Grundsatz sagen, wir sind für mehr Demokratie und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, aber nur, wenn sie so abstimmen, wie wir wollen. Da kann ich Sie, Herr Reinert, nicht aus der Pflicht entlassen. Sie haben gestern so ein wunderschönes Politikerwort
"Wir haben im Grundsatz eine positive Einstellung dazu, dass nicht nur das Parlament, sondern auch das Volk gesetzgeberisch tätig werden kann."
Haben Sie ein Problem oder gar ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie oder zu demokratischen Verfahren? Ich bin Gott sei Dank nicht bei der Aufstellung Ihrer Listen für die Bürgerschaftswahl dabei. Aber bei dem, was man in den letzten Wochen in den Zeitungen lesen kann, vergisst man nicht so schnell, was Anfang der Neunzigerjahre los war, wo Sie vom Gericht gezwungen wurden, neu zu wählen.
Nicht aufregen, gucken wir nach vorne, das ist Schnee von gestern. Die Stadt wartet auf ein Signal aus dem Rathaus, dass der Volksentscheid gleichzeitig mit der Bürgerschaftswahl stattfindet.
Meine Damen und Herren! Sie haben jetzt Volksentscheide übernommen, nach denen Volksabstimmungen wieder an Wahltagen stattfinden sollen. Handeln Sie danach und hören Sie endlich auf, damit rumzutricksen. – Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kollegen! Herr Dressel kann es gar nicht erwarten; Sie bekommen gleich Ihren Teil ab, seien Sie ganz ruhig.
Zu Beginn ist die Tatsache festzustellen – das steht auch in den Drucksachen –, dass die gesetzlich erforderlichen Quoren für diese zwei Volksbegehren erreicht worden sind. Das haben wir zu akzeptieren und wir zollen dafür – das sage ich auch ganz deutlich – "Mehr Demokratie" Respekt; auch das tun wir gerne.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL – Dr. Willfried Maier GAL: Gerne? Das glauben wir nicht!)
Ich will aber auch sehr deutlich sagen, verehrte Kollegen, dass wir bereits zu Beginn der Woche angekündigt haben, dass wir als CDU das Volksbegehren "Rettet den Volksentscheid" der Bürgerschaft zur Annahme empfehlen werden. Ich will aber auch noch einmal sehr deutlich machen, dass gerade bei diesem Verfahren, das wir jetzt durchgeführt haben, immer wieder von "Mehr Demokratie" und auch der Opposition in diesem Hause behauptet worden ist, mit diesem neuen Verfahren der Amtseintragung würde faktisch die Volksdemokratie in Hamburg beendet werden. Diese 100 000 Menschen, die daran teilgenommen haben, haben Ihnen gerade gezeigt, dass Sie falsch gelegen haben, und zwar sehr falsch.
Dieses Verfahren hat Volksdemokratie in Hamburg nicht behindert, ganz im Gegenteil, wir haben das zu akzeptieren.
Ich will aber noch einmal zu dem kommen, was Frau Goetsch eben gesagt hat. Was wir von Frau Goetsch eben gehört haben, passt ganz gut zu dem Vokabular, das wir in den letzten Wochen schon gehört haben und das zum Teil wirklich aus dem tiefsten politischen Schlammloch stammt: Schäbigkeit, Manipulation, Trickserei, Sabotage waren die Termini in den Presseerklärungen und auch hier – bemerkenswert.
Wer einzelne Kollegen dieses Hauses oder Fraktionen der Bürgerschaft oder den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg permanent mit solchen Beschimpfungen überzieht, die eigentlich nur dem einen Motiv gelten, nämlich mit politischem Kalkül den eigenen Vorteil zu suchen, der muss damit leben, dass er aus der Gruppe der ernst zu nehmenden politischen Kräfte dieser Stadt langsam ausscheidet. Wir brauchen keine Menschen, die versuchen, sich auf Kosten der Volksdemokratie selbst einen Vorteil zu verschaffen. Ich will ganz deutlich feststellen: Die zwei abgelaufenen Volksbegehren sind zu jedem Zeitpunkt korrekt und gesetzeskonform durchgeführt worden. Es gab weder vom Senat noch von der CDU in irgendeiner Art und Weise einen Eingriff in diesen Vorgang. Wer anderes behauptet, will wissentlich die Öffentlichkeit täuschen.
Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich auch bei dem Landesabstimmungsleiter und seinen Mitarbeitern für ihre engagierte Arbeit in den vergangenen Wochen bedanken. Ich entschuldige mich dabei ausdrücklich für zum Teil wirklich unzumutbare verbale Ausfälle einiger Kollegen dieses Hauses.
Diese Mitarbeiter haben einen hervorragenden Job gemacht und es nicht verdient, von der Opposition herabwürdigend instrumentalisiert zu werden.
Zum Volksbegehren "Stärkt den Volksentscheid" haben wir zu Beginn der Woche deutlich gemacht, dass wir als CDU-Fraktion der Bürgerschaft keine Übernahme empfehlen werden. Dieses Volksbegehren soll die Verfassung dieser Stadt ändern, damit künftig einfache Gesetze be
reits mit 17,5 Prozent der Wahlberechtigten beschlossen werden können und die Änderung unserer Verfassung bereits mit 35 Prozent der Bürger möglich ist.
Ich will heute sehr deutlich sagen – auch an die Adresse der Netzwerke gerichtet, die hinter diesem Volksentscheid stehen –, dass die Grundlage unserer Demokratie in dieser Stadt unsere Verfassung ist. Wer meint, die Grundlage zur Disposition von Minderheiten stellen zu müssen, verspielt nicht nur den demokratischen Grundkonsens dieser Gesellschaft, sondern nimmt wissentlich und bewusst Abschied von elementaren Prinzipien dieses Staates.
Wenn 35 Prozent der Wähler künftig ausreichend sein sollen, um Verfassungsänderungen zu beschließen, dann haben wir bald nicht mehr die Verfassung,
die unser demokratisches Gemeinwesen die letzten Jahrzehnte so hervorragend zusammengehalten hat. Darüber werden wir in dieser Stadt einen öffentlichen Diskurs führen müssen. Wir werden gemeinsam – Frau Goetsch, da haben Sie recht – darüber reden und streiten müssen. Wir werden öffentlich und offensiv darüber streiten müssen und wo können wir das besser, als in einem singulär ausgetragenen Volksentscheid, denn genau diese Debatte braucht Hamburg jetzt. Wir müssen mit den Bürgern darüber debattieren und ihnen sagen, was wir wollen und was Sie wollen und wir müssen ihnen die Chance geben, darüber nachzudenken.
Das machen wir sehr, sehr gerne, Herr Buss. Ich freue mich darauf, dass Sie den Menschen dann endlich auch einmal die Konsequenzen dessen darstellen, was Sie eigentlich wollen. Sie haben den Menschen beim Volksbegehren nicht ein einziges Mal gesagt, dass Sie die Quoren zur Gesetzgebung deutlich ändern wollen. Sie erzählen den Menschen vieles, nur das, worum es geht, erzählen Sie ihnen nicht und genau aus dieser Falle werden wir Sie nicht herauslassen, da werden wir Sie stellen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass ein solcher Volksentscheid nicht im allgemeinen Wahlkampfgetümmel untergehen darf. Hier geht es um grundlegende Prinzipien einer Demokratie. Wer die Möglichkeiten zur Änderung unserer Verfassung so sehr erleichtern will, dass künftig Minderheiten agieren können, der muss damit leben, dass er dies in einer freigestellten Debatte öffentlich austragen muss, und das geht nur in einem Volksentscheid, der nicht im Windschatten einer Wahl stattfinden wird.
Wenn Sie offensichtlich die Angst umtreibt, die notwendigen Beteiligungsquoren nicht zu erreichen, dann trauen
Sie den Hamburgern offensichtlich nicht zu, ein klares Bekenntnis entweder zu Ihrem Volksentscheid oder zu unserer Verfassung abzugeben, und das, liebe Kollegen, ist wahrlich erbärmlich. Sie legen die politische Axt an die Wurzeln unseres Staates,
möchten dies aber letztendlich klammheimlich und leise tun. Die abenteuerlichen Behauptungen von Herrn Müller, aber auch von Frau Goetsch, alles andere als ein Volksentscheid am Tag der nächsten Bürgerschaftswahl wäre eine Manipulation, zeugen zum einen von einer totalen Unkenntnis der Sachlage, denn das Termintableau ist im Gesetz fixiert und nicht dem Senat freigestellt, und zum anderen spricht daraus Ihre pure Angst. Das Kalkül der Opposition in diesem Hause frei nach dem Motto: "Wir basteln uns ein Wahlkampfthema, sonst haben wir nicht viel zu bieten" kann nämlich nur dann aufgehen.
Interessant fand ich auch die Reaktionen in den letzten beiden Tagen von Herrn Dressel und Herrn Müller. Man hört aus der Presse, "Mehr Demokratie" überlege, das jetzt laufende Volksbegehren neu zu starten und damit einen anderen Termin zu erreichen.
Strategisch ist das eine Überlegung, die Sie gern anstellen dürfen, aber interessant sind die Reaktionen von Herrn Müller und Herrn Dressel. Sie sagen sofort reflexartig, das ginge nicht. Warum geht das nicht? Sie wollen diesen Volksentscheid am Wahltag haben, weil sie das Vehikel Volksentscheid für ihre parteipolitischen Interessen nutzen wollen.
Da ist Ihre sonst geäußerte Sympathie für "Mehr Demokratie" sehr schnell zu Ende, weil "Mehr Demokratie" nicht mehr den Anforderungen Ihrer eigenen Wahlkampfplanung entspricht.