Die Initiatoren von "Mehr Demokratie" haben jetzt angefangen, laut darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht sinnvoller wäre, nach dem Motto "zurück auf Los" noch einmal anzufangen und dieses Mal die Bundestagswahl als gemeinsamen Urnengang ins Auge zu fassen. Meine Fraktion kann die Enttäuschung, die hinter dieser Überlegung steht, nur allzu gut verstehen. Aber wir sollten als Befürworter einer gemeinsamen Wahlentscheidung nicht aus dem Auge verlieren, dass es auch hier die von der FDP dargelegten Taschenspielertricks geben kann.
Jetzt darauf zu spekulieren, dass es in dieser Frage zu einem Konflikt zwischen "Mehr Demokratie" und SPD und GAL kommt, ist völlig aus der Luft gegriffen, denn wir alle werden doch nicht miteinander in die von der CDU ausgelegten Netze laufen und uns darin verfangen.
Ein Verzicht auf die Durchführung des Volksbegehrens heißt, den falschen Positionen zum Siege zu verhelfen. Der Kommentar im "Hamburger Abendblatt" hieß sinngemäß: Wenn der CDU und dem Senat all dieses glücken würde, dann sei die Operation gelungen. An der Betäubung des Patienten wurde unsauber gearbeitet, bleibt uns festzustellen, deshalb ist der Patient wach geblieben und die Operation wurde abgebrochen.
Die Überweisung an den Verfassungsausschuss halten wir für selbstverständlich und ich wiederhole das, was ich in all den Diskussionen zu diesem Thema gesagt habe: Ich hoffe, dass die Wählerinnen und Wähler in dieser Stadt ein langes und gutes Gedächtnis haben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte als Erstes ganz herzlich den vielen Hunderten und Tausenden Aktiven gratulieren, die zum Erfolg dieser Volksbegehren beigetragen haben. Wir haben eine breite Aktivität erlebt. Menschen, die mit Politik ansonsten nicht sehr viel zu tun haben, die sich lediglich durch Zeitunglesen auf dem Laufenden halten, sahen sich plötzlich veranlasst, etwas zu machen. Besonders nett fand ich die Oma, die zu ihrem Kaffeekränzchen geht und sagt, ihr meckert doch sonst immer, die hören sowieso nicht auf das, was wir sagen und machen, was sie wollen, hier könnt ihr das jetzt einmal unterstützen, ihr müsst dort hingehen und euch eintragen. Es war beeindruckend, dass sich sehr viele Leute, aus allen Bevölkerungsschichten, mit ganz unterschiedlichen politischen Grundüberzeugungen an diesem Volksbegehren beteiligt haben. Ich halte das für einen sehr großen Erfolg für die Demokratie in dieser Stadt und dazu möchte ich auf das Herzlichste gratulieren.
Wenn man – deswegen haben wir noch einmal den Antrag gestellt, der Ihnen heute vorliegt – die Verfassung liest und ernst nimmt, dass Sie einem Volksbegehren zustimmen wollen, dann wird deutlich, dass von der Verfassung und auch von den Gesetzen gefordert wird, dass man bei Volksentscheiden eine möglichst hohe Beteiligung anstreben muss. Das halte ich für sehr wichtig, denn nur dann hat man eine breite Legitimation für die Entscheidung, die dort gefällt wird.
Selbst wenn es Ihnen durch Ihre jetzigen Aktivitäten gelingen würde, die Beteiligung bei einem Volksentscheid unter 50 Prozent zu drücken, dann haben Sie kein Ergebnis erzielt, weil natürlich das Thema auf der Tagesordnung bleibt. Damit kann der Volksentscheid auch nicht die befriedende Wirkung entfalten, dass ein bestimmtes Thema durch das Volk entschieden wird.
Deswegen ist es sinnlos, wenn Sie jetzt versuchen, durch diese Maßnahmen die Koppelung von Wahl und Volksentscheid zu verhindern.
Wenn Sie Maßnahmen vorantreiben, mit denen Sie gezielt die Beteiligung an Volksentscheiden verringern, dann bewegen Sie sich auf dünnem Eis, denn auch die parlamentarische Demokratie ist auf eine breite Legitimation angewiesen und ist natürlich auch regelmäßig in Frage gestellt. Auch bei einer Bürgerschaftswahl kann – unabhängig von der Wahlbeteiligung, die dann in der Lage ist, die Verfassung zu ändern – eine Zweidrittelmehrheit herauskommen. Da gibt es keinerlei Beteiligungsquoren und trotzdem würde sich diese Zweidrittelmehrheit immer das Recht herausnehmen, die Verfassung nach ihren Vorstellungen zu ändern.
Dass das nicht irreal ist, sieht man in diesem Lande. Es gibt Wahlen, bei denen bei einer Wahlbeteiligung von 27 Prozent tatsächlich Kandidaten einzelner Parteien mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden. So ist es gerade vor wenigen Wochen in meiner Heimatstadt Wiesbaden geschehen.
(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das Beispiel passt schön! – Harald Krüger CDU: Wiesbaden ist ein schönes Beispiel!)
Man muss sich überlegen, auf welch dünnem Eis sich die parlamentarische Demokratie bewegt. Auf diesem dünnen Eis bewegen Sie sich mit Ihren Maßnahmen, weil Sie die Frustration in der parlamentarischen Demokratie ausbauen und systematisch dafür sorgen, dass die Leute sich frustriert von Parteien abwenden.
(Kai Voet van Vormizeele CDU: Da ging es um eine Oberbürgermeisterwahl und nicht um eine Parlamentswahl!)
Ich kann Ihnen garantieren, ein Wahlkampfthema wird die direkte Demokratie sein, egal, welche Tricks und welche Maßnahmen Sie ergreifen, denn es bleiben genügend Fragen übrig, zu denen sich die Parteien, die sich bewerben werden, äußern müssen. Die direkte Demokratie in Hamburg ist untrennbar mit dem Thema Wahlrecht verbunden. Frau Duden hat es schon angesprochen. Wir erleben bei der CDU gegenwärtig einen Aufstellungsprozess, in dem Frauen praktisch überhaupt nicht vorkommen, also eine klassische Fehlrepräsentation von weiten Bevölkerungsteilen.
Wir müssen uns genau angucken, was Sie beim Wahlrecht geändert haben. Sie haben die Möglichkeit geändert, dass Kandidatinnen, die von ihren Parteien – das ist auch bei anderen Parteien im Durchschnitt so – nach hinten gesetzt werden. Bei den Grünen ist das systematisch anders geregelt. Aber auch bei anderen Parteien sind Frauen eher etwas unterrepräsentiert. Was passiert bei dem Wahlsystem, wo kumuliert und panaschiert werden kann? Frauen wählen Frauen nach vorne. Sie haben offensichtlich so große Angst vor den weiblichen Wählerinnen, dass Sie hier eine Änderung durchgesetzt haben, die bei Ihnen die männliche Dominanz zementiert. Genau deswegen wird das auch ein Thema sein. Bei der Wahl werden sich die Leute fragen, warum man bei der CDU gar keine Frauen wählen kann und warum im Wahlkreis effektiv nur Männer gewählt werden können. Genau deswegen wird das auch ein Thema sein. Deswegen werden sich alle Parteien dazu äußern müssen, ob sie nach der Wahl eine Änderung des Wahlrechts durchführen werden. Deswegen wird die nächste Bürgerschaftswahl auch eine Wahl zum Thema "Direkte Demokratie" sein.
Nach Ihrem bisherigen Verhalten muss natürlich auch in der Wahl gefragt werden, ob die Kursänderung, die Sie am Montag angekündigt haben, nach der nächsten Wahl folgen wird. Die Frage wird sein: Machen Sie nicht wieder die nächste Rolle rückwärts und verschärfen Sie die Bedingungen für die Volksgesetzgebung, wenn Sie hier wieder die Mehrheit haben?
Die Parteien werden sich dazu äußern müssen, ob sie an diesen Verfahrensregelungen, die das Volk sicher wieder durchgesetzt hätte, die es schon einmal durchgesetzt und jetzt in großer Zahl begehrt hat, tatsächlich festhalten werden.
Im Zusammenhang mit dem übrig gebliebenen Volksbegehren ist der wichtigste Punkt die Tatsache, dass in dieser Stadt niemand auf die Idee gekommen wäre, die Verfassung in der Weise ändern zu wollen, wenn Sie mit dem Souverän, mit dem Volk nicht in der Weise umgegangen wären, wie Sie es in der Vergangenheit gezeigt haben. Niemand konnte sich vorstellen, dass eine Regierungsmehrheit sich so systematisch über Entscheidungen des Volksgesetzgebers hinwegsetzen würde, wie Sie das gemacht haben. Als die Volksgesetzgebung durch den Verfassungsgeber eingeführt wurde, waren sich alle Parteien einig – das kann man auch nachlesen –, dass die parlamentarische Mehrheit natürlich die Entscheidung des Volkes respektieren würde, dass man deswegen keine zusätzliche Sicherung braucht und die Flexibilität erhalten bleiben sollte, damit man kleinere Korrekturen vornehmen kann. Sie haben aber immer gleich mit der Axt gearbeitet und die Entscheidung grundsätzlich verkehrt oder sogar komplett missachtet, dass von dem, was das Volk entschieden hat, nichts mehr übrig geblieben ist.
Der Umgang mit den Entscheidungen und mit der Volksdemokratie, den Sie gezeigt haben, ist eine Chronik der Tricksereien. Diese Chronik beginnt schon mit dem LBK
Verkauf. Vor der Bürgerschaftswahl wurde gesagt, das Ergebnis des Volksentscheids wird respektiert. Nach der Bürgerschaftswahl, in der viele Leute darauf vertraut haben, dass sie ein Korrektiv ansetzen, Ole von Beust wählen und trotzdem die Krankenhäuser behalten können, wurden die Krankenhäuser verkauft. Das war Trick 1.
Dann kam Trick 2, das war eine glatte Dublette. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid zur Änderung des Wahlrechts hat Herr Reinert erklärt, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten, niemand wolle hier das Wahlrecht ändern. Nach der Bundestagswahl wurde dann das Wahlrecht flugs in Ihrem Sinne geändert, sodass Ihre Kungelrunden wieder die Macht hatten.
Trick 3 war die Bürokratisierung der Volksgesetzgebung, durch die Sie erhofft hatten, dass Volksentscheide gar nicht mehr zustande kommen. Ja, in diesem Falle hat es geklappt, weil alle an einem Strang gezogen haben, die irgendwann schon einmal ein Anliegen durch Volksbegehren, Volksinitiative oder Volksentscheid verfolgen wollten. Deswegen ist es natürlich wichtig, dass auch dann, wenn zunächst nur eine einzelne Gruppe von den Entscheidungen betroffen ist, ein Volksbegehren überhaupt zustande kommen soll. Auch dieser Trick reiht sich ein in die Chronik der Tricksereien.
Trick 4 war dann, als Sie im laufenden Volksbegehrenverfahren schon einmal bekannt gegeben haben, dass die notwendige Zahl der Unterstützerinnen und Unterstützer erreicht werden wird. Das ist zwar nicht verboten, aber das ist im Ergebnis ziemlich genau das Gleiche, als wenn im Laufe eines Wahlsonntags schon einmal mitgeteilt würde, wie zwischenzeitlich abgestimmt worden ist. Das hat natürlich dazu geführt – deswegen war der Trick ja recht geschickt –, dass die meisten Leute die Karte, mit der sie noch hätten zum Amt gehen können, weil sie sie noch bis zum letzten Moment haben liegen lassen, sich sagten, dann muss ich ja gar nicht mehr hingehen. Dummerweise hat auch das nicht richtig funktioniert, weil trotzdem eine beachtliche Zahl von Bürgerinnen und Bürgern hingegangen ist.
Deswegen haben Sie zu Trick 5 greifen wollen und wollten gar nicht die Gesamtzahl der Eintragungen bekannt geben. Nur weil Initiatoren und Oppositionsabgeordnete noch zum Verfassungsgericht gegangen sind, haben Sie sich überhaupt veranlasst gesehen, die Gesamtzahl der Unterstützerinnen bekanntzugeben.
Deswegen haben Sie zu Trick 6 greifen müssen, nämlich zur Sonderprämie für die Auszählerinnen und Auszähler,
um letztlich zu Ihrem Trick 7 zu kommen, dass Sie mit allen Mitteln versuchen, den Wahltermin vom Volksentscheidtermin zu entkoppeln. Deswegen vergießen Sie auch Krokodilstränen und sagen, man müsse gucken, dass man zu dieser Frage eine eigenständige Debatte hinbekommt. Das ist falsch, weil Sie nur einen weiteren Trick aufgelegt haben, um die Volksgesetzgebung zu behindern. Sie haben es immer wieder systematisch versucht und Sie machen das auch an dieser Stelle wieder.
Richtig ist die Frage, wie wir in Zukunft mit der direkten Demokratie, wie wir mit der Macht des Volkes umgehen, die untrennbar mit den Entscheidungen verbunden ist, die hinter der Bürgerschaftswahl stehen. Dazu werden sich alle äußern müssen, deswegen ist es auch richtig, dass diese Entscheidung an einem Tag stattfindet.
Es bleibt wieder die Frage: Woher kommt die Angst, ist es die Angst vor dem Feind, der in Ihrem Falle das Volk ist? Warum sind Sie nicht so besonnen, wie die CSU es seit vielen Jahrzehnten in dieser Frage ist? Sie sagt, sollen uns doch die Leute an bestimmten Punkten korrigieren, dann sind sie auch insgesamt wieder mit den Zuständen zufrieden. Aber Sie lernen das nicht. Sie laufen in das parteipolitisch aufgestellte Messer, machen das tatsächlich zum Wahlkampfthema, indem Sie mit weiteren Tricks arbeiten.
Ich kann Ihnen zu dieser Geschicklichkeit nur gratulieren, aber ich kann Ihnen nicht raten, an dieser Stelle weiterzumachen. Sie sollten die Überweisung dieser beiden Begehren an den Verfassungsausschuss zum Anlass nehmen, bei sich Einkehr zu halten und Ihr Verhältnis zur Volksgesetzgebung grundlegend zu ändern.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Goetsch, zu Beginn muss ich auf Ihre Ausführungen eingehen. An die Vorwürfe, wir würden manipulieren und tricksen, habe ich mich gewöhnt. Das trifft uns als Politiker, damit müssen wir umgehen. Aber wenn Sie hier vom Sabotagevorwurf gegenüber den Mitarbeitern des Landeswahlamtes sprechen, dann sind Sie damit eindeutig zu weit gegangen. Ich erwarte von Ihnen entweder eine Entschuldigung oder dass Sie ganz klar Ross und Reiter nennen, denn das sind strafrechtliche Vorwürfe. Das kann man so einfach nicht machen.
(Beifall bei der CDU – Christa Goetsch GAL: Sie waren gemeint und nicht das Amt! – Christian Maaß GAL: Sie waren gemeint!)