Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sie wollen Ihre Politik der sozialen Spaltung weiter betreiben. Sie finden es offenbar richtig, wie diese Stadt auseinander wächst und schämen sich hierfür auch nicht, was traurig ist.

Natürlich begrüßen wir die Einrichtung der Eltern-KindZentren. Das ist gar keine Frage. Die Idee ist gut. Aber wir benötigen mehr und bessere präventive Angebote und nicht nur Werbung. Diese Drucksache ist allenfalls ein Baustein.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Blömeke.

(Olaf Ohlsen CDU: Frau Blömeke war heute noch gar nicht dran oder?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Strasburger, ich muss Ihnen sagen, dass man eines im Laufe der Zeit feststellen kann: Ihre Debatten haben hier eindeutig an Schärfe gewonnen.

(Lars Dietrich CDU: Wir sind ja auch kein Kuschelparlament!)

Allerdings macht die Schärfe, die Sie hier hineinbringen, Ihre Politik nicht unbedingt glaubhafter. Ich habe das Gefühl, Sie versuchen mit der Schärfe zu überzeugen. Das gelingt aber nicht.

Sie haben das Thema zur Debatte angemeldet. Das ist eigentlich eine prima Sache. Sie haben auch erklärt, dass Ihr Senat irgendetwas verwirklicht hat. Das finde ich erstaunlich. Sie verfallen in den gleichen Fehler, den wir vorhin schon beim Thema Jugendgewalt hatten. Sie versuchen, Zahlen von vor zehn, 15 Jahren mit den heutigen zu vergleichen, die Sie aber gar nicht vergleichen können, weil wir heute eine völlig andere gesellschaftliche Situation haben. Der Vergleich hinkt.

Ein Anfang ist gemacht. Hamburg erhält 22 Eltern-KindZentren, vorrangig verteilt in sozialen Brennpunkten. Das ist gut. Jetzt können Sie sich fragen, warum wir uns als Opposition darüber nicht so freuen, wie die CDU. Eigentlich müssten wir zufrieden sein, denn mit der Einrichtung dieser 22 Zentren hat sich immerhin eine Forderung der GAL erfüllt, die wir schon vor langer Zeit ausgesprochen haben. Bei uns hießen die Eltern-Kind-Zentren Familienzentren. Sie sollten in der Tat ähnlich wie bei der SPD nach dem Vorbild der englischen Early Excellence Centres errichtet werden.

Aber das Grundprinzip, dass Kitas Angebote entwickeln sollen, in denen Bildung und Betreuung der Kinder mit Unterstützungsmöglichkeiten und Beratungen für deren Eltern kombiniert werden – beispielsweise im Bereich Erziehung, Gesundheit und Erwachsenenbildung –, ist gleich. Warum brechen wir also angesichts der Verwirklichung dieser Ideen nicht in lauten Jubel aus?

Hierfür gibt es hauptsächlich zwei Gründe. Erstens: Wort und Tat passen nicht zusammen. Auf der einen Seite haben wir das Senatskonzept, das sich wirklich gut liest. Die Anforderungen an ein Eltern-Kind-Zentrum sind wirklich nahezu mit unseren Vorstellungen für die Arbeit einer derart weiterentwickelten Kita identisch. Frau Strasburger, Sie haben erklärt, dass Bildungsanregung für Kinder unter drei Jahren, Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz, Hilfe zur Selbsthilfe, Gesundheitsvorsorge mit Beratung, Kooperation mit anderen Einrichtungen, Förderung und Integration von Familien mit Migrationshintergrund und – nicht zu vergessen, aber ganz wichtig – die aufsuchende Arbeit entscheidend ist, um Kinder und Eltern aus ihrem – so steht das im Konzept – teilweise desorganisierten Tagesablauf zu holen.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Frau Blömeke, ich möchte Ihr Innehalten einmal dazu nutzen, um zu bemerken, dass es eigentlich viel zu laut ist. Die Gespräche über mehrere Bankreihen hinweg sollten am besten vor der Tür weitergeführt werden. – Frau Blömeke.

(Olaf Ohlsen CDU: Natürlich, den Text kennen wir doch!)

– Den Text kennen Sie noch nicht.

Das Problem ist doch, dass in der CDU-Fraktion so viele desinteressierte Menschen sitzen, wenn es um die Kinder- und Jugendpolitik geht.

(Wolfhard Ploog CDU: Das dürfen Sie aber nicht sagen, das stimmt nicht!)

Ja, wenn das nicht stimmt, dann hören Sie doch erst einmal zu. Dann können Sie hinterher vergleichen, ob Sie den Text kannten.

Auf der anderen Seite haben wir nämlich die reale Umsetzung und die passt nicht zu den vielfältigen Anforderungen, die im Konzept vorgegeben werden. Diese zusätzliche und anspruchsvolle Arbeit soll nur mit einer halben Erzieherstelle funktionieren. Das sind pro Fachkraft 19 Stunden in der Woche. Ich habe jetzt nicht die Leitungsstelle wie die SPD-Kollegin mitgerechnet, sondern wir haben wirklich nur 19 Stunden wöchentlich, die das aufholen sollen, was der Senat durch seine Zweiklassen-Kitapolitik in sechs Jahren versäumt hat. Das ist zu wenig.

(Lars Dietrich CDU: Jede Stunde, die wir mehr an- bieten, ist mehr als Sie je gemacht haben!)

Jetzt können Sie sich aufregen. Hiermit sind wir genau bei dem Punkt 2 des Nichtjubelns.

Der Senat versucht nämlich, mit den Eltern-Kind-Zentren die Öffentlichkeit zu beruhigen. Nachdem das GutscheinSystem eine tiefe Wunde in das Betreuungssystem benachteiligter Familien gerissen hat, klebt der Senat nun

das Pflaster der Eltern-Kind-Zentren auf die Wunde und meint, alles wird gut. Das ist die soziale Wende, von der Frau Strasburger gesprochen hat. Die soziale Wende geht nur leider in die völlig verkehrte Richtung, nämlich in die Ausgrenzung der sozial benachteiligten Kinder.

Machen wir uns doch einmal klar, wie viele Kinder durch diese Zentren erreicht werden und wie ausführlich die Betreuung sein soll.

(Lars Dietrich CDU: Wofür ist es gedacht?)

Herr Dietrich, wollen Sie mit mir kommunizieren? Dann kommen Sie hinterher hier nach vorn.

Pro Eltern-Kind-Zentrum sollen durchschnittlich 13 Kinder mit Eltern rund zwölf Stunden in der Woche versorgt werden. Das sind bei 22 Zentren 286 Kinder und Eltern, die möglicherweise angesprochen werden. Aber machen Sie sich bitte klar, vor der Tür bleiben Tausende von Kindern, die von der frühkindlichen Bildung oder von dem Spracherwerb eines Kitabesuches von mindestens 30 Stunden ausgeschlossen werden, obwohl – und jetzt komme ich auf Ihren Einwand, Herr Dietrich –, gerade die es besonders nötig hätten.

Die müssen wir nämlich erreichen, denn ich rede von den Kindern, die aus benachteiligten Elternhäusern kommen und keinen Gutschein erhalten, weil nämlich ein Elternteil wegen Arbeitslosigkeit oder aus anderen Gründen zu Hause ist. Nein, meine Damen und Herren Senatsvertreter, Frau Senatorin Schnieber-Jastram, es ist zu früh, wenn Sie sich Ihren Lehnstuhl herausholen und sich dort gemütlich unter die Decke der Eltern-Kind-Zentren einkuscheln und meinen, nun sei für benachteiligte Familien alles getan.

(Beifall bei der GAL)

Unser Anspruch und Ihr Anspruch, Frau Senatorin, muss es sein, kein Kind zurückzulassen, jedem Kind eine Chance auf frühkindliche Bildung zu geben und dort, wo es nötig ist, staatliche Versorgung zu geben, und zwar mehr als zwölf Stunden in der Woche. Diesem Anspruch können wir nur gerecht werden, wenn wir die Eltern-KindZentren als einen Baustein in diesem Gesamtkonzept …

(Olaf Ohlsen CDU: Genau!)

Jetzt haben Sie es verstanden, gut.

… der Kinderbetreuung sehen.

Ich habe schon einen CDU-Politiker überzeugt, prima. Ich will an dieser Stelle auch noch einmal sagen, wie dieses Gesamtkonzept aus Sicht der GAL-Fraktion aussehen soll. An oberster Stelle steht nämlich unsere Forderung nach einem Rechtsanspruch auf die Kindertagesbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. Zur Erinnerung vor allen Dingen an die Damen und Herren der CDU-Fraktion: Diese Forderung lässt sich finanzieren, wenn nämlich auch die CDU Mut zu Reformen hat. Sie erinnern sich sicherlich: Die Umwandlung des Ehegattensplittings in eine Individualbesteuerung würde rund 100 Millionen Euro Mehreinnahmen alleine nach Hamburg bringen, die dann in die Qualität der Kindertagesbetreuung und in den Ausbau der Krippen- und Ganztagesplätze fließen könnten. Damit steht die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung ab dem ersten Lebensjahr auf soliden finanziellen Beinen.

Als zusätzliches Angebot, da gebe ich Ihnen völlig recht, sind dann die Eltern-Kind-Zentren richtig und wichtig,

zunächst in sozialen Brennpunkten, da sind wir ganz beieinander, allerdings muss die personelle Ausstattung in diesen Zentren deutlich verbessert werden, damit die wirklich wahrhaft anspruchsvollen Aufgaben geleistet werden können. Zuallerletzt dürfen wir auch die Kitas nicht außer Acht lassen, die nicht zu Eltern-Kind-Zentren weiterentwickelt werden und deswegen keine zusätzlichen Förderungen erhalten. Diese Kitas brauchen nämlich zusätzliche Personalstunden zur aufwendigeren Betreuung der Kinder. Mit dieser Forderung erneuern wir hier eigentlich nur einen alten Sachstand, den Sie im Rahmen Ihrer Sparmaßnahmen weggekürzt haben. Alles in allem wird aus den Eltern-Kind-Zentren also erst dann ein Schuh und ein Grund zum Jubeln,

(Olaf Ohlsen CDU: Sehr schön, Frau Blömeke!)

wenn Sie nicht als isolierte Maßnahme in der Landschaft stehen,

(Zuruf von Karen Koop CDU)

sondern in ein Gesamtkonzept eingebettet werden. Genau das, Frau Koop, passiert unter Ihrer Regierung nicht, weil Sie es einfach ablehnen, sich für den Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr einzusetzen und sich auf eine Quote der Krippenbetreuung ausruhen, die zwar 21 Prozent beträgt – und damit ist Hamburg von den westdeutschen Ländern an erster Stelle –, aber wen Sie nicht erreichen

(Olaf Ohlsen CDU: Mich erreichen Sie heute nicht!)

das ist die soziale Trendwende, von der Frau Strasburger gesprochen hat – und bewusst außen vor lassen, sind die Kinder aus benachteiligten Familien.

(Karen Koop CDU: Das ist doch Quatsch!)

Um den Bogen zur Jugendgewalt zu schlagen, das ist genau das, was SPD und GAL vorhin versuchten deutlich zu machen: Prävention fängt in der Kindertagesbetreuung an.

(Zuruf von der CDU: Ja, natürlich!)

Dann machen Sie sich stark und holen Sie die Kinder in die Kita hinein.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)