Protokoll der Sitzung vom 28.03.2007

(Dr. Willfried Maier GAL: Wir wollten doch gerade den Termin erreichen!)

Liebe Kollegen in der Opposition, hören Sie endlich auf, den Volksentscheid für Ihre Wahlkampfzwecke zu missbrauchen, nutzen Sie mit uns gemeinsam die Chance zu einem öffentlichen Diskurs in dieser Stadt, streiten Sie mit uns, streiten Sie darüber mit den Menschen in dieser Stadt, erzählen Sie Ihnen die Wahrheit über das, was Sie mit diesem Volksentscheid erreichen wollen. Wenn Sie das tun, liebe Kollegen von der Opposition, dann haben Sie dem Volksgesetzgebungsverfahren in dieser Stadt wirklich einen Dienst erwiesen. Hören Sie endlich auf, Ihren Wahlkampf auf dem Rücken derer zu führen, die eigentlich etwas ganz anderes erreichen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Duden.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will insbesondere noch ein paar Worte zu Herrn Voet van Vormizeele sagen. Das kann er sich sicher vorstellen.

Zuerst möchte ich mich aber den Worten von Frau Goetsch anschließen, die sie zum Feiern und Freuen gesagt hat. Sie hat es wunderbar ausgedrückt und das ist

bei den anderen Rednern in der Debatte ein bisschen zu kurz gekommen.

Ich möchte mich aber vor allem bei all denjenigen Mitarbeitern der Bezirksämter bedanken, die am Wochenende beim Auszählen helfen mussten, damit der Senat noch das richtige Datum bestimmen kann und Volksentscheid und Bürgerschaftswahl nicht an einem Tag stattfinden. Ich hoffe, dass wir auch all derer gedenken, die das vielleicht nicht freiwillig gemacht haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Christa Goetsch GAL: Tot sind sie noch nicht! – Bernd Reinert CDU: Sie sind doch noch nicht gestorben!)

Ja, gedenken ist vielleicht in dem Augenblick nicht die richtige Bezeichnung. Die Tränen brauchen Ihnen aber nicht zu kommen. Wenn Sie hinterher weinen, bei dem, was ich noch einmal deutlich machen will, ist mir das schon recht.

Frau Goetsch hatte schon darauf hingewiesen, mit der Aufstellung der Listen sind wir alle befasst. Dieses Thema lässt keinen von uns locker und bewegt natürlich viele von uns. Wir haben immer wieder gesagt, nie war es so ungewiss, ob jemand von uns einen Rückfahrschein in die Bürgerschaft bekommt oder nicht. Das gilt insbesondere bei der Diskussion, wie viele Frauen zukünftig in dieser Bürgerschaft sein werden. Hoffentlich wird es nicht so sein wie bei der Wahl der Delegierten für die Metropolregion. Herr Fischer hatte bei der Einlassung gesagt, bislang hätte es bei der CDU in den Wahlkreisen noch keine Frau auf die ersten Plätze geschafft, dafür könne er nichts, das sei ein basisdemokratischer Akt.

(Bernd Reinert CDU: Frau Thomas steht auf Platz 1!)

Das macht natürlich auch deutlich, dass Herr Fischer sich sehr wohl über Basisdemokratie schon das eine oder andere Mal Gedanken macht.

Aber nun zu Herrn Voet van Vormizeele. Viele Ihrer Vokabeln kamen aus dem Jägerlatein. Hat das irgendeine Bedeutung? Sie haben von politischen Schlammlöchern gesprochen. Wo sind die, wer hat die ausgebuddelt?

(Christian Maaß GAL: Bei der CDU in Wandsbek würde ich suchen!)

Eine solche Vokabel passt überhaupt nicht in diese Diskussion, denn wir alle haben in der Vergangenheit versucht, die Debatten relativ ernsthaft zu führen. Sie haben gesagt, Sie freuen sich darüber, dass wir endlich einmal über dieses Thema diskutieren können. Ich sage Ihnen voller Nachdenklichkeit: Das hätten Sie schon lange haben können. Sie, diese Seite des Hauses, waren es, die die Debatte zu diesem Thema über viele Monate mit Geschäftsordnungsdebatten und mit irgendwelchen Tricks immer wieder verhindert haben. Wir haben gesagt, wir bieten diese Plattform in der Bürgerschaft, weil wir glauben, dass eine solche Debatte hier in der richtigen Intensität geführt wird. Nun hören wir von Ihnen, dass Sie zur Debatte bereit sind. Ich weiß nicht, wen das überzeugen soll.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie sagten, Sie haben Angst davor, dass zukünftig Minderheiten operieren könnten.

(Harald Krüger und Kai Voet van Vormizeele, beide CDU: 35 Prozent!)

Ich sage Ihnen etwas, was wir auch immer wieder diskutiert haben: Die Minderheit der Nichtwähler ist in diesem Hause nicht vertreten, aber sie müsste eigentlich hier sein, um zu erfahren, was sie vom Wählen abhält. Sie tragen aber mit Ihrem Verhalten aktiv dazu bei, dass die Anzahl der Wähler niedriger sein wird, weil das, was wir hier diskutieren, im Wesentlichen zur Demokratieverdrossenheit beiträgt. Das sollten Sie in Ihrer Argumentation auch noch einmal berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben gesagt, wer das macht, lege die Axt an die Wurzel dieses Staates. Das habe ich mir aufgeschrieben. Sie haben ganz viel nicht mitbekommen. Wir können es Ihnen im Verfassungsausschuss gern noch einmal erzählen. Dort haben wir die Chance, diese Anträge das erste Mal miteinander zu diskutieren. Es ist im Übrigen eine pure Selbstverständlichkeit, dass Sie dieser Ausschussüberweisung zustimmen. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren.

Sie haben Angst.

(Dr. A. W. Heinrich Langhein CDU: Wir haben keine Angst!)

Die Vokabel Angst ist in dem Wortbeitrag von Herrn Voet von Vormizeele öfter gefallen. Wenn Sie keine Angst haben, dann können Sie das später noch einmal deutlich machen. Aber das ist vielleicht der erste Beginn eines Nachdenkens. Wenn Sie sich heute vor die Initiative "Mehr Demokratie" stellen – ich weiß gar nicht, ob die heute da ist –, dann muss uns Angst werden. Das haben die nicht verdient, dass Sie jetzt sagen, Sie sind diejenigen, die sich vor sie stellen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Losung, die der Bürgermeister ausgegeben hat, hieß: Wir haben verstanden. Uns bleibt heute die ehrenvolle Aufgabe, in unseren Wortbeiträgen deutlich zu machen, dass die CDU und der Bürgermeister – anders als vorgegeben – in Wirklichkeit nichts verstanden haben,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

zumindest nicht in den Augen derjenigen 100 000 Hamburgerinnen und Hamburger, die sich auf den Weg zur Abstimmung gemacht haben. Verstanden worden ist von Ihnen, dass es in diesem Falle ein Entgegenkommen der CDU geben muss, denn der Wahltag ist nicht mehr fern und die Wählerinnen und Wähler haben – das hoffe ich jedenfalls – ein langes Gedächtnis.

(Elke Thomas CDU: Das hoffe ich auch!)

Es war von Ihnen also ein Befreiungsschlag, um es noch einmal deutlich zu sagen.

(Zurufe von der CDU)

Ihre Empörung in dieser Frage genieße ich sehr.

(Bernd Reinert CDU: Empörung? Das war Amüse- ment!)

Es ist natürlich ein Befreiungsschlag, aber wir müssen die Frage stellen, ob das der Sprung in die richtige Richtung und ob er weit genug ist. Die Fragezeichen, die sich dahinter aufstellen – auch in den Kommentaren in dieser Stadt –, sind deutlich zu bemerken. Erst einmal war alles im Ansatz plattzuwalzen und dann treten Sie hier als Erleuchtete auf, sozusagen als Späterleuchtete – eine

klassische Fehlbesetzung in jedem Theaterstück –, und sagen, Sie hätten jetzt begriffen, was direkte Demokratie in der Stadt darzustellen hat. Verstanden ist von Ihnen auch, dass es nicht etwa ein Akt politischer Hygiene ist, sondern dass es eine reine taktische Erwägung ist. Diese taktische Erwägung hat Sie ganz allein zu dieser fünfzigprozentigen Annäherung geführt, denn mehr ist es nicht, das muss man noch einmal deutlich sagen.

Dazu hat der Bürgermeister natürlich auch wieder Worte gefunden. Er hat gesagt, er habe die große Unterstützung der Bürger mit Respekt aufgenommen und akzeptiere deren Wünsche – in Klammern: auch wieder nur 50 Prozent. Weiter hat der Bürgermeister gesagt – ich glaube, er hat sich zum ersten Mal in einer solchen Ausführlichkeit zu diesem Thema geäußert, ich kann mich nicht daran erinnern, dass er dazu jemals das Wort ergriffen hat –, reizvoll wäre es gewesen, alles an einem Tag stattfinden zu lassen, aber dieses Volksbegehren sei staatspolitisch so wichtig, dass man es an einem eigenen Tag stattfinden lassen solle.

Es gibt Lob, das lähmt, und es gibt auch Lob, das ziemlich viel kaputt macht, und das soll es im Übrigen auch. Die Leute in dieser Stadt sind intelligent genug, dieses Lob des Bürgermeisters zu durchschauen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt – egal, ob es Gegner oder Befürworter von "Mehr Demokratie" sind – wissen, dass es eine Herkulesaufgabe ist, im November 2007 600 000 Bürger zu mobilisieren und eine Zustimmung von zwei Dritteln zu erreichen.

Es bleibt also festzustellen: Staatspolitisch ist es sehr wichtig, aber es ist ein Geschenk, das vergiftet ist. Vor allem führt die Argumentationskette des Bürgermeisters in die Irre, denn was gibt es staatspolitisch Wichtigeres als eine Wahl?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Was böte sich hier geradezu zwingend an? Ganz eindeutig beides auf einen Tag zu legen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

In der Vergangenheit haben Sie ein bisschen hilflos darauf hingewiesen, dass das alles ziemlich teuer wäre. Das Finanzargument habe ich heute in diesem Zusammenhang von Ihnen nicht gehört. Das wäre aber zumindest ehrlicher gewesen.

Ehrlicher wäre es gegenüber den Beteiligten am Volksbegehren und den Wählern zur Bürgerschaftswahl gewesen, deutlich zu machen, dass das absolut nicht gewollt ist. Selbst die FDP redet hier von "Taschenspielertricks". Der Herausforderer des Bürgermeisters, unser Spitzenkandidat Michael Naumann, der von Ihnen heute schon sehr oft gewürdigt worden ist – deshalb hat er bei Ihnen zumindest etwas bewegt, denn wer Angst hat, pfeift auch ein bisschen lauter –,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

hat natürlich Recht, wenn er sagt, die CDU spreche von Bürgernähe, lehne sie aber ab, wenn der Bürger dem CDU-Senat zu nahe kommt. Deshalb ist es überraschend, wenn man in der Presse lesen kann, es gäbe bei der CDU eine Kehrtwende oder gar ein Einlenken. Das ist keinesfalls so.

Die Initiatoren von "Mehr Demokratie" haben jetzt angefangen, laut darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht sinnvoller wäre, nach dem Motto "zurück auf Los" noch einmal anzufangen und dieses Mal die Bundestagswahl als gemeinsamen Urnengang ins Auge zu fassen. Meine Fraktion kann die Enttäuschung, die hinter dieser Überlegung steht, nur allzu gut verstehen. Aber wir sollten als Befürworter einer gemeinsamen Wahlentscheidung nicht aus dem Auge verlieren, dass es auch hier die von der FDP dargelegten Taschenspielertricks geben kann.