Protokoll der Sitzung vom 18.04.2007

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Meyer-Kainer, ich stelle mich jetzt nicht hin und suche das lange blonde Haar in der Suppe, sondern ich könnte meine Rede von 2005 hier noch einmal halten, wo ich en détail dargestellt habe, wie lange es gedauert hat, bis man so einen Entwurf auf dem Tisch hatte. Der Entwurf liegt nun vor und das kann man natürlich ganz locker feiern, weil die Implementierung losgegangen ist. Wenn Sie sagen, Frau Meyer-Kainer, dass 200.000 Euro draufgelegt wurden, dann ist es natürlich keine tolle Sache, wenn man das vorher ordentlich jahrelang gespart hat.

Zwei Punkte sind noch zu nennen, denn Frau Fiedler hat das meiste schon ausgeführt. Wir sind alle der Meinung und haben das in der Enquete-Kommission auch konsensual beschlossen, dass die frühkindliche Bildung, und besonders die Sprachförderung, schon in der Kita losgehen muss; da gibt es gar keinen Dissens. Das heißt aber auch, dass man in der Kita entsprechendes Personal

braucht. Nicht nur die Leitung einer Kita muss eine andere Ausbildung haben, sondern das Personal muss in der Lage sein, Sprachförderung zu machen. Ich verweise in dem Zusammenhang auf den Antrag, den wir morgen einbringen werden, dass wir entsprechend ausgebildete Frühpädagogen in der Kita haben müssen.

Dass noch ein Dissens bei der additiven Sprachförderung besteht, haben wir an dieser Stelle schon öfter gesagt. Es kann nicht angehen, dass die Kinder, die in der Kita sind, wieder in die Vorschule zur Sprachförderung tapern; diesen Ansatz zweier Lernorte verfolgen wir nicht.

Kommen wir weiter zur Vorschule. Wir sind als GALFraktion der Auffassung, dass in der Regel ab dem fünften Lebensjahr alle Kinder in ein kostenfreies Bildungsjahr in die Schule gehen und wir nicht mehr verschiedene Orte haben, an denen eine Sprachförderung erfolgt. In der Enquete-Kommission bestand auch Dissens mit der CDU darüber, dass es für alle Kinder ein kostenfreies Jahr geben muss. Es ist schade, dass wir dazu in der Enquete-Kommission keine gemeinsame Empfehlung abgegeben haben.

Zu sagen ist natürlich auch noch, dass die guten Projekte wie die Mütterkurse, die Sie auch alle ansprachen, besonders wirksam sind, wenn Mütter ebenfalls die deutsche Sprache lernen, und zwar nicht, um nur besonders gut deutsch mit den Kindern zu sprechen, sondern um Akzeptanz zu erreichen und mit einem gewissen Selbstbewusstsein einen ganz anderen Bezug zur Schule zu bekommen; das ist die erste Aufgabe.

Außerdem möchte ich an dieser Stelle sagen, dass gut daran getan wurde, die Family-Literacy-Projekte, die zurzeit mit großem Erfolg laufen, nicht im Modell zu belassen, sondern weiterzuführen. Das sind sehr spannende BLK-Projekte. Wir alle wissen aber, dass es leider aufgrund der Föderalismusreform vom Bund kein Geld mehr gibt für solche BLK-Projekte.

Ein letzter Punkt. Bei meinen Hospitationen in den Schulen muss ich immer wieder feststellen, dass die Sprachförderung nicht irgendwann in der ersten oder dritten Klasse enden darf, sondern auch in der Sekundarstufe I weitergeführt werden muss, denn die Idee, dass Kinder mit fünf Jahren Deutsch können und dann ist es gut, ist nicht richtig. Ebenso muss man auch die DAZ-Stunden entsprechend anerkennen, denn im Lehrerarbeitszeitmodell sind die Deutsch-als-Zweitsprache-Stunden mit ganz geringem Faktor bewertet. Das zeigt, dass der Stellenwert von Deutsch als Zweitsprache noch nicht so richtig erkannt worden ist und daran muss ebenfalls weiter gearbeitet werden.

Ich bin gespannt, wie es aussieht, wenn dieses Konzept, das jetzt implementiert wird, richtig evaluiert ist. Ich glaube, erst dann können wir weiter kritisieren und lange "blonde" Haare in der Suppe suchen. - Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Senatorin Dinges–Dierig.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Anmerkung zu Beginn. Frau Fiedler, ich habe mich über Ihre Ausführungen an einer Stelle ganz besonders gefreut, und zwar, als Sie ausgeführt haben, dass Sie das Ergebnis aus den

Sprachförderkursen bis heute vermissen. Das zeigt, dass Sie angekommen sind und es wichtig ist, auf die Ergebnisse zu gucken, und nicht mehr wichtig ist, nur zu schauen, was wir hineinstecken. Herzlich willkommen!

(Beifall bei der CDU)

Auch die Wirksamkeit der Maßnahmen haben Sie, Frau Fiedler, eben noch einmal angesprochen. Wir haben tatsächlich von einigen Schulen keine Rückmeldungen bekommen, das freut mich natürlich auch nicht. Ich glaube, das können Sie gut verstehen. Von daher kennen wir natürlich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht hundertprozentig alles, was im Bereich der Sprachförderkurse wirklich erfolgreich ist und was nicht. Wir werden aber in einigen Jahren schlauer sein. Ich bedauere, dass Sie diesen Ergebnisblick nicht schon früher in den Achtziger- oder Neunzigerjahren hatten, denn dann wären wir heute viel weiter,

(Wilfried Buss SPD: Das ist doch klar! Damals hat die CDU doch auch nicht solche Vorschläge ge- macht!)

dann wüssten wir etwas über die Wirksamkeit von Maßnahmen, was Frau Goetsch eben auch gesagt hat - mal sehen, was aus Family Literacy wird, bisher sieht es positiv aus -, dann wüssten wir heute einfach schon sehr viel mehr.

(Beifall bei der CDU)

Auch ich möchte nicht gewisse Dinge wiederholen, die wir schon ein paar Mal hier gesagt haben.

(Glocke)

Frau Senatorin, gestatten Sie Frau Goetsch eine Zwischenfrage?

Nein.

(Wolfgang Beuß CDU: Wir wollen den Abend doch nicht verlängern!)

Mit dem Sprachförderkonzept haben wir uns alle noch einmal bewusst gemacht, was eigentlich das Entscheidende ist. Wir haben das Kind wieder in den Mittelpunkt des Sprachförderkonzepts gestellt und eindeutig eine Verbindung zwischen zwei Maßnahmen hergestellt, nämlich dem Viereinhalbjährigen-Vorstellungsverfahren und dem Sprachförderkonzept. Wir haben den Mut zur Frühförderung gehabt, auch wenn darüber in der Gesellschaft sehr kontrovers diskutiert wurde. Wenn wir vor der Einschulung schon feststellen, dass es erhebliche Defizite gibt, dann überlassen wir es nicht mehr den Eltern, ob sie die Kinder zu zusätzlichen Kursen zu uns schicken oder in die Kita oder die Vorschule schicken, sondern wir verpflichten sie ab nächstem Jahr dazu. Nur so kann es uns gelingen, Bildungsnachteile auszugleichen und Bildungserfolg von sozialer Herkunft oder Migrationshintergrund zu entkoppeln.

(Wilfried Buss SPD: Das ist nur eine Maßnahme!)

Das Sprachförderkonzept ist ein Teil wichtiger Integrationspolitik in unserer Stadt, weil wir einen roten Faden gelegt haben von der Frühförderung, also Kita im Verbund mit der Schule, bis hin zu den weiterführenden Schulen.

Wir hatten vorhin schon das Thema, dass das natürlich nicht reicht. Ich sprach, ebenso wie Frau Goetsch, schon von Family Literacy. Wir haben erfolgreiche Müttersprachkurse laufen und das Sprachcamp, das Frau Meyer-Kainer angesprochen hat, ab nächstem Sommer. Auch dieses wird noch nicht alles sein, wir werden bei der Sprachförderung weiter an unserem Handlungskonzept zur Integration von Schülerinnen und Schülern arbeiten.

Ich will noch zwei Punkte herausgreifen. Der eine ist Deutsch als Zweitsprache im Bereich der Lehrerausbildung, die längst überfällig ist, und ein Maßnahmenkatalog zur Förderung des Übergangs in Ausbildung. Hier geht es insbesondere um andere Bewerbungsverfahren für unsere Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

Dass wir darüber hinaus bessere Voraussetzungen für die integrierte Sprachförderung ab Sommer dieses Jahres durch unser Projekt "Lebenswerte Stadt" schaffen - im Durchschnitt 19 Kinder in den sozialen Brennpunkten unserer Stadt -, ist die Basis, um zusätzlich in allen Kursen, in allen Fächern, in allen Punkten Sprachförderung zu betreiben.

(Beifall bei der CDU)

Doch wir sind mit dem, was wir bisher getan haben, noch nicht am Ende angekommen. Frau Goetsch, Sie haben es eben angesprochen, das Personal in den Kitas fußt auf einer Erzieherausbildung, die in Deutschland sehr alt ist, die eine sehr lange Tradition hat und auch noch von einem anderen Bild von Kindertagesstätten ausgeht, als wir sie heute haben. Ich gehe fest davon aus, dass wir nicht nur die Erzieherausbildung verändern müssen, sondern uns vielleicht sogar in manchen Staaten ein Vorbild holen können, wie wir das Personal an Kitas noch besser ausbilden, vielleicht weiterführend aus unserer deutschen Tradition heraus. Es ist aber auch wichtig, den Bogen nicht zu überspannen. Den Professionenmix, den wir an Schulen brauchen, brauchen wir in meinen Augen auch an Kindertagesstätten.

(Christiane Blömeke GAL: Sie haben ja unseren Antrag gelesen, das ist super! Das ist voll in Ord- nung!)

Es ist nicht damit getan, die Ausbildung zu akademisieren. Ich halte es für unbedingt erforderlich, weiterhin eine Ausbildungsperspektive für Jugendliche mit Hauptschulabschluss zu haben,

(Christiane Blömeke GAL: Bravo!)

die gerade in den Kindergärten sehr gute Arbeit leisten.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Willfried Maier GAL)

Sie haben inzwischen auch mitbekommen, dass einige Länder unser Sprachförderkonzept kopiert haben, und wir sollten so weitermachen, wie wir bisher begonnen haben. Das heißt, wir werden keine isolierten Maßnahmen und keine parallelen Strategien aufbauen, sondern die Bildungspolitik der CDU heißt in dem Fall miteinander verzahnte Maßnahmen, die in der Fläche wirken. Dann kann es uns gelingen, Bildungschancen für alle Kinder unserer Stadt zu schaffen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Dr. Hilgers.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Politik im Bereich der Sprachförderung - insbesondere in der frühkindlichen Sprachförderung - ist in den letzten Jahren von reichlich Hü und Hot geprägt, drei Schritte zurück und einer vor.

Kinder in benachteiligten Quartieren, viele mit Sprachförderbedarf, verlieren Krippen- und Hortbetreuung, viele haben ihren Ganztagsplatz im Elementarbereich verloren, bekommen dann - wir haben das jüngst diskutiert - im Krippenbereich über die Eltern-Kind-Zentren ein paar Kita-Gutscheine zurück, längst aber nicht so viele, wie sie verloren haben.

Das, meine Damen und Herren, ist die Grundstruktur der CDU-Politik.

(Robert Heinemann CDU: Das wissen Sie doch ganz genau! Hören Sie auf, einen solchen Unsinn zu erzählen!)

Nun zu dem Thema Sprachförderung. Die jeweilige Jahrgangsstärke der unter Fünfzehnjährigen beträgt in Hamburg circa 15.000 Kinder plus/minus. Im letzten Jahr vor der Schule - Frau Meyer-Kainer hatte darauf hingewiesen - sind fast alle in außerhäuslichen Bildungseinrichtungen, davon ein Drittel etwa in der Vorschule, zwei Drittel in der Kita. Gut 10 Prozent davon - das wissen wir jetzt - haben nach den Viereinhalbjährigen-Untersuchungen ausgeprägten Förderbedarf, also etwa rund 1.500 Kinder, von denen der Verteilung nach wahrscheinlich 1.000 in Kitas sind und etwa 500 in Vorschulen. Diese 1.500 Kinder sind im laufenden Schuljahr zu additiven Sprachfördermaßnahmen verpflichtet, im nächsten Schuljahr - nach Ihren Beschlüssen aus den Haushaltsberatungen - zum Besuch der Vorschule. Auch bei der Vorschule ein Hin und Her. Bis zum Schuljahr 2005/2006 war der Vorschulbesuch kostenfrei, danach wurde er für alle Eltern kostenpflichtig, eine Angleichung auf hohem Niveau, von der Herr Heinemann immer so gern spricht.

Dieses hat zu einer Abwanderung aus dem Vorschul- in den Kita-Bereich geführt, da hier für berufstätige Eltern das Betreuungsangebot flexibler gestaltet ist. Ab dem nächsten Jahr - die Kollegin hatte schon darauf hingewiesen - gilt die Vorschulpflicht mit Beitragsfreiheit für die Eltern. Kinder können nur in der Kita bleiben, wenn ihre Eltern einen Antrag auf Verbleib in der Kita stellen und weiter Gebühren zahlen.

Nun feiern Sie sich, Frau Dinges-Dierig, in der Presseerklärung am 29. März dafür, dass für das kommende Jahr 1.000 Kinder mehr in der Vorschule angemeldet sind. Diese Zahl entspricht ziemlich genau der vermuteten Anzahl der Kinder mit ausgeprägtem Sprachförderbedarf, die bisher im letzten Jahr in der Kita waren und deren Eltern sie jetzt per Gesetz verpflichtet haben, ihr Kind in der Vorschule anzumelden. Wissen tun Sie es nicht, zumindest haben Sie uns das in der Kleinen Anfrage nicht beantwortet.

Es gibt also hier, Frau Senatorin, eine per Gesetz festgelegte Steigerung der Vorschulanmeldungen, nicht eine, die durch Elternwahl und/oder besondere Gestaltung der Angebote zustande gekommen ist. Solche Pressemeldungen, Frau Senatorin, sind absolut irreführend.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blömeke GAL)